Eigentlich sollten die Campbewohner Ende April den Park räumen. Jetzt wollen sie so lange bleiben, bis Stuttgart 21endgültig gestoppt ist.  

Lokales: Christine Bilger (ceb)

Stuttgart - Fast ein bisschen wehmütig haben die Passanten - Touristen und Familien mit Kindern - gewirkt, die am letzten Ferientag durch den Park gingen. Als wollten sie sich noch einmal ein Bild davon machen, wie ein unbeugsames Völkchen den Winter im Park überstanden hat, um alte Bäume zu retten: die Camper im Zeltdorf. Denn kurz nach der Landtagswahl hatten die Parkschützer und das Aktionsbündnis gegen Stuttgart 21 verkündet, bis Ende April werde der Park geräumt. Damit der Rasen wieder eingesät werden kann, der durch Belastungen wie den Wasserwerfereinsatz am "schwarzen Donnerstag" des 30. September und das Dauercampen nur noch eine Lehmfläche ist.

 

Doch von Rückzug, aufgeben und abziehen, redet im Park nun, da der April zu Ende ist, niemand mehr. "Wir bleiben" sagt eine Schülerin, die ihren Namen nicht nennen will. Mit Freunden sitzt sie vorm Indianerzelt, sie spielen Gitarre. "Ich bin seit sieben Monaten hier, und wir gehen nicht, bevor dieser Wahnsinn vom Tisch ist", sagt die Schülerin. Gerüchte, das Zeltdorf sei mittlerweile eine Anlaufstelle für Obdachlose, lässt die junge Frau nicht gelten. "Das sagen die, die uns nicht leiden können. Für die sind wir alle Penner." Denn schließlich sorge jeder im Schlossgarten selbst für seinen Lebensunterhalt - oder werde eben, wie sie selbst, noch von den Eltern unterstützt. Die Besetzerin hat das Glück, dass ihre Eltern auch "voll dagegen" sind.

"Es hat einen Umschwung gegeben", sagt Irmela Neipp-Gereke, die Sprecherin des Aktionsbündnisses. Ermutigt von Bürgern, die zu den Parkbesetzern kamen, hätten einige der Zeltbewohner beschlossen, durchzuhalten. "Es kamen Projektgegner und brachten Decken und Zelte", sagt Neipp-Gereke. Dadurch habe sich die Lage geändert. "Wir respektieren das, bleiben aber bei unserer Haltung, dass wir eigentlich dafür sind, den Park zu räumen." Dazu überreden will das Aktionsbündnis aber niemanden. "Vielleicht machen wir das, wenn die Bahn den Bau- und Vergabestopp bis Oktober, bis nach dem Stresstest, einhält", sagt die Sprecherin des Aktionsbündnisses.

 Der Baustopp ist wichtiger als das Grün

Ein klares Zeichen für die Räumung sollte die Auktion von Bausteinen der Umfriedung werden, die am Samstag um 14 Uhr im Schlossgarten stattfindet. "Die machen wir auch, ebenso wie das Einsäen am kommenden Wochenende", so Neipp-Gereke. Zusammen mit Landschaftsgärtnern, die ehrenamtlich mitmachen, wollen das Aktionsbündnis und die Parkschützer den beschädigten Rasen einsäen und am Sonntag wässern. "Wobei wir Wert darauf legen zu sagen, dass der Schaden vor allem durch den Wasserwerfereinsatz am 30. September entstanden ist. Die Besetzer haben nur einen kleinen Teil dazu beigetragen."

Die Besetzer sind von der Säaktion zum Teil noch nicht überzeugt. Stuttgart 21 zu verhindern ist ihnen wichtiger als das Grün wiederherzustellen. "Was bringt es denn, Rasen zu pflanzen, wenn hier bald eine riesige Baulücke klaffen soll?", sagt der Versammlungsleiter des Zeltdorfes, Peter Radom. "Wir bleiben auf jeden Fall, das haben wir am Donnerstag im Parkschützerrat beschlossen", sagt der 53-Jährige.

Besetzer pflegen einen entspannten Umgang mit der Polizei

Nach wie vor wissen die Besetzer, dass das, was sie tun, "nicht erlaubt, aber toleriert" sei. Sie pflegen daher auch einen entspannten Umgang mit den Polizeibeamten vom Revier in der Wolframstraße, das für das Stuttgart-21-Gelände zuständig ist. "Das sind unsere. Die waren das nicht am 30. September. Die sind in Ordnung", sagt Peter Radom. Natürlich komme die Polizei oft ins Zeltdorf - wenn Teenager von zu Hause abhauen, im Park etwas gestohlen wird, oder auch, wenn ein Kind vermisst wird. Letzteres sei vor wenigen Tagen geschehen, eine Mutter fand im Biergarten ihren Sprössling nicht mehr. Dann sucht die Polizei den Park - und auch die Zelte ab. "Ich hab den Kleinen dann in der Klett-Passage gefunden und zurückgebracht", sagt der Versammlungsleiter.

Regelmäßig drehen die Polizisten im Park ihre Runden, erkundigen sich auch nach dem Wohlergehen einzelner Campbewohner - man kennt sich und kommt miteinander klar. "Anständig bleiben!" rufen die Beamten zum Abschied. "Oben bleiben!" entgegnen die Besetzer - und alle lachen.


Verboten: Der Schlossgarten gehört dem Land und wird daher vom Finanzministerium verwaltet. Die Behörde teilt mit, dass es für das Zelten im Park „weder Dauergenehmigungen noch Einzelgenehmigungen“ gibt.

Geduldet: „Der Park ist kein rechtsfreier Raum“, sagt der Sprecher der Polizei, Olef Petersen. Dennoch greife die Polizei „aufgrund der besonderen Situation“ nicht bei jeder Ordnungswidrigkeit ein. Wohl aber, wenn Besetzer einem Lieferanten des Biergartens zwei Kisten Bier stehlen oder Schlägereien losbrechen – all das habe es schon gegeben.