Samuel Koch, gelähmt seit seinem Sturz in der ZDF-Sendung „Wetten dass...“, kommt zu einer Musiklesung nach Korntal-Münchingen. Im Interview spricht er über Humor, Prioritäten und seine Schauspielerei.

Korntal-Münchingen - Er ist durch eine missglückte Fernsehwette bundesweit bekannt. Nun kommt Samuel Koch (30) nach Korntal-Münchingen. Er spricht über Humor, Prioritäten und seine Schauspielerei.

 
Herr Koch, Ihr schwerer Unfall ist sieben Jahre her. Wie geht es Ihnen heute?
Danke, meistens mindestens gut. Und sonst wie vielen mal besser, mal schlechter.
Woher nehmen Sie Ihren Lebensmut und Ihre Energie?
Damit ich diesen und ähnlichen Anfragen gerecht werden kann, habe ich in meinem Buch „Rolle vorwärts“ ein ganzes Kapitel der Beantwortung gewidmet. Vielleicht erzähle ich davon am Samstagabend.
Da stellen Sie in Korntal-Münchingen Ihr zweites Buch vor. Was erwartet die Besucher bei der sogenannten Musiklesung?
Manchmal überschreiben wir so einen Abend auch mit den Stichworten Gedanken, Gefühle, Geschichten. Schon so lange ich denken kann, haben mich Menschen fasziniert. In den letzten Jahren habe ich so viel Schönes, Absurdes, Tiefsinniges, Unschönes, Witziges erlebt, was ich aufgeschrieben habe. Von diesen Begegnungen erzähle ich – oft verbunden mit aktuellen Themen. Und damit es nicht so einseitig wird, gibt es Klavierbegleitung und weiblichen Gesang. Das sind meine Gäste. Gelegentlich versuche ich das von der Rolle her passive Publikum zu ermuntern, Fragen zu stellen, die ich dann nach Möglichkeit beantworte. Jeder Abend verläuft anders.
Welche Begegnung war die einprägsamste?
Manche Begegnungen und Erfahrungen verursachen mir schon mal einen Kloß im Hals. Zum Beispiel, wenn ich von einem Mädchen höre, dass sie aufgrund ihrer Gehschwierigkeiten in der Schule gemobbt wird. Oder wenn mir ein junger Mann schreibt, dass er immer wieder Selbstmordgedanken und schon CO2-Flaschen besorgt hatte, und ihm dann mein Buch geholfen hat, bin ich beschämt sprachlos. Es freut mich, wenn eine Begegnung mit mir, ob persönlich oder indirekt, etwas Positives bewirkt, aber die Schicksale dahinter sind schon herausfordernd.
Die Dinge, die Sie sagen möchten, vor allem über Sie selbst, verpacken Sie gern als Anekdoten. Warum ist Ihnen Humor so wichtig?
Lieber als über mich rede ich von meinen Erlebnissen. Und ich lache lieber als zu heulen. So lange ich denken kann, spielt Humor in unserer Familie eine große Rolle. Es gibt Situationen, da ist der Humor der Knopf, der verhindert, dass einem der Kragen platzt, wie Joachim Ringelnatz es einmal formuliert hat.
Inwiefern haben sich Ihre Prioritäten durch den Unfall geändert?
Früher war mein Leben durch Bewegung und Sport sehr stark definiert. Könnte man nur noch glücklich sein, wenn die Umstände entsprechend sind, hätte ich auf lange Sicht keine Chance mehr dazu. Selbst wenn mein erstes Buch „Zwei Leben“ heißt, ist es doch nur ein Leben mit unterschiedlichen Bedingungen. So haben sich nicht grundsätzlich meine Einstellungen verändert, aber in manchen Gedanken und Sichtweisen intensiviert.
Welche Verbindung haben Sie zu Korntal-Münchingen?
Direkt zu diesem Ort habe ich persönlich keine Verbindung. Bei Korntal muss ich an die alttestamentliche Josefsgeschichte denken. Josef hat für die sieben mageren Jahre Kornspeicher bauen lassen. Wir folgen sehr gerne der Einladung der evangelischen Brüdergemeinde.
Sie sind auch Schauspieler und festes Ensemble-Mitglied am Staatstheater Darmstadt. Haben Sie damit gerechnet, Ihren Beruf ausüben zu können?
Ich fand es absurd und naiv, das Schauspielstudium wieder aufzunehmen. Auf dem Lehrplan stand zum Beispiel reiten, fechten, Akrobatik, tanzen – das alles fiel ja weg. Meine Schauspielkollegen und ein Professor als Mentor halfen mir zu erkennen, dass die Essenz des Schauspiels, Emotionen zu transportieren, immer noch möglich ist. Am Staatstheater Darmstadt haben wir beschlossen und festgestellt, dass ich wie alle anderen Schauspieler auch mal den Hamlet, mal Paul oder Erwin spiele. Also keine typischen Opferrollen. Ich bin überrascht, welche Möglichkeiten es tatsächlich noch gibt. In den vielleicht 15 Produktionen war der Rollstuhl zwei oder drei Mal eine natürliche Requisite und sonst nicht vorhanden.
Welches Projekt steht als nächstes an?
Auch wenn ich die Erfahrung gemacht habe, nicht in langen Zeitabschnitten zu planen, haben wir doch viel im Kopf. Im Dezember bin ich mit meiner Frau Sarah Elena in einer Weihnachtslesung auf Tour, und wir spielen in einer szenischen Lesung den Briefwechsel von Sophie Scholl und Fritz Hartnagel. Wir befinden uns auch in der Gründungsphase eines gemeinnützigen Vereins, der ähnlich betroffenen Familien helfen will. Und für nächstes Jahr wünsche ich mir mal einen Tag mit Langeweile.

Termin Die Musiklesung „Rolle vorwärts“ findet am Samstag, 18. November, um 18.30 Uhr im Gemeindezentrum der evangelischen Brüdergemeinde Korntal statt. Karten gibt es für 17 Euro an der Abendkasse, für 15 Euro im Vorverkauf in Korntal im Israelladen oder in der Buchhandlung Blessings 4 You. Karten sind auch bis zum Freitag, 16 Uhr, reservierbar unter Telefon 07 11 / 83 98 77 13.