Serviced Apartments drängen mit Macht auf den Wohnungsmarkt – zum Beispiel am Österreichischen Platz in Stuttgart. Aber handelt es sich tatsächlich um heimliche Umwidmungen von Wohn- in Gewerberäume?

Aus den Stadtteilen: Kathrin Wesely (kay)

S-Süd - Dass der Mietmarkt in Stuttgart eng ist, Wohnraum rar und teuer, ist sattsam bekannt. Politische Werkzeuge wie Mietpreisbremse, Zweckentfremdungsverbot und Kappungsgrenze konnten bislang wenig ausrichten. Und verstärkt drängen nun noch die Betreiber von Serviced Apartments oder Boarding Houses auf den Markt, die häuserweise möblierte Wohnungen anbieten, oft versehen mit den Annehmlichkeiten eines Hotelbetriebes wie Zimmer- und Wäscheservice.

 

Diese Branche belege kostbaren Wohnraum mit Beschlag, beklagte sich jüngst Wolfgang Jaworek, grüner Bezirksbeirat im Süden, bei einer Sitzung. Außer über Mietunterkünfte für Handwerker im Lehenviertel beschwerte sich der Lokalpolitiker über die schicken neuen Boardinghäuser an der Tübinger Straße und an der Feinstraße. „Mir ist schon klar, dass es Wohnungen für Firmenmitarbeiter geben muss. Nicht okay ist es aber, wenn Häuser wie das Caleido umgewidmet werden. Da werden aus Wohnungen gewerbliche Räume gemacht!“, behauptet Jaworek. Der Bezirksvorsteher im Süden, Raiko Grieb, sieht die Entwicklung gleichsam kritisch und moniert zudem, dass Serviced Apartments die Mietpreise anheizen würden.

Außerdem im Video: Warum sind die Mieten in Stuttgart generell so hoch? Das erklären die Kollegen von StuggiTV im Video.

Zweckfremde Nutzung?

Aber handelt es sich bei den Boardinghäusern in der Feinstraße 4 (Caleido) und in der Tübinger Straße 65, 67, 69 sowie dem Gebäude an der Ecke Fangelsbachstraße/Hauptstätter Straße (Strenger-Bauten) tatsächlich um heimliche Umwidmungen von Wohn- in Gewerberäume, wie der Grünen-Bezirksbeirat Jaworek vermutet? Wird hier folglich gegen das Zweckentfremdungsverbot verstoßen, das seit 2016 in Stuttgart in Kraft ist? Juristisch entscheidend sei das Geschäftsmodell dahinter, ob die angebotenen Leistungen denen eines Hotels ähnelten, gibt das Baurechtsamt Auskunft. Das müsse von Fall zu Fall geprüft werden und sei mitunter eine knifflige Frage. „Bei uns bekommen Sie weder ein kleines Hotelzimmer, noch müssen Sie einen langfristigen Mietvertrag abschließen“, schreibt die Betreiberfirma Executive Estate GmbH auf ihrer Internetseite über die oben genannten Objekte im Stuttgarter Süden. Allerdings heißt es dort auch: „Internet (WLAN), wöchentliche Reinigung inkl. Handtuch- und Bettwäschewechsel, Waschmaschine & Trockner, Parkplatz und vieles mehr ist inklusive.“

„Unsere Mieter sind vor allem Familien, die nach Stuttgart ziehen und in unseren Wohnungen wohnen, während sie ein dauerhaftes Zuhause in Stuttgart und Umgebung suchen“, berichtet Johannes Becker von der Executive Estate GmbH. „Dabei arbeiten wir sowohl mit vielen Unternehmen aus Stuttgart als auch mit den US Installations zusammen.“ Immer öfter würden Wohnungen von Versicherungen gemietet, um Bewohner bei Wasserschäden und anderen Versicherungsfällen vorübergehend umzuquartieren.

Baurechtlich betrachtet liegt das Caleido im Kerngebiet, das einen Beherbergungsbetrieb fraglos gestattet, sagt der stellvertretende Leiter des Baurechtsamts, Helmut Haas. Allerdings gab es 2013, als der Gewerbebau fertig gestellt wurde, die Auflage der Stadt, 20 Prozent Wohnfläche unterzubringen. Laut Johannes Becker gibt es im Caleido sechs Wohnungen, die „regulär vermietet“ werden. Auf der übrigen Fläche vermietet die Betreibergesellschaft neun Wohnungen. Ob damit die 20 Prozent abgedeckt sind, bleibt unklar.

Schlecht fürs soziale Klima

Auch in den sogenannten Strenger-Bauten sind Beherbergungsgewerbe baurechtlich erlaubt, sie liegen im Mischgebiet beziehungsweise im besonderen Wohngebiet. Für letzteres gilt ein Mindestanteil von 60 Prozent an Wohnungen. Wolfgang Jaworek hegt den Verdacht, dass hier gewerblich vermietete Wohnungen als normaler Wohnraum deklariert werden, um die gesetzlich geforderten Quoten einzuhalten. Der Grünen-Bezirksbeirat hat die Angelegenheit daher der Abteilung Zweckentfremdung beim Baurechtsamt gemeldet. Das muss die Sache nun prüfen.

Bezirksvorsteher Grieb, geht es bei seiner Kritik an Boardinghäusern auch um die Preisentwicklung: Die Branche tummle sich hauptsächlich im hochpreisigen Segment, oft bezahlten große Firmen die Mieten. „Da stellt sich die Frage, ob sich das auf den Mietspiegel auswirkt, und, ob das die Mieten in die Höhe treibt.“ Auch in sozialer Hinsicht seien Boardinghäuser unvorteilhaft, meint Grieb: „Daraus erwächst keine Nachbarschaftskultur.“

Trotzdem kommen sie – schleichend, aber unaufhaltsam: „Über 389 562 Menschen in rund 140 000 Betrieben arbeiten in der Region. Darunter exportstarke internationale Unternehmen des produzierenden Gewerbes wie Mercedes, Porsche, Bosch, Stihl oder Kärcher“, schrieb das Branchen-Magazin für Serviced Apartments „S0!Apart“ 2016 über die Landeshauptstadt. Die enorme Wirtschaftskraft bedinge häufige temporäre Aufenthalte von Mitarbeitern und sorge permanent für einen hohen Bedarf an Serviced Apartments.

„Stuttgart ist seit Jahren ein sehr wichtiger Markt, allerdings mit der ein oder anderen Herausforderung. Denn die Nachfrage nach Serviced Apartments übersteigt bei weitem das Angebot. Neue Projekte gehen mangels verfügbarer Flächen nur sehr langsam an den Markt“, lautet die Einschätzung von Anett Gregorius von Apartmentservice. Das Berliner Unternehmen präsentiert und vermittelt nach eigener Auskunft rund 32 000 Serviced Apartments in rund 120 Destinationen in Deutschland und weltweit. Regelmäßig führt Apartmentservice Marktbefragungen in der Branche und Studien durch. Das Fazit für Stuttgart: Es bleibt eng im Kessel – auch für die, die mehr für den Quadratmeter bezahlen können als der Durchschnitt.