Schaaf, Labbadia, Frontzeck, Slomka? Ewig nichts gehört. Der Trend in der Fußball-Bundesliga ist vor dem Saisonstart eindeutig: Immer mehr Clubs vertrauen jungen Trainern – aus guten Gründen.

Sport: Marco Seliger (sem)

Stuttgart - Der große FC Bayern gibt ja gerne den Vorreiter. Nicht nur tabellarisch grüßen die Münchner gerne von der Spitze, auch bei der Entwicklung des Fußballs sind sie am liebsten immer ganz vorne. Mia san Mia – das gilt auf dem Transfermarkt, bei der Spielphilosophie oder bei lukrativen Werbetouren durch Asien. Überall gibt der Rekordmeister der Liga den Takt vor.

 

Nur bei den Trainern hinken die Bayern hinterher. Zumindest, wenn man vor dem Saisonstart an diesem Freitag den allgemeinen Trend in der Liga betrachtet.

Die Münchner haben Carlo Ancelotti. 58 Jahre alt. 2013 führte sie ein gewisser Jupp Heynckes zum Triple, damals 68 Jahre alt. Dazwischen war Pep Guardiola, heute 46 Jahre alt, der Coach.

Mia san modern?

Mia san altbacken!

Zumindest beim Trainer-Trend. Denn gemessen an den aktuellen Bundesliga-Verhältnissen ist mittlerweile sogar Guardiola ein alter Kämpe. Und Ancelotti und Heynckes sind gefühlt Ur-Opas. Denn die Altersstruktur auf den Trainerbänken der Bundesliga hat sich zuletzt gewaltig verändert.

Immer jünger sind die verantwortlichen Herren an der Seitenlinie. Und immer unbefleckter, was ihre vorherige Karriere als Profi angeht. Denn die gibt es bei den Nagelsmännern und Tedescos der Liga meist gar nicht. Anders als die Ancelottis und Guardiolas waren die heutigen Trainer als Kicker selten spitze. Sie widmeten sich in den meisten Fällen nach einem Schattendasein als Amateurspieler schon sehr früh ihrer eigentlichen Profession: der des Fußballlehrers.

Julian Nagelsmann (30) von der TSG Hoffenheim ist so einer. Hannes Wolf (36) vom VfB Stuttgart auch. Domenico Tedesco (31) vom FC Schalke 04 ebenso. Und Alexander Nouri (37) aus Bremen. Und, und, und. Die ältere Trainergarde dagegen ist außen vor. Mirko Slomka etwa scheiterte gerade nach längerer Pause beim KSC. Thomas Schaaf, Bruno Labbadia, Michael Frontzeck? Ewig nichts gehört. Und Stefan Effenberg oder Peter Neururer? Reden im Fernsehen über Fußball – nicht auf dem Trainingsplatz.

Der Trendsetter heißt Christian Heidel

Immer mehr Bundesligavereine vertrauen ihre Teams Trainern an, die teilweise jünger sind als ihre Spieler. Und die, wie der Hoffenheimer Julian Nagelsmann, in manchen Landesverbänden theoretisch noch nicht mal bei den Alten Herren kicken dürften. Die Vorliebe für die Jungen auf der Bank hat vielschichtige Gründe. Wie jeder Trend brauchte auch dieser einen Trendsetter. Der Vorreiter hört in diesem Fall auf den Namen Christian Heidel, der heute Manager des FC Schalke ist – und, siehe da, in Domenico Tedesco gerade schon wieder so einem jungen Hüpfer das Vertrauen schenkt. Heidel bestätigt sich so im Grunde nur selbst. Denn das, was er jetzt auf Schalke fortsetzt, hat er einst beim FSV Mainz angefangen. Und damit brachte er frischen Wind und neue Denkansätze in den Trainermarkt der Bundesliga.

Heidel funktionierte einst am Rosenmontag des Jahres 2001 Jürgen Klopp quasi über Nacht vom Spieler zum Trainer um. Später, im Jahr 2009, schenkte er einem gewissen Thomas Tuchel das Vertrauen. Der war vorher Mainzer A-Jugendtrainer. Dann, zum Ende seiner Amtszeit bei den Nullfünfern, beförderte Heidel den Schweizer Martin Schmidt vom unbekannten Jugendtrainer zum Chef der Profis. Heidel sagt: „Erfahrung spielt eine ganz kleine Rolle. Der Fußballplatz ist überall gleich groß. Da spielen 11 gegen 11. Das Wort Erfahrung hat damit zu tun, dass man den Fußballzirkus kennt. Intelligenz wird fehlende Erfahrung schnell ausgleichen.“ Der Manager glaubt zudem fest daran, dass Trainer, die nicht die ganz große Profikarriere gehabt hätten, bereit seien, sich intensiver mit dem Geschäft auseinanderzusetzen: „Ein Trainer muss nicht gut Fußball gespielt haben, um das Geschäft zu verstehen“, sagt Heidel.

