Ein junges, unorthodoxe Gottesdienstformat stellt den Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit her. Jeder Teilnehmer kann seine eigenen Ideen einbringen, der Gottesdienst ist angeleitet, aber als offener und kreativer Prozess gedacht.

S-Süd - Mit dem Imbiss fängt es an: Während man im herkömmlichen Gottesdienst andächtig die Hände faltet, greift man bei den „Himmlischen Aussichten“ der Evangelischen Thomasgemeinde beherzt zu. Kaffee, Apfelschorle, Hefezopf und Brezeln gibt es als Begrüßungssnack. Pfarrerin Judith Markgraf weiß: Durch Essen entsteht Gemeinschaft. Dabei lehnt sich der etwas andere Gottesdienst, der im vergangenen Jahr bereits an drei Terminen höchst erfolgreich stattgefunden hat, durchaus an die klassische Liturgie an. Aber weicht davon auch ab.

 

Klimawandel und christliches Gebot

So gibt es stets von Ehrenamtlichen angeleitete Vertiefungsgruppen, die sich mit einem Bibeltext spielerisch auseinandersetzen und ihn in Bezug zur eigenen Lebenswirklichkeit setzen. Als die Geschichte des Auszugs der Israeliten aus Ägypten auf dem Programm stand, meditierten die Gemeindemitglieder zum Beispiel über die Frage nach eigenen Neuanfängen oder Situationen, in denen man sich fremd gefühlt hat. Um die Geschichte des verlorenen Sohns nachzufühlen, bauten Ehrenamtliche der Gemeinde ein Labyrinth nach, um das Gefühl der Verlorenheit nachzuempfinden. Jeder Teilnehmer kann seine eigenen Ideen einbringen, der Gottesdienst ist angeleitet, aber als offener und kreativer Prozess gedacht.

Die spirituellen Bedürfnisse der Menschen hätten sich gewandelt, hat Judith Markgraf beobachtet. Viele legten Wert darauf, Antworten auf Fragen ihrer eigenen Lebenswelt zu finden, sei es in der Kindererziehung oder im Beruf. Das will das liturgische Format abbilden, gleichzeitig gesellschaftspolitische Entwicklungen stärker aufnehmen. Anknüpfungspunkte an die Bibel gibt es genug: Der Klimawandel etwa steht im direkten Zusammenhang zum christlichen Gebot, die Schöpfung zu wahren.

Stärkung für’s Leben

Markgraf ist überzeugt, dass die Offenbarung den Alltag der Menschen bereichern kann und wirbt für den Gottesdienst als Ort, an dem es für jeden etwas zu entdecken gibt. „Das Evangelium ist eine Stärkung für unser Leben“, sagt sie. Den Impuls für die Himmlischen Aussichten gab im vergangenen Jahr die Frage, wie man ein eigenes Angebot für die ganze Familie schaffen könne, sagt Markgraf. Oft sei es nämlich so, dass die Erwachsenen zwar die Kinder zum Kindergottesdienst begleiteten, sich aber nicht selbst angesprochen fühlten. Deshalb ist das Format explizit generationsübergreifend angelegt. Die bisherige Resonanz lässt auf einiges Potenzial schließen. „Es kamen immer deutlich mehr Leute als zum normalen Gottesdienst“, so Judith Markgraf. Viel öfter als drei Mal im Jahr würden die Himmlischen Aussichten aber wohl nicht stattfinden. Man wolle dem traditionellen Gottesdienst seinen Platz nicht streitig machen, versichert Markgraf, zumal die Himmlischen Aussichten auch einen organisatorischen Kraftakt für das achtköpfige Kirchenteam bedeuteten.

Am vergangenen Sonntag fand die Reihe unter dem Motto „Sei guten Mutes“ in der Dachswaldkirche seine Fortsetzung. Im Mittelpunkt stand das Wesen der Wunder. Es sei „eher meditativ“ gedacht, sagt Pfarrerin Markgraf.

Der nächste Gottesdienst in der Reihe „Himmliche Aussichten“ findet am 21. Juni, um 10 Uhr in der Dachswaldkirche statt.