Der Jugendrat diskutiert mit den Bundestagskandidaten über Arbeit, Europa, Verkehr und die Krise.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

S-Mitte - „Jugendliche interessieren sich nicht für Politik“, ist ein verbreitetes Vorurteil. Mit genau diesem wollten die Mitglieder des Stuttgarter Jugendrats aufräumen. Deshalb haben sie eine Podiumsdiskussion organisiert und moderiert. Dabei waren Bundestagskandidaten der fünf großen Parteien aus Stuttgart und der Region. Nicolas Schäfstoß (SPD), Karin Maag (CDU), Biggi Bender (Bündnis 90/Die Grünen), Matthias Werwigk (FDP) und Claudia Haydt aus Nürtingen (Die Linke, in Vertretung für Marta Aparicio) diskutierten mit den Jugendlichen über Bildung, Arbeit, Europa, die Deutsche Bahn und die Finanzkrise.

 

Circa 70 Jugendliche waren am Mittwochabend in das Wilhelmspalais gekommen. Viele hatten sich zahlreiche Fragen für die Politiker überlegt, die diese dann in knapp zwei Minuten beantworten mussten. Roberta Walser vom Jugendrat Ost und Marcel Wolf aus dem Westen moderierten die Diskussion. Ihnen selbst stehen ähnlich den Bundestagskandidaten ebenfalls Wahlen bevor: die gesamtstädtischen Jugendratswahlen Anfang 2014. Dabei wird es nicht nur darum gehen, die jugendlichen Wähler zu motivieren, sondern bis dahin auch genügend Kandidaten zu finden, die sich dem Votum stellen.

Politikverdrossenheit jedenfalls kann bei den Jugendratswahlen nicht als Ausrede gelten. Bei der Podiumsdiskussion zeigte sich, dass den Jugendlichen viele Themen unter den Nägeln brennen, so sprachen sie Bildungspolitik, Finanzkrise und die europaweit zunehmende Jugendarbeitslosigkeit an. Wissen wollten sie aber von den Kandidaten vor allem, wie diese jeweils bei einem Einzug in den Bundestag ihre Ideen umsetzen wollen. „Was verstehen Sie denn überhaupt unter Bildungsgerechtigkeit, Herr Schäfstoß“, fragte Roberta Walser zum Beispiel den SPD-Kandidaten. Seine Antwort dazu: Noch immer studierten wesentlich weniger Arbeiterkinder. Er strebe deshalb mehr Chancengleichheit an. „Die Kinder sind ja nicht blöder“, sagte der SPD-Vertreter. Doch allein mit dieser Aussage ließ sich die Jugendrätin nicht abspeisen und fragte nach seinem konkreten Plan. „Der Bund muss die Länder im Bildungsbereich wieder mehr unterstützen und zwar beim Ausbau der Kitas, der Ganztagsschulen oder auch beim BAföG“, antwortete er.

Finanzkrise sorgt für Diskussion

Beim Thema Mindestlohn kam die Debatte dann so richtig in Gang, denn besonders die Vertreter von Linke und FDP zeigten dabei gegensätzliche Ansichten. Matthias Werwigk vertrat die Meinung, dass die Anzahl der Arbeitsplätze im Vordergrund stehe. „Jugendlichen muss der Einstieg ins Berufsleben ermöglicht werden“, betonte er. Aus seiner Sicht führe ein Mindestlohn eher dazu, dass es insgesamt weniger Arbeitsplätze gebe, so Werwigk.

Claudia Haydt wiederum sieht einen Mindestlohn als Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. „Es kann nicht sein, dass eine Friseurin trotz einer 40-Stunden-Woche noch mit ALG II aufstocken muss“, sagte sie.

Während die hohen Preise des Bahnverkehrs im Allgemeinen und bei der Deutschen Bahn im Besonderen relativ schnell abgehakt waren, sorgte die Finanzkrise für eine große Diskussion. Die Jugendlichen machten sich dabei vor allem Sorgen, wer am Ende auf den hohen Schulden sitzen bleibt. Viele fürchten, dass ihre Generation die Auswirkungen der Finanz- und Eurokrise am härtesten zu spüren bekommt. Nach Ansicht von Karin Maag sind diese Bedenken jedoch unbegründet: „Die Lösung der Krise wird uns rund 20 Jahre beschäftigen, aber niemand bleibt am Ende auf den Schulden sitzen“, betonte die CDU-Kandidatin.

„Die Politik muss Jugendlichen Vertrauen in Europa zurückgeben“

Zum Abschluss wollte Marcel Wolf noch von dem 30-jährigen Schäfstoß wissen, wie Europa aussehen wird, wenn die anwesenden Jugendlichen so alt seien wie er jetzt. „Gerade den Jugendlichen muss die Politik das Vertrauen in Europa zurückgeben“, betonte er. Die schwarz-gelbe Regierung habe den Sinn Europas, die Solidargemeinschaft, derzeit aus den Augen verloren. Auf die gleiche Frage, gestellt von Roberta Walser, antwortete der 68-jährige Liberale Matthias Werwigk: „Die Krise wird überwunden sein.“

Das Jugendliche sich nicht nur für Politik interessieren, sondern sich intensiv mit den aktuellen Themen auseinandersetzen, haben die Stuttgarter Schüler bei der Podiumsdiskussion mit unzähligen Fragen gezeigt: Warum koaliert die SPD ungern mit der Linken? Ob die CDU nicht falsche Anreize schaffe, wenn sie Frauen dafür bezahle, dass sie zu Hause bleiben. Nicht auf jede Frage gab es eine zufriedenstellende Antwort, aber eines konnten die Jugendräte von der Podiumsdiskussion für ihren eigenen Wahlkampf auf jeden Fall mitnehmen, vor allem dass die Diskussion mit den Wählern wichtig ist.