Berühmt ist Salzburg durch Mozart und die Festspiele. Doch an der Salzach entführen seit 100 Jahren auch die Puppenspieler des Marionettentheaters in die Welt der Fantasie.

Salzburg - Der warme Abendwind weht das Läuten von Sankt Peter über den Mönchsberg. Pünktlich um 18 Uhr stimmt das Glockenspiel vom Turm der Neuen Residenz in das luftige Konzert ein. Nach dieser Ouvertüre kann in Salzburg der Festspielabend beginnen.

 

Während sich in der Altstadt die große Welt der Musik und des Theaters ein Stelldichein gibt, bereiten sich auf der anderen Seite der Salzach am Rande des Mirabellgartens zehn Frauen und Männer auf ihren Auftritt im Verborgenen vor. Ohne großen Aufwand streifen sie ihre schwarzen Oberteile, bequeme Hosen und Turnschuhe über und huschen konzentriert zwischen ihrem Arbeitsplatz, einer Brücke aus schmalen Stegen über der Bühne, und einer fensterlosen Kammer hin und her.

Beinahe 100 Marionetten adaptieren die Geschichte der Trapp-Familie

Zwischen Prinzen und Prinzessinnen, Faunen, Füchsen, Feen und vielen anderen märchenhaften Gestalten holen die Puppenspieler des Salzburger Marionettentheaters für diesen Abend Maria und ihre sieben Schützlinge, Nonnen, Dienstboten und all die anderen Protagonisten der populären Saga um die Trapp-Familie hervor. Die Marionetten für die Musical-Adaption von „The Sound of Music“ („Der Klang der Musik“) baumeln dann an Haken und Stangen über der Bühnenöffnung und warten auf ihren Auftritt. Beinahe 100 Marionetten werden für die anrührende Geschichte um die Novizin Maria und die Trapp-Familie benötigt.

Und für das Gewusel auf der Bühne sind fast alle Spieler des Marionettentheaters im Einsatz. Zehn Menschen führen bis zu 14 Puppen auf einmal über die kleine Bühne. Weil es im Musical flott zugeht, müssen die Spieler immer wieder von einer Position zur nächsten flitzen, übereinander hinweg greifen und die Marionetten weiterreichen.

Vom emsigen Arbeiten über der Bühne ist im Theatersaal nichts zu sehen. Ein stimmungsvolles Märchen beginnt, wenn sich der rote Samtvorhang hebt und die Kristallleuchter langsam erlöschen. Dann ist nur noch das leise Wispern aufgeregter Kinder zu hören. Und wieder ertönen Kirchenglocken - die Glocken des Klosters, in dem Maria lebt, rufen zum Gebet. Aber die Novizin schlendert wieder einmal lieber durch die Natur und besingt die lebendigen Berge. Das ist hier ganz anschaulich zu sehen, wenn das Lied „The Hills Are Alive“ erklingt und Maria tatsächlich mit dem grünen Bergmassiv schunkelt. Dieser und andere speziell für die Marionetten entwickelten Einfälle machen das Musical auch für Gegner von Kitsch und Kommerz zu einem erfreulichen Theaterabend.

Vor fünf Jahren bekamen die Salzburger Puppenspieler als bisher einziges Theater die Lizenz, um das weltweit erfolgreiche Broadway-Musical für Marionetten zu adaptieren. Seitdem steht das Erfolgsstück auf dem Programm und zieht vor allem ausländische Touristen an, die zum Teil nur nach Salzburg reisen, um die Heimat der verehrten Trapps kennenzulernen. Fürs Puppen-Musical wurde das Stück um einige Lieder gekürzt, dafür gibt es viele nette Einlagen wie die tanzenden Berge oder das Fahrrad des Postboten, das mit dem Liebespaar romantisch um den Mond kurvt.

In der Pause kann sich das Publikum einen Überblick über die Erfolgsgeschichte des Hauses verschaffen, denn im großzügigen Foyer des Theaters sind zum Jubiläum einige Höhepunkte aus der 100-jährigen Geschichte ausgestellt: Ein lebensgroßes Foto des Theater-Gründers Anton Aicher, der 1913 seinen Traum von einem eigenen Marionettentheater verwirklichte und mit Schülern seiner Bildhauerklasse Mozarts Singspiel „Bastien und Bastienne“ zur Aufführung brachte. Schon ein Jahr später wurde das Repertoire um Märchen für Kinder und Stücke mit dem beliebten Kasperl „Hans Wurst“ erweitert. Zu erfahren ist auf Tafeln und in Vitrinen, dass 1926 die Leitung des Theaters an Anton Aichers Sohn Hermann überging, der die Bühne technisch auf den neuesten Stand brachte.

Ein Meilenstein in der Geschichte der Salzburger Marionetten war die Erfindung des Tonbandes. Diese Technik machte sich Hermann Aicher zunutze und sparte damit die hohen Kosten für Sänger, Sprecher und Musiker ein, die auch auf den zahlreichen Tourneen rund um den Globus mitreisen mussten. Mit der Tonbandtechnik konnten die Sprech- und Gesangsrollen sowie das Orchester im Studio aufgenommen werden, von hochkarätigen Schauspielern und Musikern wie Peter Ustinov, Tobias Moretti und den Wiener Philharmonikern interpretiert.

