Die Gablenbergerin Marie Muller ist bei Olympia für Luxemburg gestartet und hat viel erlebt. Nun steht ihr aus persönlicher Sicht ein noch wesentlich größeres Ereignis bevor – die eigene Hochzeit.

S-Ost - Bloß nicht zu sehr hin- und herschwenken. Nicht, dass sie am Ende noch kippt. Marie Muller wollte nichts riskieren, als sie mit der Luxemburger Fahne in der Hand die Olympioniken des Großherzogtums am 27. Juli ins Londoner Olympiastadion führte. Lieber einfach nur festhalten, dann kann schon nichts schiefgehen. Die 27-jährige Judoka mit dem luxemburgischen Vater und der deutschen Mutter hat an den Olympischen Spielen in London einen fünften Platz für den kleinen Nachbarstaat der Bundesrepublik erreicht. Jetzt ist sie wieder zuhause.

 

„Nach drei Wochen Trubel war es okay, wieder heimzukommen und ein bisschen Ruhe und Alltag zu haben“, sagt Marie Muller. „Jetzt muss ich halt wieder selber waschen und kochen, im olympischen Dorf haben sie uns das abgenommen. Das war schon Luxus.“ Olympia ist der Höhepunkt einer jeden Sportlerkarriere, für die 27-Jährige waren es nach Peking 2008 bereits die zweiten Spiele. „Es war beeindruckend, aber vom Gefühl her nicht mehr ganz so krass wie beim ersten Mal“, resümiert die Gablenbergerin. „Das ist aber angenehm, weil man sich dann selbst nicht mehr den ganz großen Druck macht.“

International startet Marie Muller seit 2006 für Luxemburg

Auch in Peking war Marie Muller – deren Nachname genau wie das deutsche Müller ausgesprochen wird – schon für Luxemburg angetreten, damals erreichte sie den neunten Platz. Nach ihren Anfängen beim Turnerbund Bad Cannstatt wechselte die talentierte Athletin zum Judo-Großverein KSV Esslingen und kämpfte sich bis in die deutsche Nationalmannschaft vor. Bereits damals hatten die Luxemburger die Sportlerin mit der doppelten Staatsbürgerschaft immer wieder gefragt, ob sie nicht für das Großherzogtum antreten wolle. „Da war die Förderung dort aber einfach noch nicht so gut, wie sie jetzt ist“, sagt Muller. Ihr Training absolviert die 27-Jährige nach wie vor in Esslingen, für den KSV tritt sie auch nach wie vor in der deutschen Bundesliga an. Internationale Wettkämpfe absolviert die Spitzen-Judoka aber seit 2006 für Luxemburg.

In London wollte die Gablenbergerin luxemburgische Sportgeschichte schreiben, Muller stand kurz davor, als erste Frau aus dem Großherzogtum eine olympische Medaille zu gewinnen. Am Tag ihres 27. Geburtstags legte sie einen ausgezeichneten Wettkampf hin, unterlag jedoch im Duell um die Bronzemedaille der Italienerin Rosalba Forciniti. „Das habe ich immer noch nicht ganz verdaut“, gesteht die zweifache Luxemburger Sportlerin des Jahres. „Ich bin schon froh über den fünften Platz, aber meine Leistung an diesem Tag war sehr gut, ich hätte es verdient gehabt, die Medaille in Händen zu halten.“ Als nach den acht Minuten Kampf keine der Kontrahentinnen eine Wertung hatte erzielen können, erklärten die Kampfrichter aufgrund größerer Aktivität die Italienerin zur Siegerin.

Beim Essen neben Michael Phelps

Trotzdem waren die Olympischen Spiele für die Gablenbergerin ein unvergessliches Erlebnis. „Ich saß beim Essen neben Michael Phelps, ein anderes Mal saß einen Tisch weiter der König von Schweden“, erzählt die 27-Jährige. Beim 200-Meter-Finale sei sie nur 20 Meter von der Ziellinie entfernt gesessen, als Usain Bolt Gold holte. Doch ein für sie wichtiger Sportler fehlt 2012 in Mullers Sammlung. „Ich hätte gerne Roger Federer getroffen“, verrät die Judoka. Der Schweizer Tenniskönig sei ein Vorzeigeathlet. In London musste sie sich einiges einfallen lassen, um ihr Idol zumindest aus der Ferne zu sehen. „Wir haben uns ins Tennis-Finale geschmuggelt“, gesteht sie mit einem verschmitzten Lächeln.

Ob Marie Muller 2016 bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro noch einmal dabei sein wird, dazu will sie noch keine Prognose wagen. Demnächst steht für die 27-Jährige erst einmal eine Schulteroperation an, danach will sie weitersehen. Nun hat für Muller erst einmal das Privatleben Priorität. „Ende September werde ich heiraten“, kündigt sie an. Nach elf Jahren Beziehung und zwölf Jahren sportlicher Zusammenarbeit führt sie dann ihr Trainer Ralf Heiler zum Traualtar. „Wir haben jetzt zwei Olympische Spiele zusammen überstanden, ich denke, jetzt können wir es wagen“, lacht Muller. „Ich bin schon echt gespannt, ob ich vor der Hochzeit genauso nervös sein werde wie beim Tragen der Fahne ins Olympiastadion.“