Von der Dohle bis zum Papagei: Im Unteren Schlossgarten und im Rosensteinpark fühlen sich immer mehr Vögel richtig wohl. In den Platanen finden sie zum Teil ideale Brutbedingungen vor.

S-Ost - Hupfdohle! Den Ausdruck hört man auch in Stuttgart öfter, bevorzugt bei Tanzdarbietungen aller Art, egal ob im Ballett, beim Gardetanz oder in Nachtclubs. Besonders nett ist das meistens nicht gemeint. Ob diejenigen, die sich so abschätzig über Tänzerinnen äußern, aber wissen, welche Vogelart sich in dem Wort verbirgt, ist fraglich. Dabei gibt es sie sogar mitten in Stuttgart, die echten gefiederten Dohlen. Der zweite Vorsitzende des Naturschutzbundes Nabu in Stuttgart, Ulrich Tammler, hat bei einer Führung durch den Unteren Schlossgarten und den Rosensteinpark viel über diese Rabenvogelart, über die Gelbkopfamazone, die Hohltaube – und die Besonderheiten der Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Allee im Unteren Schlossgarten erzählt.

 

„Wer hat denn Konrad Lorenz gelesen?“, fragt Tammler zum Auftakt der Führung die rund 50 Vogelinteressierten, die gekommen sind. Obwohl einige die Hand strecken, kommen sie dann nicht darauf, dass der berühmte Verhaltensforscher selbst Dohlen aufzog und an und mit ihnen forschte. Dohlen sind die kleinsten Vertreter in der Familie der Rabenvögel und sowohl in der Luft als auch am Boden meistens flott unterwegs. Man könnte auch sagen, dass sie etwas hektisch durch die Gegend laufen. Dohlen gelten als soziale Vögel, die Brutkolonien bilden können. Sie bauen ihre Nester gerne in geeigneten Löchern wie etwa Spechthöhlen. Da es im Rosensteinpark und im Schlossgarten eine ganze Menge geeigneter Nistbäume gibt, fühlen sie sich da besonders wohl.

Amazonen vertragen die Einsamkeit nicht

Womit Ulrich Tammler auch schon in der Platanen-Allee im Unteren Schlossgarten angekommen ist. Die Felix-Mendelssohn-Bartholdy-Allee besteht aus 316 Platanen und zwei gemeinen Rosskastanien, ist an Sommerabenden die Lauf- und Radstrecke unzähliger sportbegeisterter Stuttgarter und wurde per Verordnung der Landeshauptstadt vom 5. Juni 2012 zum Naturdenkmal erklärt. Die Besonderheit von alten Platanen – die im Schlossgarten sind bis zu 200 Jahre alt – ist, dass sie im Stamm viele glatte Höhlen aufweisen, was sie zu einem Paradies für Höhlenbrüter macht. Dazu zählen Dohlen genauso wie Hohltauben oder die berühmten Stuttgarter Gelbkopfamazonen. So gibt es in Stuttgart laut Tammler inzwischen 60 bis 70 Hohltauben-Brutpaare, eine der größten Ansammlungen in ganz Mitteleuropa.

Auch den Gelbkopfamazonen gefällt es im Schlossgarten und vor allem in Bad Cannstatt gut – und am liebsten halten sie sich in Platanen auf. Dabei muss natürlich die Geschichte erzählt werden, wie die Papageien überhaupt nach Stuttgart kamen. Das erste Exemplar tauchte laut Tammler Mitte der 1980er Jahre im Rosensteinpark auf. Aus der Wilhelma konnte der exotische Vogel nicht stammen, weil zu der Zeit dort gar keine Gelbkopfamazonen gehalten wurden. Allerdings mögen die geselligen Amazonen das Alleinsein nicht, sie können sogar vor Einsamkeit sterben. Deswegen legten Wilhelma-Mitarbeiter zusammen und kauften einen Partner für den Papagei. Die beiden Vögel, das ist nicht selbstverständlich, mochten sich, vermehrten sich und waren der Ursprung für die heutige Papageienkolonie in Stuttgart, die ihren Aktionsradius inzwischen deutlich erweitert hat, zum Beispiel in den Stuttgarter Osten und bis zum Max-Eyth-See. Dort wird es allerdings wegen der vielen Graugänse und anderer zugewanderter Vögel, die von den Besuchern des See-Geländes unkontrolliert mit Futter aller Art versorgt werden, langsam eng. Aber das ist eine andere Geschichte.