Beim Jugendkirchenfestival verwandelt sich die Martinskirche in eine kreative Spielwiese.

S-Nord - „Mein Hobby ist das Seilspringen“, sagt ein Mädchen, das Sahira gerufen wird und in Syrien wohnt. Doch der Hinterhof, in dem sie ihr Hobby ausüben konnte, gibt es nicht mehr. Und sie selbst wurde wegen eines regimekritischen Graffitis ins Gefängnis gesteckt und gefoltert. „Jetzt kann ich mein Hobby nicht mehr ausüben“, sagt sie. Das Mädchen, das dort mit drei weiteren auf einer kleinen erhöhten Plattform in der Martinskirche steht, heißt tatsächlich Lisa. Sie und die anderen schwingen ein langes Seil, springen und sprechen im Wechsel. Es ist eine der letzten Szenen, die an diesem Tag eingeübt wird. Noch gut anderthalb Tage haben die Kinder Zeit bis zur Aufführung.

 

Der viertägige Theaterworkshop ist eines von zahlreichen Angeboten des Jugendkirchenfestivals, das in diesem Jahr zum siebten Mal stattfindet. Ins Leben gerufen wurde das Festival, weil man den Kirchenraum mit den Themen junger Menschen in Verbindung bringen möchte, erklärt die Jugendpfarrerin und Leiterin des Festivals, Petra Dais. Zwei Monate lang bespielen Künstler, Musiker und andere Kreative mit Kindern und Jugendlichen den Kirchenraum und seine Umgebung, während der Raum selbst derweil kaum mehr an seinen eigentlichen Zweck erinnert. Die Kirchentrojaner, eine Stuttgarter Gruppe von Architekten, Künstlern, Theologen und Pädagogen, haben den Kirchenraum verändert und gestaltet. Von der Decke hängen riesige weiße Sprechblasen, auf diesen können mit Magneten Wörter angebracht werden. Kommunikation ist ein wichtiges Thema des Festivals, das sich im Programm widerspiegelt. Es gibt einen Kulturentisch, bei dem Jugendliche sämtlicher Nationen und Religionen zusammen essen und sich austauschen, deutsch-französische Begegnungstage und vieles mehr. Schulklassen besuchen während des Festivals die Kirche und machen Workshoptage mit verschiedenen Künstlern wie Susanna Messerschmidt und Thomas Putze, der in den Wagenhallen sein Atelier hat.

Den Theaterworkshop leiten der Theaterpädagoge Frieder Schmitz und die Kulturpädagogin Annette Plaz, die auch stellvertretende Leiterin des Festivals ist. Die beiden zeigen in den vier Tagen, wie Theater gemacht wird. „Die Kinder kommen häufig mit einer falschen Vorstellung hier her“, sagt Frieder Schmitz. „Sie denken, wir machen ein großes Bühnenbild, sie bekommen von uns einen Text, den sie auswendig lernen müssen.“ Dabei gehen die beiden ganz anders vor. Die Szenen, die die Kinder am heutigen Freitag aufführen, haben sie selbst entwickelt. Die Grundlage dafür bildeten ihre eigenen Hobbys – Tanzen, Lesen, Hockey spielen oder auf dem Kopf stehen. Die beiden Pädagogen geben Anstöße, kümmern sich um den Rahmen und liefern Geschichten wie die des kleinen syrischen Mädchens, die indes auf Tatsachen beruhe, sagt Frieder Schmitz. „Die Kinder sollen den ganzen kreativen Prozess mitbekommen und sich als Gestalter empfinden“, sagt er. Die Szenen stehen am zweiten Tag auf dem Programm, jetzt geht es um den Feinschliff, um den Ablauf und das Verknüpfen der einzelnen Episoden.