Die Hormone der Menschen sind schneller als die Natur auf den Feldern: Viele Zutaten für die Frühlingsküche brauchen noch etwas. Wir haben bei Profis nachgefragt und uns Inspirationen für jetzt und später geholt.

Lokales: Matthias Ring (mri)

Kaum sind die Sonnenstrahlen etwas wärmer, zieht es die Leute nach draußen. Und in den Küchen und Restaurants soll mit einem Schlag bitteschön die Wintersaison mit ihren Kohlsorten vertrieben werden und alles auf frisches Frühjahrsgemüse umgestellt sein. Aber so schnell geht das nicht, weil die Natur auf den Feldern halt etwas länger braucht als die Frühlingsgefühle der Menschen.

 

„Wir müssen noch mehr lernen, dass bei uns nicht immer alles zur Verfügung steht“, sagt Angela Daumüller. Seit mehr als zwei Jahrzehnten betreibt sie mit ihrem Mann den Keltenhof in Filderstadt-Bernhausen. Auf 50 Hektar werden zu rund je einem Drittel Gemüse, Salate und Kräuter angebaut. Mit Miniaturgrößen von zum Beispiel Pak Choi hat man sich auf Spitzenküchen bis hin nach Baiersbronn spezialisiert. Ein Teil der Ware ist aber auch in umliegenden kleinen Märkten erhältlich – und im Schmackomat genannten Automaten auf dem Hof.

Der erste junge Spinat wird schon geerntet

Angela Daumüller freut sich am meisten „auf den jungen Spinat mit seinem nussigen Geschmack“, dessen erste Ernte gerade im Gange ist. Wilder Blumenkohl und wilder Brokkoli sei ebenso wieder verfügbar. Dieses Jahr sei es zwar lange kühl gewesen, aber ohne extreme Kaltphase, sodass alles seinen gewohnten Lauf nehme. Aber natürlich geht es in den Gewächshäusern, die etwa anderthalb Hektar der Anbaufläche ausmachen, mit den ersten warmen Sonnenstrahlen schneller. Bei den Salaten freut sich Daumüller besonders auf Lollo Biondo und Rosso, Frisée und Baby Leafs. Auf dem Keltenhof gibt es viele Produkte, die zwar keine Sattmacher sind, aber die Frühlingsküche aufhübschen. Unter den Wiesenkräutern zum Beispiel Bronzefenchel, Schafgarbe und Pimpinelle, unter den essbaren Blüten derzeit Gänseblümchen, Veilchen und Stiefmütterchen.

Kräuter und Keimlinge bereichern die Frühlingsküche

Für Konstantin Kuld machen gerade die frischen Kräuter und Keimlinge die Frühlingsküche aus. Er bezieht sie vom Stuttgarter Start-up Kleinblatt und ist noch am Experimentieren, welche er für welches Gericht einsetzt. Wichtig für ihn ist, dass sie nicht nur Deko, sondern eine geschmackliche Bereicherung sind. Kuld ist Küchenchef in Sebastian Wernings Restaurant Im Künstlerhaus, das im Sommer 2019 neu eröffnet wurde. Seine Bo’teca di Vino hat Werning, der dort 15 Jahre lang arbeitete, in der Pandemie aufgegeben. Für die hatte er sogar einen kleinen Kräuter- und Gemüsegarten. Den direkten Draht in die Saison hat er jetzt immerhin noch durch seine Frau, die auf dem Wochenmarkt am Schillerplatz arbeitet.

Ein typisches Frühjahrsgericht mit allerlei aus dem eigenen Garten ist für Werning, ja, tatsächlich, Leipziger Allerlei, bei dem heute viele nur noch an das famose Zartgemüse aus der Dose denken. Aber er hat auch kein Problem damit, hin und wieder Ware aus Italien zu beziehen, „wo man uns anderthalb bis zwei Monate voraus ist“. Ohnehin müsse man für die Planung in einer Profiküche vorausdenken. So freue er sich jetzt schon auf den Mai mit zum Beispiel Pfifferlingen und Morcheln.

