Bei Sandra Maischberger im ZDF rechnet John Bolton, ein Ex-Vertrauter Trumps, heftig mit dem Noch-Präsidenten ab. Und Sahra Wagenknecht überrascht – mit Sympathien für Trump und Skepsis vor Biden.

Stuttgart - Natürlich ging es in der Politrunde von Sandra Maischberger am Mittwochabend in der ARD nicht um „Die Woche“, wie die Sendung heißt, es ging um den Wahltag in den USA. Aber es fanden sich unter den acht Gästen auch Stimmen wie die des Politikwissenschaftlers Christian Hacke, die meinten, aus diesem Wahltag könne angesichts der von US-Präsident Donald Trump angekündigten Klagen gegen die Wahlauszählung in den Bundesstaaten „auch eine Wahlwoche, vielleicht sogar ein Wahlmonat werden“ – bis das Ergebnis amtlich ist. Hacke eröffnete die Front gegen Donald Trump – und um es vorwegzunehmen, von Maischbergers acht Gästen waren alle gegen Trump – mit einer überraschenden Ausnahme. Aber dazu später.

 

Trumps Klageandrohung für Michigan sorgt für Empörung

Als „absolut undemokratisch und eine Missachtung des Wahlvorgangs“ empfand der Politikprofessor Hacke (früher Bundeswehrhochschule Hamburg) die Ankündigung von Trump, dass er die Auszählung im Bundesstaat Michigan gerichtlich stoppen werde – eine halbe Stunde nach der Sendung war diese Meldung übrigens obsolet, der Demokrat Joe Biden war zum Sieger in Michigan erklärt worden. Aber Trumps frühe Sieger-Erklärung vom Vormittag („Wir haben diese Wahl gewonnen“) sowie seine Michigan-Klageandrohung vom Abend sorgten für Empörung in der Runde und das kleinlaut vom Journalisten Ansgar Graw („The European“) vorgetragene Argument, Trump habe „ein Recht zu klagen“, gerade wenn die Differenz zwischen den Wahlergebnissen unter ein Prozent liege, ging ziemlich unter.

Zugeschaltet aus den USA: John Bolton wettert gegen Trump

Denn es trat auf – zugeschaltet aus den USA – der frühere Nationale Sicherheitsberater von Donald Trump, John Bolton, der, nachdem er von Trump 2019 geschasst worden war, ein Enthüllungsbuch über den US-Präsidenten geschrieben hatte und jetzt bei Maischberger ohne viel Federlesen zum Punkt kam: Trump könne ja gar nicht den Supreme Court (Obersten Gerichtshof) anrufen, denn zuständig seien erst mal die Bundesstaaten – und Trumps Theorie, dass nur bis zum Wahltag eingegangene Stimmen zählten, die stimme im übrigen gar nicht. „Die Klageandrohung ist eine Schande. Sie zeigt, wie verantwortungslos Trump ist. Er schafft sich seine eigene Welt.“

Selbst ein Republikaner in der Runde geht auf Distanz zu Trump

Eigentlich, so Bolton, müsse ein US-Präsident für die „Integrität des Wahlprozesses eintreten“, aber Trump könne nicht unterscheiden zwischen seinen persönlichen Zielen und den Aufgaben eines Präsidenten: „Er versteht das System nicht.“ Sollte Trump eine zweite Amtszeit schaffen, fragte Maischberger, was sei denn dann? Werde er in der Nato bleiben? Trump werde „unbegrenzt sein“ in seinem Handeln, sagte Bolton, der bekannte, erstmals nicht für die Republikaner gestimmt zu haben. „Trump ist unvorhersehbar. Und was die Nato anbelangt – nichts ist sicher mit Trump“, so Bolton.

