Am Mittwoch hat die S-21-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm sieben Bohrkerne aus dem Mittleren Schlossgarten an Wissenschaftler der Universitäten Tübingen und Hohenheim übergeben. Diese untersuchen das Material nun intensiver.

Stuttgart - Für Laien gehört das verschieden farbige, mal feste, mal krümelige Gestein in den flachen Holzkisten zur Kategorie Dreck, für die Experten ist es wie ein offenes Buch, aus dem sie neue Erkenntnisse über die Stuttgarter Kultur- und Landschaftsgeschichte herauslesen können. Am Mittwoch hat die S-21-Projektgesellschaft Stuttgart-Ulm sieben Bohrkerne aus dem Mittleren Schlossgarten an Wissenschaftler der Universitäten Tübingen und Hohenheim übergeben, die – ausgestattet mit einem ebenfalls auf der S-21-Baustelle überreichten Förderbescheid des baden-württembergischen Umweltministeriums über exakt 26 527,75 Euro – nun das Material intensiver untersuchen werden. Erste Ergebnisse sollen Ende des Jahres vorliegen.

 

Die Wissenschaftler hoffen auf weitere Exemplare

Die Gesteinsproben stammen aus Bohrungen in bis zu 40 Meter Tiefe, mit denen der Baugrund im Schloßgarten erkundet wurde. Damals ging es den Bauingenieuren um Informationen für die Gründung des Tiefbahnhofs. „Wir freuen uns, dass wir sie nun für die wissenschaftliche Zweitverwertung zur Verfügung stellen können“, sagte Marc Theilemann, der stellvertretende S-21-Abschnittsleiter. Insgesamt lagern noch rund 70 Bohrkerne in einer Halle. Die Wissenschaftler hoffen deshalb auf weitere Exemplare. Darüber müsse noch geredet werden, hieß es dazu von der Bahn.

Immerhin waren dem Übergabetermin zahlreiche Briefwechsel vorausgegangen. Sowohl die S-21-Projektgesellschaft als auch Behörden wie das Landesfinanzministerium und das Landesamt für Denkmalpflege reagierten anfangs auf die Anfragen der Wissenschaftler um den Bodenkundler Andreas Lehmann – sagen wir es diplomatisch – abwartend. Erst als Lehmann in der stellvertretenden Landtagspräsidentin und Grünen-Abgeordneten Brigitte Lösch eine Unterstützerin fand, die die Beteiligten mit Abgeordnetenbriefen traktierte, kam Bewegung in die Sache.

Schließlich unterstrichen auch archäologische Funde die Bedeutung des Gebiets – von einem in Sandstein gemeißelten Kopf über einen Kanal aus dem 17. Jahrhundert bis hin zu Überresten eines römischen Gutshofs und einer alamannischen Siedlung sowie einem Höckergrab mit dem Skelett einer jungen Frau aus der Bronzezeit um 2000 vor Christus. Mittlerweile werden die Bauarbeiten archäologisch begleitet. Mit weiteren Funden wird gerechnet.

Die Ablagerungen in den Bohrkernen dokumentieren Veränderungen, die durch Naturereignisse oder Besiedlung ausgelöst wurden und geben Einblicke in die Klima- und Siedlungsentwicklung. „Der Nesenbach, der die Ablagerungen hertransportierte, ist unser Geschichtenschreiber“, sagte Andreas Lehmann.