Die Ausstellung hat die heutige Direktorin und Besitzerin des Marionettentheaters, Dr. Barbara Heuberger, zusammengestellt, die nach drei Aicher-Generationen von der im letzten Jahr verstorbenen Prinzipalin Gretl Aicher das Theater übernommen hat. Nach Jahren, in denen das Theater ein Alleinstellungsmerkmal in Salzburg und wenig Konkurrenz hatte, nach lukrativen Welttourneen und einem sorglosen Leben, auch ohne Subventionen, steht sie nun vor der Herausforderung, das Theater modern und doch traditionsbewusst weiterzuführen. Die Direktorin, die keine Prinzipalin mehr sein will, sondern Managerin, muss das Theater für neue Generationen attraktiv machen, mehr und kürzere Stücke anbieten, denn die erfolgreichen Dauerbrenner wie „Die Zauberflöte“, die seit 1952 nahezu unverändert auf dem Spielplan steht, „Ein Sommernachtstraum“ oder „Peter und der Wolf“ kennen die Salzburger schon.

Damit die kleine Privatbühne auch Liebhaber leichterer Kost anspricht, werden Erfolge wie das Trapp-Musical und die Operette „Die Fledermaus“ gegeben. Aber im Jubiläumsjahr bekommen Familien mit „Schneewittchen“ und „Alice im Wunderland“ auch neuen Stoff zum Schwelgen. Schließlich kommen durch Workshops zum Marionetten-Bau und Führungen wieder mehr Kinder ins ehemalige Hotel Mirabell, in dem das Theater in der Schwarzstraße, gleich neben dem Mozarteum, seit 1971 residiert.

Überall in der Stadt begegnet man Menschen am Faden

Doch auch wer beim Schlendern durch Salzburg ein wenig Ausschau hält, der begegnet ihnen immer wieder, den kleinen Menschen an Fäden: oben auf der Festung Hohensalzburg oder in den Schaufenstern der beiden Fürst-Filialen, der Konditorei, die mit der Erfindung der Mozartkugel auch zu den traditionsreichsten Institutionen Salzburgs gehört. Sogar auf der Post ist Papageno allgegenwärtig: Zum Jubiläum des Theaters ziert die berühmte Puppe eine Sondermarke. Und wer nach einem Besuch der Ausstellung über Anton Aicher im Salzburg Museum vor der Neuen Residenz in den Trapp-Bus einsteigt und mit „Edelweiß, Edelweiß“-Klängen zu Schloss Leopoldskron hinausgondelt, der wird nach einem Abend im Marionettentheater nicht mehr an Julie Andrews denken, sondern an die fliegenden Hände, die in Salzburg die Puppen zum Tanzen bringen.

So wird das Reisewetter in Europa

Infos zu Salzburg

Anreise
Mit dem Auto ist Salzburg in ca. vier Stunden über die A 8 und die österreichische A 10 zu erreichen. Die Altstadtgarage im Mönchsberg ist ein empfehlenswertes Parkhaus am Rand der Innenstadt. Infos zu Zugverbindungen unter www.bahn.de

 Unterkunft
Nette Altstadt-Hotels: Hotel Krone 1512, www.krone1512.at (zum Teil schick renovierte, aber auch traditionelle Zimmer). Hotel Amadeus, www.hotelamadeus.at. Sehr stylish: Boutique- Hotel am Dom ( www. hotelamdom.at ), DZ ab 130 Euro. Pauschale: Zum Jubiläum gibt es das Paket „100 Jahre Salzburger Marionettentheater“ mit zwei Übernachtungen/Frühstück, Salzburg Card, Eintritt ins Marionettentheater und einem Salzburger-Nockerl-Essen ab 209 Euro, Kinder (bis 11 Jahre) im Zimmer der Eltern 27 Euro. Infos unter www.salzburg.info/pauschalen

Marionettentheater
Marionettentheater: Schwarzstraße 24, Tel. 00 43 / 662 / 87 24 06, www.marionetten.at . Den Puppenspielern bei handwerklichen Arbeiten über die Schulter schauen kann man wieder am 6., 13. und 27. September. Das neue Stück „Alice im Wunderland“ hat am 20. September Premiere.

Allgemeine Informationen
Die Salzburg Card ermöglicht die kostenlose Nutzung aller öffentlichen Verkehrsmittel, der Festungs- und Untersbergbahn sowie des Salzach-Schiffes. Zudem gibt es einmalig freien Eintritt zu allen Sehenswürdigkeiten der Stadt und Ermäßigungen für Veranstaltungen und Ausflugsziele in der Umgebung. Die Karte kostet im Sommer für 24 Stunden 26 Euro, für 48 Stunden 35 Euro und ist an der Hotelrezeption, allen Informationsstellen und in Kartenbüros erhältlich. Weitere Infos zur Karte und zu Salzburg unter www.salzburg.info

Was Sie tun und lassen sollten
Auf jeden Fall das kostenfreie Festspiel-Freilichtkino auf dem Kapitelplatz besuchen, das täglich hochkarätige Produktionen der Salzburger Festspiele mit Blick auf die Festung Hohensalzburg bietet, www.siemens.at/festspielnaechte. Auf keinen Fall schon um 17 Uhr die Stadt verlassen wie die meisten Tagestouristen. Dazu ist die Stadt am Abend viel zu schön.

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