Der Sängerkranz Degerloch wurde vor 160 Jahren gegründet. Die Mitglieder Renate Dongus und Herbert Stauch erzählen von ihren Erfahrungen. Mit Sorge erfüllen sie die schwierige Suche nach Nachwuchssängern.

Degerloch - Als er aus der Taufe gehoben wurde, war der MP3-Player noch nicht denkbar und selbst die Erfindung des Grammophons sollte noch 32 Jahre auf sich warten lassen. Dennoch hat die Musik im Leben der Menschen eine große Rolle gespielt – die selbst gemachte vielleicht sogar eine größere als in der Gegenwart. Der Sängerkranz Degerloch kann ein Lied davon singen: In diesem Jahr feiert der Verein sein 160-jähriges Bestehen.

 

Doch während der Sängerkranz noch um die 100 aktive Mitglieder hatte, als Renate Dongus eintrat, verzeichnet die erste Vorsitzende 60 Jahre später gerade einmal 30 Stimmen. „Es kommt halt niemand junges nach“, sagt Dongus, und Herbert Stauch, Schriftführer des Sängerkranzes, erklärt: „Wir vermuten, dass das Singen in den Schulen sehr stark vernachlässigt wird. Das ist jammerschade.“ Und es führe dazu, dass „nichts Junges nachkommt“, wie die 76-jährige Sängerkranz-Vorsitzende sagt: „Zum Beispiel meine beiden Söhne könnten wunderschön singen. Aber die jungen Leute mögen halt die Musik nicht, die hören lieber Rap und so.“

Bereits die Eltern singen

Renate Dongus und Herbert Stauch hingegen haben die Freude am Singen von ihren Eltern geerbt, ihre Lebensläufe sind ein Stück gelebte Vereinsgeschichte: Stauchs Vater trat 1922, seine Mutter 1926 in den Verein ein, er selbst tat es seinen Eltern 1949 gleich. Beim Sängerkranz lernte er auch seine Frau kennen. Und mit seinen 85 Jahren ist er der wandelnde Beweis für seine eigene These: „Das Singen wirkt sich auch auf die Gesundheit aus: Man atmet besser, und es schärft die Sinne.“ Renate Dongus kam ebenfalls durch ihre Mutter zum Verein. Bei den Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen durfte sie zum ersten Mal mitsingen.

Damals gehörte der Sängerkranz noch zur Brennerschen Chorvereinigung, er trat bei Großveranstaltungen auf, sang große Werke wie Wagners „Meistersinger von Nürnberg“, unternahm Konzertreisen, beispielsweise nach Wien und Salzburg. Es gab das dreitätige Sommer- und Kinderfest des Vereins mit eigenem Festzug. Und nach den Proben ging es in die Wirtschaft: „Früher, als man noch jung war, war das das Schönste, weil die Eltern ja wussten, dass man mit dem Sängerkranz unterwegs ist“, erinnert sich Dongus.

Zusammenhalt ist gut

Diese goldenen Zeiten sind vorbei, und sowohl Dongus als auch Stauch ist anzumerken, dass sie etwas wehmütig zurückschauen. Für die Zukunft hoffen sie dass „alle, die da sind, noch lange gesund bleiben“, wie Stauch sagt. Denn vor allem die Männerstimmen gehen dem Sängerkranz aus, und „einen reinen Frauenchor machen wir nicht“, sagt Dongus und meint, Frauen seien leichter zu gewinnen, weil sie im Gegensatz zu Männern nach dem Tod des Ehepartners nicht zu Hause sitzen blieben, sondern Anschluss suchten – wie sie selbst. Und dafür sei der Sängerkranz sehr gut. „Der Zusammenhalt ist da, und wenn man zusammen was z’weg bringt, ist das toll“, sagt die Hoffelderin Renate Dongus. Lustig gehe es bei den Proben mit dem Dirigenten Hartmut Stegmaier immer noch zu: „Ich denke oft danach: Mensch, war das wieder super“, sagt Herbert Stauch.