Der Baugrund in der Landeshauptstadt ist manchmal tückisch. Da ist es gut, dass es jetzt eine neue Publikation mit einer Sammlung aufschlussreicher Erkenntnisse gibt. Sie erhellt außerdem noch eine andere interessante Begebenheit.

Stuttgart - Die Mission des Stuttgarter Geologen Eckard Rogowski ist erledigt, die große neue Bestandsaufnahme fertig. Seit ein paar Tagen kann man beim Stadtmessungsamt Stuttgart und beim Landesamt für Geologie, Rohstoffe und Bergbau (Freiburg) eine neue Publikation und neues Kartenmaterial über den hiesigen Baugrund erstehen. Es ist ein tiefer Einblick in Stuttgarts Untergrund und auch ein wichtiger, denn das Bauen birgt hier manchmal Risiken. Dafür sind die unerwart aufwendigen Vorkehrungen, die die Bahn für die Tunnelbauten bei Stuttgart 21 ergreifen muss, nur der neueste Beleg.

 

Im März 1988 war es keine Komplikation beim Tunnelbau, der für Alarmstimmung sorgte, sondern ein Erdrutsch am Burghaldenweg in Feuerbach nach anhaltenden Regenfällen. Am Nordhang des Killesbergs war eine 25 000 Quadratmeter große und bis zu 16 Meter in den Hang reichende Erdmasse abgerutscht. Es handelte sich um ehemaligen Abraum von Steinbrüchen, der auf dem Killesberg abgelagert worden und am Hang in einem längeren Zeitraum nach unten gewandert war. Bis er plötzlich Tempo aufnahm und am Rand der natürlichen Gipskeuperschicht abrutschte. Er hinterließ schwere Gebäudeschäden. Mit elf künstlichen Brunnen musste der Hang entwässert und mit Bohrpfählen die Rutschmasse stabilisiert werden. Seither hat sich die Lage beruhigt, gleichwohl gilt der Bereich endgültig als Problemgebiet, was Bauvorhaben angeht. Und ähnliches gilt, ohne so drastische Vorkommnisse, für andere Zonen in Stuttgart wie die Knollenmergelhänge in Sonnenberg und Kaltental.

Mit dem Buddeln für Nahverkehrstunnel fing das Projekt an

In der neuen Publikation finden geologisch Interessierte und vor allem Ingenieure und Architekten nicht nur Hinweise darauf, sondern eine Fülle von Daten über den Baugrund. Die machen bei Bauvorhaben genauere Untersuchungen und Bohrungen zwar nicht überflüssig, aber treffsicherer und vielleicht auch preisgünstiger. Es ist ein Band mit Baugrundkartenwerk, in den viele Daten einflossen, die Rogowski und diverse Kollegen erhoben und gesammelt hatten. Da finden sich Karten mit dem Verlauf der Bodenschichten und Erkenntnisse über sogenannte Aufschlüsse im Stadtgebiet, also Bohrungen und Bodenschürfungen. Rund 16 000 Punkte sind hier verarbeitet. Die Karten, die es auf einer DVD gibt und die an Monitoren gezoomt werden können, sind erstmals im Maßstab von 1:5000 dargestellt – also sehr detailliert.

Die Überlegung, dass diese Arbeit sinnvoll sein könnte, war Anfang der 1960er Jahre aufgekommen, als Stuttgart aufgewühlt war wegen Tiefbauarbeiten für das unterirdische Nahverkehrs-Schienennetz. Danach machten sich das Landesamt und die Stadt, die eine Personalstelle finanzierte, an die Umsetzung, die sich letztlich über Jahrzehnte erstreckte.

Mühlenbetreiber drängten den Herzog zum Stollenbau

Im Textband klingt auch an, warum Stuttgart schon lang vor dem Bahnprojekt als eine Art Hauptstadt des Stollen- und Tunnelbaus galt. Das liegt zum Beispiel am Christophstollen, der 1565 unter Herzog Christoph in Angriff genommen wurde. „Mühlenbetreiber am unteren Nesenbach hatten den Herzog unter Druck gesetzt und beklagt, dass für sie nicht genug Wasser fließe“, sagt Rogowski. Unter Herzog Ludwig sei das Projekt 1575 vollendet worden.

Rogowski kann auch noch viele andere Besonderheiten referieren. Zum Beispiel die: „Stuttgart schrammte nur knapp daran vorbei, eine Bergbaustadt zu werden.“ Ausgangspunkt war, dass man mit einer Tiefbohrung an der Ecke Forststraße/Seyfferstraße im Stuttgarter Westen dem chronischen Wassermangel in Stuttgart ein Ende haben machen wollte. Mitte der 70er Jahre des 19. Jahrhunderts stieß man dabei bis zu 250 Meter in die Tiefe vor, musste dann aber aus technischen Gründen aufhören. Die Stadt übernahm von dem Projektträger, einem Verein, das Bergbaurecht, Mutungsrecht genannt. Rund 36 Jahre später, 1911, sei es aufgegeben worden. Die Stadt wollte wachsen und bauen.

Kohle hatte man schon zu Beginn des 17. Jahrhunderts unter Herzog Friedrich am Kriegsberg abzubauen versucht, sagt Rogowski. Die Kohle aus der Schilfsandsteinschicht, heute Stuttgart-Formation genannt, sei aber minderwertig gewesen. Bei Kaltental habe es, vermutlich im 16. oder 17. Jahrhundert den Versuch gegeben, im Stubensandstein Gold zu schürfen – mit unbefriedigendem Ergebnis. Die Gruben von damals sind längst geschlossen. In Stuttgarts Boden wird aber, aus anderen Gründen, noch oft eingegriffen werden. Die Baugrunddaten werden hilfreich sein.

Beim Stadtmessungsamt sind die Daten zu bekommen