Der Trend ist klar: Die Kunden kaufen wieder mehr auf dem klassischen Wochenmarkt. Frisch von Feld und Flur und auf kurzen Wegen aus der Region – das schätzt der Verbraucher. Entsprechend florieren die Märkte. Der Andrang der Anbieter hält sich dennoch in Grenzen.

Stuttgart - Das sind die Wonnen des Frühlings: Der Bruchsaler Spargel kostet pro 500 Gramm zwischen 6,50 und 15 Euro je nach Qualität und Stärke und geht weg wie warme Semmeln. „Er kommt dank der Folientechnik immer früher, aber eigentlich sind wir jetzt schon mitten in der Saison“, sagt Timo Somnitz. Seit mehr als 40 Jahren hat die Familie aus dem Badischen am Dienstag, Donnerstag und Samstag ihren Stand mit Obst und Gemüse auf dem Stuttgarter Marktplatz. Mit nie nachlassender Begeisterung: „Es ist Spitze hier“, schwärmt Somnitz. Vom Platz, von der Atmosphäre und von den „ sehr guten Kunden“. Sein Strahlen ist ansteckend und hebt die Kauflaune: „Jetzt im Frühling blüht doch jeder auf.“

 

Blühend ist auch das richtige Stichwort für das Geschäft der Wochenmärkte. Ihre Zahl ist in Stuttgart auf mittlerweile 30 Standorte in der Innenstadt und in den Vororten gestiegen, die meisten florieren. „Sinn und Zweck der Einrichtung war und ist es, die Nahversorgung der Bürger zu sichern“, erklärt Axel Heger, Chef der Märkte Stuttgart GmbH. Daher seien in den letzten drei Jahren drei neue Märkte dazu gekommen: In Uhlbach, in Zuffenhausen-Rot und in Mönchfeld.

Spezielle Angebote – zum Beispiel einen Ostermarkt

Der Uhlbacher Markt, idyllisch in der Ortsmitte gelegen, sei sehr erfolgreich. Bei den beiden anderen Standorten habe man gewisse Einbrüche erlebt. Sprich: „Kundenfrequenz und damit auch der Umsatz haben die Erwartungen nicht erfüllt, einige Beschicker haben deshalb schon wieder aufgegeben.“ Was, vermutet Heger, mit der Sozialstruktur der dortigen Bevölkerung zu tun habe. Die Märkte Stuttgart GmbH versucht, mit gezielten Werbeaktionen mehr Kunden anzulocken: „In Mönchfeld haben wir zum Beispiel einen eigenen Ostermarkt veranstaltet.“ Aber bis auf diese Ausnahmen könne generell eine Steigerung der Kundenfrequenz festgestellt werden.

Bei der Auswahl der Anbieter werde, so Heger, Erzeugern vor Händlern der Vorzug gegeben: „Wir wollen frische, saisonale Erzeugnisse aus der Region. Bio-Ware, so weit wie möglich, aber sie macht nicht mehr als acht bis zehn Prozent im Angebot aus.“ Die Priorität von Erzeugern bedeute aber nicht, versichert Heger, dass nicht zugekauft werden kann oder dass für die Import-Ware ein Limit bestünde: „Sonst sähe es im Winter schlecht aus für die Marktbeschicker“, sagt er. Orangen und Zitronen wachsen halt nicht am Neckar, bei Ellwanger auf dem Sillenbucher Wochenmarkt gehören auch Exoten wie Ananas, Mango, Melone und Papaya zum Angebot, und der Fischhändler Christoph Romanczuk fängt Seewolf, Saibling und Kabeljau bestimmt nicht selber. Auch Somnitz baut den Spargel nicht selbst an, sondern kauft beim Bruchsaler Erzeuger und auf der dortigen Spargelauktion ein.

Der Andrang ist nicht so groß wie die Nachfrage

Stehen die Anbieter Schlange, gibt es eine Warteliste? Der Andrang sei nicht überwältigend, räumt Heger ein, obwohl die Gebühren mit drei bis sechs Euro pro Quadratmeter moderat seien. Doch man habe eine Vormerk-Datei. Und bei der Auswahl achte man auf die Ausgewogenheit des Angebotes .

Dabei hat jeder Markt seinen eigenen Charakter und sein spezielles Angebot. Der Wochenmarkt auf dem Marienplatz ist noch relativ jung und klein. „Klein, aber fein“, betont Marlene Häußermann vom Weingut Häußermann in Waiblingen-Neustadt, die hier erst seit kurzem ihre Öko-Weine anbietet. Mit 30 Jahren Wochenmarkt-Erfahrung aus Bad-Cannstatt – „die beiden Märkte sind nicht zu vergleichen“ – kann sie sich ein Urteil erlauben. Alle Waren, das Obst und Gemüse ebenso wie Fleisch und Wurst der Metzgerei aus der Rottweiler Gegend oder Geflügel und Eier vom Leutenecker Hof in Remseck, seien von hochwertiger Qualität. Bemerkenswert findet es Marlene Häußermann, dass so viele junge Familien hier einkaufen: „Schön, dass junge Leute wieder auf den Wochenmarkt gehen.“

Wenn die Miete nicht gezahlt wird, fliegt der Beschicker raus

Alle seine Erwartungen habe auch der Sillenbucher Wochenmarkt jeden Freitag im großen Karrée an der Kirchheimer Straße erfüllt, versichert Christoph Romanczuk. Er schlägt seinen Verkaufswagen seit 20 Jahren auch jeden Donnerstag in Bad Cannstatt auf und wurde vor neun Jahren gefragt, ob er Interesse an Sillenbuch habe. Denn sein Vorgänger erhielt von der Märkte GmbH die rote Karte. „Ja, das kommt vor, wenn die Miete nicht gezahlt wird oder die Kunden unzufrieden sind“, bestätigt Heger. Romanczuk macht es besser, musste aber trotzdem eine gewisse Durststrecke überwinden. Jetzt wird die Schlange vor seiner Fischtheke von Woche zu Woche länger, und die Stammkundschaft, darunter die ehemalige Sozialministerin Helga Solinger, nutzt die Wartezeit, um neue Rezepte auszutauschen: „Und wie bereiten Sie den Seeteufel zu?“

„Die Wochenmärkte sind auch ein bürgerschaftlicher Treffpunkt“, bestätigt Heger. Man kennt sich vom Einkauf, trifft sich immer wieder, lobt gemeinsam den „weltbesten Kartoffelsalat“ der Metzgerei aus dem Schwarzwald und ist zufrieden. Aber das Kundenverhalten, merkt Timo Somnitz noch an, habe sich verändert: „Früher standen die ersten Kunden schon in aller Herrgottsfrühe am Stand, und um 11 Uhr war die Ware ausverkauft. Heute kommen sie erst so gegen 10 Uhr.“ Lauter Genussmenschen.