Eine schnelle Vichyssoise geht auch mit Tiefkühlerbsen

Auch mit der Empfehlung seines Küchenchefs sind wir der Zeit etwas voraus. Konstantin Kuld nennt seine Erbsen-Vichyssoise mit Pumpernickel, Holunder und Kopfsalat ein „Winter-trifft-Frühling-Gericht“. Denn außer frischen Erbsen steckt mit Urkarotten und Radieschen auch gepickeltes Gemüse drin. Wer’s selbst einlegen will: alles einen Tag lang in Essig, Zucker, Wasser ziehen lassen. Und sonst: Die frisch gepulten Erbsen nur kurz blanchieren, damit sie noch knackig sind. Für eine schnelle Vichyssoise – eine kalte Suppe, die bei Kuld eher eine Creme ist – tun’s auch tiefgekühlte Erbsen, die mit Buttermilch, Sahne, Zitrone und Chilisauce durch den Mixer gejagt werden. Für zusätzliche Schärfe kommen noch Jalapeños rein. Und vom Kopfsalat die kleinen gelben Blätter vom Herz, dazu frische Kräuter nach Wahl und gerösteten Pumpernickel.

Schnell, grün, pur: Spargel mit Bärlauch

Wem das zu aufwendig ist – irgendwas mit frischen Erbsen geht immer. Auf die freut sich auch schon Caroline Autenrieth. Die Stuttgarterin kocht alle zwei Wochen im SWR-Format „Kaffee oder Tee“ und ist seit einigen Monaten Mitglied des „Kochquartetts“ im „Süddeutsche Zeitung Magazin“. Sie sagt: „Wenn es draußen heller wird, bekommt man mehr Lust auf Grün in der Küche“, allerdings weniger darauf, „beim Kochen lange am Herd zu stehen“. Caroline Autenrieth liebt also das Schnelle, Leichte, Pure und empfiehlt ein Gericht, dessen Produkte als erstes auf dem Markt sind: grüner Spargel und Bärlauch. Das geht auf die Schnelle so: Die ganzen Stangen (bis auf die unteren Enden) in Olivenöl und etwas Butter braten, dann einen halben Büschel Bärlauch dazu geben, Salz, Zucker und zum Schluss „einen Schluck Wasser“, Deckel drauf und 30 Sekunden dämpfen lassen – fertig! Wer etwas mehr Zeit investieren will, macht ein Safranrisotto dazu. Aber frisches Baguette und ein schöner Sauvignon Blanc genügen schon völlig für den puren Frühlingsgenuss.

Warten auf Erdbeeren und irgendwann auch Tomaten

Für Caroline Autenrieth ist jetzt auch die Zeit der Kräutersuppen mit Brühe als Basis und Kartoffeln als Bindung. Aber sie wartet schon sehnsüchtig auf Waldmeister, Erdbeeren und später dann endlich Tomaten. Die liebt sie besonders, gerne auch im Gazpacho, denn ja, ihr Mann José Maria González ist Spanier. Die beiden haben sich im Le Petit Nice Passedat in Marseille kennengelernt, Autenrieths Traumziel nach ihrer Ausbildung in der Wielandshöhe. Anschließend war sie mit ihrem Mann noch zwei Jahre in Paris, er als Küchenchef im Sternerestaurant von Enrico Bernardo, ehe sie in ihre alte Heimat zurückkehrt ist. Derzeit steht Caroline Autenrieth in keiner Profiküche, will aber im Herbst ein Restaurant im Stuttgarter Süden eröffnen.

Wie so viele liebt sie Spargel in allen Variationen, gerne auch mit Zitronenvinaigrette. Wer ihn ganz klassisch mit Kartoffeln mag – hier noch eine Botschaft vom Keltenhof. Die schweren, fruchtbaren Filderböden eignen sich zwar auch gut für Kartoffelanbau, aber bei uns geht die Saison erst im Juni los. Wer neue Kartoffeln in der Frühlingsküche für unverzichtbar hält, der muss eben doch noch auf Importware zurückgreifen.