In einigen evangelischen Kindergärten wird Fasching abgelehnt: Die Bräuche seien heidnisch, die Figuren kultisch, heißt es. Die örtliUrzelnzunft ist entsetzt.

Sachsenheim - Hexen und Teufel sind tabu, aber auch Urzeln und andere Narren: In den Kindergärten der evangelischen Kirchengemeinden Hohenhaslach und Kleinsachsenheim ist die fünfte Jahreszeit abgeschafft, wie schon in Korntal. Damit will man sich von den angeblich heidnischen Bräuchen der Fasnet distanzieren. Die Urzelnzunft Sachsenheim ist schockiert angesichts dieser Einstellung.

 

In Kleinsachsenheim sind Faschingsfeiern in den beiden Kindergärten der evangelischen Kirche offiziell abgeschafft. Das hat der Kirchengemeinderat im vergangenen Sommer beschlossen. Laut dem Pfarrer Friedemann Wenzke ist das gar keine große Sache. Man wolle sich lediglich von den heidnischen Bräuchen distanzieren und sich vom vorgegebenen Zeitrahmen für Kostümierungen lösen. Es gehe nicht darum, Verkleidungen per se zu verbieten, man wisse, dass Rollenspiele sinnvoll seien für Kinder. Aber aus pädagogischer Sicht seien die Fastnachtsfiguren auch nicht immer gut: „Viele Kinder haben Angst vor den Narren“, sagt Wenzke – auch vor den in der Stadt etablierten Urzeln, betont er.

Hohenhaslacher Gemeinde hat Fasnet längst abgeschafft

Die evangelische Kirchengemeinde in Hohenhaslach fährt diese Politik bereits seit Jahren. „Die alemannische Fasnacht hat einen heidnisch-okkulten Hintergrund“, erklärt der Pfarrer Michael Wanner. Das habe bis heute Auswirkungen, die sich in „Pseudo-Taufen“, rituellen Begräbnissen von Strohpuppen sowie dem Verlangen nach dem Geist der Fasnet äußerten. Zudem stünden bei den Bräuchen heidnische Figuren wie Hexen, Teufel und Dämonen im Vordergrund, kritisiert Wanner. Die evangelische Kirche pflege daher schon seit jeher eine kritische Distanz zur Fasnet.

Nicht zuletzt gehe mit dem Fest eine Zügellosigkeit beispielsweise in punkto Alkoholkonsum einher, die seine Kirchengemeinde nicht schätze, so Wanner. Daher wolle man im Hohenhaslacher Kindergarten eine Alternative bieten: Zur Faschingszeit werde stets ein anderes Fest organisiert. Ähnlich handhabt es die Korntaler Brüdergemeine in ihren Kindergärten: Dort werden statt Faschingsfesten Mottopartys gefeiert. „Als Christen brauchen wir keinen Kult“, erklärt der Sprecher Manuel Liesenfeld.

Die Urzeln sind schockiert und gekränkt

Kerstin Haible, Sprecherin der Urzelnzunft Sachsenheim, kann das kaum fassen: „Wir sind schockiert“, sagt sie. Seit Jahren gingen die Urzeln am Schmutzigen Donnerstag in die Kindergärten, um dort ihre Traditionen vorzustellen, seit Jahren nähmen viele Kindergärten am Umzug der Urzeln am Faschingssamstag teil – und nun das. „Diese Verbote sorgen für viele Fragezeichen bei uns“, sagt Haible. Außerdem habe es die Urzeln getroffen, dass man sich vor der Einrichtung solcher Verbote noch nicht einmal an sie gewandt habe. Auch in ihren Narrenverbänden habe die Nachricht hohe Wellen geschlagen. Nun werde man versuchen, mit den Kirchengemeinden ins Gespräch zu kommen.

Bei der evangelischen Landeskirche hält man die faschingsfreien Kindergärten zwar für ungewöhnlich, will sich aber nicht einmischen. „Es liegt in der Verantwortung der Kindergartenträger, zu entscheiden, was in ihr pädagogisches Konzept passt“, sagt der Sprecher Oliver Hoesch. Die Katholiken hingegen verstehen diesen Schritt gar nicht: „In vielen Gegenden ist die katholische Kirche in das bunte Narrentreiben integriert“, sagt Uwe Renz, Sprecher der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Eine Distanzierung sei auch nicht sinnvoll: Schließlich gehe es darum, sich durch den Gegenentwurf zum gottesfürchtigen Leben wieder auf das zu besinnen, was wichtig sei im Leben.

Laut dem Volkskunde-Professor und Fastnachtsexperten Werner Mezger ist Fasnet ohnehin nicht heidnischen Ursprungs. Er hält das für ein Missverständnis, wie er häufig in Interviews mitteilte. Früher habe man „heidnisch“ als Synonym für katholisch benutzt – das sei von den Romantikern im 19. Jahrhundert dann falsch verstanden worden.