Dazu braucht es andere Dinge – findet auch Frank Wormuth, der Leiter der Fußballlehrerausbildung beim Deutschen Fußball-Bund (DFB). Für ihn ist die Entwicklung auf den Trainerbänken eine logische Konsequenz, die eng mit der Professionalisierung im Jugendfußball zusammenhängt. „Inzwischen arbeiten die Juniorenteams der Bundesligisten ähnlich wie die jeweiligen Profiteams“, sagt Wormuth. „Das ist eine Art Parallelveranstaltung. Die Trainer arbeiten dort ja auch hauptamtlich. Und die Vereine können über Jahre ihre Entwicklung genau mitverfolgen.“ Deshalb bedienen sie sich mittlerweile gerne im eigenen Stall, wenn der potenzielle Chefcoach für die Profis in der Jugend herausragend gearbeitet hat.

Dazu muss man noch nicht mal so jung wie Tedesco oder Nagelsmann sein. Christian Streich, heute 52 Jahre alt und seit Dezember 2011 Chefcoach des SC Freiburg, zeichnete jahrelang in verschiedenen Funktionen in der Jugendabteilung des SC verantwortlich. Dann rückte er auf und schrieb eine Erfolgsgeschichte, die bis heute andauert.

Ex-Stars betrachten die Entwicklung skeptisch

Die großen Anstrengungen des deutschen Fußballs nach der Jahrtausendwende und dem peinlichen Vorrunden-Aus bei der EM 2000 in Belgien und den Niederlanden führten zur Modernisierung und zur signifikanten Verbesserung der Nachwuchsarbeit in den Clubs. Diese Schritte wiederum sorgten – neben der Fülle an sehr gut entwickelten Talenten – auch für eine immer bessere Ausbildung von hochqualifizierten Trainern. Dirk Mack, früher Trainerausbilder im Württembergischen Fußballverband (WFV) und heute Nachwuchsdirektor der TSG Hoffenheim, betont, dass die Akademien der Vereine immer besser geworden seien – und damit auch die Arbeit der Trainer. Das mache die Übungsleiter wiederum interessant für den Profibereich. „Wenn ein Coach alle internen Abläufe, die Leute, die Infrastruktur und die Philosophie des Vereins kennt und durch seine Arbeit überzeugt hat, dann hat er es einfacher als ein Fremder, der neu kommt“, sagt Mack. Genau das sei in Hoffenheim auch ein Grund dafür gewesen, dem Jugendtrainer Nagelsmann die Bundesligaprofis zu übergeben.

Dabei betrachten viele ehemalige Starkicker, die teils noch immer einen Job in der Bundesliga anstreben, diese Entwicklung mit großer Skepsis. Die junge Konkurrenz ist für sie ein Dorn im Auge. Sinnbildlich ist das Zitat von Mehmet Scholl, der die jungen Trainer ohne Profierfahrung, aber mit Bestnoten in der Fußballlehrerausbildung als „Laptoptrainer“ geißelte. Der ehemalige Nationaltorhüter Jens Lehmann empfahl den Vereinsverantwortlichen später, doch bitte wieder mehr Ex-Nationalspieler einzustellen. Sie könnten, sagte Lehmann, das Spiel besser lesen, weil sie viele Situationen schon oft auf dem Platz erlebt hätten. Die Fürsprecher der jungen Trainergarde halten dagegen und argumentieren mit den Erfahrungen als Coach, die die Nagelsmänner der Liga schon gemacht hätten. Domenico Tedesco etwa arbeitet schon mehr als zehn Jahre lang als Trainer.

Für den ersten Kontakt mit einem Team, sagt Tedesco, sei man als ehemaliger Profi im Vorteil. Man genieße Respekt und Glaubwürdigkeit. „Mittelfristig kommt es jedoch nur darauf an, ob man die Kompetenz hat, Inhalte zu vermitteln, eine Mannschaft zu führen. Und das merken die Jungs.“ Sein Kollege Julian Nagelsmann nennt noch einen weiteren Vorteil: „Ich bin so alt wie die Spieler, wir sind dieselbe Generation.“ Nagelsmann weiß, wie die Jungs in seinem Alter ticken. Er hat ein feines Gespür für ihre Befindlichkeiten. Er agiert auf Augenhöhe. Und punktet so bei der neuen Spieler-Generation, die längst nicht mehr von oben herab belehrt werden will.