Am Sonntag kommt der SV Sandhausen in der zweiten Liga zum VfB Stuttgart: Und mit ihm Trainer Kenan Kocak, der sich fast schon euphorisch über den Gegner äußert.

Sandhausen/Stuttgart - An Rückhalt wird es dem VfB auch am Sonntag nicht fehlen. Aus dem Schwarzwald, vom Bodensee oder der Schwäbischen Alb werden die Fans wie üblich zum Spiel nach Stuttgart fahren – doch einer der größten VfB-Anhänger sitzt diesmal auf der Trainerbank des Gegners: Kenan Kocak, der Chefcoach des SV Sandhausen. Schon seit Tagen freut er sich auf die Dienstreise in die Landeshauptstadt – denn: „Es ist immer wieder ein Genuss, nach Stuttgart zu kommen.“

 

Ein Anliegen ist es Kenan Kocak (36), noch etwas loszuwerden, als das Gespräch eigentlich schon beendet ist. Der VfB sei „ein toller Verein“ mit einer „tollen Mannschaft“, sagt er ungefragt, eine „tolle Persönlichkeit“ sei Präsident Wolfgang Dietrich, dessen Bekanntschaft er neulich in der SWR-Sendung „Sport im Dritten“ habe machen dürfen. Nun kann es Kocak kaum erwarten, auch seinen Trainerkollegen endlich persönlich kennenzulernen, den VfB-Coach Hannes Wolf, den er bislang aus der Distanz bewundert hat: „Toll, wie der Hannes das alles hingekriegt hat.“

Eine Art Spitzenspiel in Stuttgart

Man muss sich noch einmal in der Tabelle vergewissern, dass da nicht etwa der Trainer von Feierabendkickern spricht, die beim Vereinsjubiläum ein Freundschaftsspiel gegen den VfB bestreiten dürfen. Sondern der Chefcoach eines Proficlubs, der als Tabellensechster nach Stuttgart kommt und nur drei Punkte von den Aufstiegsplätzen entfernt liegt. Eine Art Spitzenspiel ist es also, auch wenn Kocak bei diesem Begriff nur laut lachen kann: „Wir können uns doch mit dem VfB in keiner Weise messen. Da sind Lichtjahre dazwischen. Wir haben da oben eigentlich gar nichts zu suchen.“

Der SV Sandhausen hat den kleinsten Etat und den niedrigsten Zuschauerschnitt der zweiten Liga. Dass er auch den wohl ungewöhnlichsten Trainer hat, gilt als wesentlicher Grund dafür, dass in der nordbadischen 15 000-Einwohner-Gemeinde plötzlich von einem kleinen Fußball-Wunder die Rede ist. Aller Unterwürfigkeit zum Trotz – unterschätzen sollte ihn niemand, diesen in der Türkei geborenen Fußballlehrer, der seine Trainerkarriere nicht im Nachwuchsleistungszentrum eines Bundesligisten begann, sondern beim FC Türkspor Mannheim in der Kreisliga.

Mit viel Beharrlichkeit hat sich Kocak, ein ehemaliger Mittelfeldspieler, der nach seinem zweiten Kreuzbandriss mit 27 Sportinvalide geworden war, von ganz unten sehr weit nach oben gearbeitet. Mit dem VfR Mannheim schaffte er den Aufstieg in die Oberliga. Mit Waldhof Mannheim scheiterte er im Vorjahr erst in der Relegation gegen Lotte am Sprung in die Dritte Liga. Dann rief der SV Sandhausen, der nach dem Abschied von Alois Schwartz zum 1. FC Nürnberg einen Trainer suchte – und in Kocak „die Ideallösung“ fand, wie Präsident Jürgen Machmeier sagt.

Sandhausen spielt munter nach vorne

Seit Kocak im Amt ist, nehmen regelmäßige Stadionbesucher verblüfft zur Kenntnis, dass in Sandhausen nicht mehr nur robust verteidigt, sondern auch schwungvoll nach vorne gespielt wird. „Der Verein steht für eine neue Art des Fußballs“, sagt der dafür verantwortliche Trainer, der sich als „Freund des innovativen Offensivfußball“ bezeichnet. Kein Wunder, seine Bezugsgrößen in Fragen der Taktik könnten prominenter kaum sein: Er tausche sich gern mit Joachim Löw aus, berichtet Kocak, und habe einen guten Draht zu Ralf Rangnick.

Fünfmal hintereinander ist sein Team in der Liga zuletzt unbesiegt geblieben; mit einem 3:0 in Düsseldorf und einem 2:0 gegen Aue startete Sandhausen in die Rückrunde. In dieser Woche folgte zwar die 1:4-Niederlage im DFB-Pokal gegen Schalke 04, die Kocak („Ich habe meine Mannschaft plötzlich nicht wiedererkannt“) in ihrer Deutlichkeit zwar enttäuscht, ihn grundsätzlich aber nicht überrascht hat: „Wir haben schließlich nicht gegen Borussia Banana gespielt, sondern gegen eine Truppe mit lauter Weltklasseleuten.“

Ganz ähnlich, findet der Trainer, seien auch am Sonntag gegen den VfB die Rollen verteilt: „Terodde, Gentner, Mané, Insua, Langerak, jetzt auch noch Green und Brekalo – ich weiß gar nicht, wo ich aufhören soll“, sagt Kenan Kocak: „Ich hoffe, dass die Zuschauer ein tolles Spiel sehen“. Kein VfB-Fan wird näher dran sein als er selbst.

VfB Stuttgart - 2. Bundesliga

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