Eine Grand Opéra mit fünf Stunden Spieldauer, die weitgehend ohne die Mittel der Grand Opéra, nämlich Ressourcenverschwendung, auskommt? Die Regisseurin Lotte de Beer zeigt in der Oper Stuttgart, wie das geht.

Manteldesk: Mirko Weber (miw)

Stuttgart - Tabula rasa. Auch der Beginn der zweiten Spielzeit des Stuttgarter Intendanten Viktor Schoner konfrontiert die Zuschauer zunächst mit einer großen, leeren Bühne. Zur Erinnerung: Arpad Schillings Interpretation des „Lohengrin“, der Auftakt der vorigen Saison, begann ebenfalls im Nebel, aus dem sich langsam eine Gesellschaft im Transformationsprozess schälte. In der Inszenierung von Giuseppe Verdis Grand Opéra „Don Carlos“ (französisch gesungen und mehr als fünfaktig, worauf noch zu kommen sein wird) verfährt die Regisseurin Lotte de Beer jetzt ähnlich. Erst allmählich und unter einem blutig roten Lichtschleier (generell fantastische Beleuchtung: Alex Brok) wird ein Flüchtlingstreck sichtbar, der sich durch den Wald von Fontainebleau müht – vom Wald nur, wie gesagt, keine Spur.