Ein ukrainischer Seemann versucht in Port Adriano eine russische Luxusjacht zu versenken, auf der er als Maschinist arbeitet. Was genau trieb ihn dazu an?

Korrespondenten: Martin Dahms (mda)

Madrid - Taras Ostapchuk hält sein Wort. „Er ist gerade auf dem Weg zum Flughafen, um dort eine Maschine nach Polen zu besteigen“, berichtet am Montagmittag seine Mallorquiner Anwältin Neus Canyelles. Genau das hatte der 55-jährige Ostapchuk am Tag zuvor angekündigt. „Morgen fliege ich nach Polen, um von dort aus in die Ukraine zu reisen und für mein Land zu kämpfen“, sagte er der Lokalzeitung „Diario de Mallorca“. Aber bevor er sich auf den Weg machte, versuchte er noch ein russisches Schiff zu versenken. „Das war meine erste Schlacht“, sagte er. Die hat er allerdings verloren.

 

Lautstarker Streit im exklusiven Jachthafen von Port Adriano

Am Samstagvormittag erhielt die Guardia Civil in Calvià im Westen Mallorcas den Hinweis auf einen lautstarken Streit im exklusiven Jachthafen von Port Adriano. Eine Patrouille musste im Hafen nicht lange suchen. Ostapchuk kam von sich aus auf die Beamten zu und sagte: „Mein Chef ist ein Krimineller und verkauft Waffen, die das ukrainische Volk töten.“ Deswegen habe er versucht, dessen Jacht zu versenken. Seine Kollegen, Ukrainer wie er, hielten ihn allerdings für verrückt, weshalb es zu dem Streit kam.

Täter arbeitet als Maschinist auf der Lady Anastasia

Ostapchuk arbeitet „seit etlichen Jahren“ als Maschinist auf der Jacht „Lady Anastasia“, berichtet seine Anwältin. Das 48-Meter-Luxusboot ist auf den Namen einer Firma eingetragen, hinter der der russische Geschäftsmann Alexander Michejew steht, sagt Ostapchuk. Die Besitzverhältnisse hat auch die Anwältin noch nicht klären können, hält die Angaben ihres Klienten aber für glaubwürdig. Der 60-jährige Michejew ist seit fünf Jahren Vorstandsvorsitzender des staatlichen russischen Waffenexporteurs Rosoboronexport. Dort verdient er offenbar so gut, dass er sich eine Luxusjacht leisten kann, die unter der Flagge des Karibikstaats St. Vincent und die Grenadinen fährt und in Port Adriano auf Mallorca ihren Heimathafen hat.

Lesen Sie aus unserem Angebot: „Putins Sprecher und die Luxusjacht“

Die Jacht zählt nicht zu den ganz großen dieser Welt

Die Mallorquiner Lokalzeitungen beschreiben ausführlich die Eigenschaften des Boots. Es ist Baujahr 2001, wurde aber schon zweimal renoviert und trägt die Handschrift von Donald Starkey, der unter Jachtdesignern einen Namen hat. Mit einer Länge von 47,73 Metern gehört es nicht zu den ganz großen Jachten dieser Welt, aber es reicht für fünf Gästesuiten, die nach Opernarien wie „Celeste Aida“ oder „Nessun Dorma“ benannt sind. Die Passagiere können es sich zwischen Teakholz und Carraramarmor gut gehen lassen, während sich eine neunköpfige Crew um ihr Wohlbefinden und das des Boots kümmert.

Die Kollegen hatten für die Sabotageaktion nichts übrig

Unter den Arbeitern auf dem Schiff sind einige Ukrainer, die sich bisher nicht daran störten, für einen russischen Waffenverkäufer zu arbeiten. Am Samstagvormittag aber sah der Maschinist Taras Ostapchuk Videoaufnahmen von Kriegszerstörungen in Kiew, und er beschloss, zur Tat zu schreiten: Er öffnete Ventile, um den Maschinenraum zu fluten, in der Hoffnung, so das Boot zum Sinken zu bringen. Er warnte aber seine Kollegen, weil er nicht wollte, dass sie zu Schaden kämen. Die Kollegen hatten für die Sabotageaktion nichts übrig, schlossen die Ventile und beschimpften ihren Maschinisten. Das Schiff sank nicht, zum Ärger Ostapchuks. „Ich bedauere nichts und würde es wieder tun“, sagte er. Am Sonntag musste er in Palma vor Gericht erscheinen, wo er freimütig alles einräumte. Die Richterin ordnete Ermittlungen wegen Sachbeschädigung an, setzte Ostapchuk aber auf freien Fuß und hielt auch sonst keine anderen Maßnahmen für nötig. Der Maschinist packte seinen Koffer, nahm seinen Pass und zog in den Krieg. Er ist stolz auf seine Tat „und will, dass darüber gesprochen wird“, sagt die Mallorquiner Anwältin Canyelles.

Mehrere russische Magnaten haben Jachten in spanischen Häfen liegen

Lesen Sie aus unserem Angebot: „Kurs ganz schnell ostwärts“

Die „Lady Anastasia“, der dieser Anschlag galt, ist mit einem Schätzwert von sieben Millionen Euro ein vergleichsweise kleiner Fisch. An diesem Sonntag berichtete die Madrider Zeitung „El Mundo“ von mindestens vier anderen russischen Magnaten – Viktor Vekselberg, Roman Abramovich, Vagit Alekperov und Andrey Molchanov –, die ihre mehr als 100 Millionen teuren Superjachten in spanischen Häfen, drei in Barcelona, eine in Palma, liegen hätten.

Im norwegischen Hafen von Narvik ist nach lokalen Zeitungsberichten dieser Tage die Luxusjacht „Ragnar“ des russischen Putin-Freunds Vladimir Strzhalkovsky durchsucht worden. „El Mundo“ schlägt vor, die russischen Jachten in spanischen Häfen weder zu versenken noch zu durchsuchen, sondern zu beschlagnahmen.