Es war schon bezeichnend für die Runde, dass selbst der Vertreter der US-Republikaner in Deutschland, Ralph Freund, zwar auf wirtschaftspolitische Erfolge von Trump hinwies, beispielsweise die tief gesunkene Arbeitslosenquote vor der Corona-Krise, aber sich nicht als wahrer Fan von Trump outen wollte: „Seine Sprache ist nicht die meine“, so Freund, und im übrigen sei er kein Trumpist, sondern Anhänger der „Grand Old Party“, der US-Republikaner, und falls Trump die Wahl verliere, „wird er schnell von der Bildfläche verschwinden“. „Tief enttäuscht“ zeigte sich der Afro-Amerikaner Kenton E. Barnes aus Ohio über die Tatsache, dass die Anzahl der Schwarzen in den USA, die Trump gewählt haben, um vier Prozent auf zwölf gestiegen ist. Und dass, obwohl Trump sie „beleidigt“ und bei Straftaten falsch angeschuldigt habe, und obwohl Trump „gar nichts für die Schwarzen“ getan habe, vor allem nicht gegen die grassierende Polizeigewalt gegen Dunkelhäutige in den USA.

An einen Bürgerkrieg will die Kabarettistin Tuft nicht glauben

Von einer Spaltung der USA war bei Maischberger viel die Rede, aber dass bei einem möglichen Wahlsieg von Joe Biden dann rechte Milizen im Land einen Bürgerkrieg entfachen, das konnte sich die US-Kabarettistin Gayle Tuft auch nicht so recht vorstellen: „Ich glaube an die Vernunft der Amerikaner.“ Martialische Bilder wie die von der Besetzung des Kapitols in Michigans Hauptstadt Lansing durch Schwerbewaffnete im Frühjahr – die gegen die Corona-Maßnahmen von Gouverneurin Gretchen Whitmer protestierten – habe sie übrigens zuvor „noch nie gesehen“.,

Auf Joe Biden lag die Hoffnung der Maischberger-Runde, obwohl die Moderatorin (54) fragte, ob der 77-jährige nicht „ein alter Mann auf Abruf“ sei. Der „Burner“ sei ja der Joe Biden wirklich nicht, meinte der Politikprofessor Hacke, aber er werde einen guten Stab um sich scharen, und die Kabarettistin Tuft zeigte viel Sympathie für Bidens starke als Vizepräsidentin auserkorene Kamala Harris (56), die im Falle des Falles ja einspringen könne. Eine Lanze für Biden brach immerhin der Kolumnist Graw, vielleicht sei es doch eine Überraschung, wenn die USA „einen netten Großvater“ als Präsident erhielten, der das Land eine und nicht weiter spalte – ein Mann des Übergangs.

Die Linke Sahra Wagenknecht lobt Trumps Kriegsmüdigkeit

Wasser in den Wein goß zum Schluss die Linkenpolitikerin Sahra Wagenknecht mit der Bemerkung, dass Joe Biden „die rücksichtslose Außen- und Wirtschaftspolitik der USA“ fortsetzen werde. Schon 2016 hatte Wagenknecht die Wahl Trumps „nicht als Katastrophe“ sehen wollen, jetzt wiederholte sie ihre Sympathie für dessen Kurs, für dessen Pläne für einen weltweiten US-Truppenabzug und seine protektionistischen Alleingänge zum Wohle des eigenen Volkes als Vorbild für Deutschland, denn auch „wir“ brauchten eine „konsequente Industriepolitik“. „Ja, Trump hat das Land gespalten. Aber die Ursachen liegen doch viel tiefer. Wesentliche Teile der US-Bevölkerung sind lange Zeit isoliert worden, dass rächt sich jetzt.“ Und was die Sicherheitspolitik anbelange, so sei Donald Trump der erste US-Präsident seit langem, der keinen neuen Krieg angezettelt habe und auf US-Militärbasen in Deutschland – die todbringende Drohnen losschickten – könne sie auch gut verzichten. Und was die Nato anbelange, mit dessen Austritt Trump liebäugelt, da müsse man doch mal schauen, was die alles angerichtet habe in Staaten wie Libyen oder Syrien.

„Sie machen das Gleiche wie Donald Trump“, entgegnete da der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff. Trump sei „unberechenbar“, Biden aber wäre ein Partner. Aber selbst Lambsdorff hatte dann an Trump etwas Positives anzuerkennen: Dessen America-First-Politik sei für die USA eigentlich kein Schaden gewesen, und BMW- und Daimler-Werke in den USA seien jetzt die größten Autoexporteure des Landes nach China geworden. Das Problem mit Trump aber sei, dass er aus Handelsbeziehungen „eine Waffe geschmiedet“ habe.