Ministerpräsident Kretschmann und OB Kuhn haben sich gegenseitig versichert, dass Land und Stadt die Opernsanierung vorantreiben wollen. Konkrete Zahlen gibt es aber keine.

Stuttgart - Der Malsaal der Oper hängt voller bunter Prospekte. Bilder werden hier entworfen und mit bunter Farbe versehen: Bilder, vor denen Bühnenhandlungen ihre ganze Wirkung entfalten können. Bei der Pressekonferenz, zu der das Land Baden-Württemberg am Freitagmittag geladen hat, gibt es auch eine Art Bühnenhandlung. Aber bei ihr geht es weniger um Kunst als um eine Art öffentliches Gelöbnis. Auf der einen Seite stehen Politiker von Stadt und Land: der Ministerpräsident Winfried Kretschmann, die Wissenschafts- und Kunstministerin Theresia Bauer, die Finanzstaatssekretärin Gisela Splett und der Oberbürgermeister Fritz Kuhn, allesamt Grüne.

 

Auf der anderen Seite stehen zahlreiche Vertreter der Presse. Während die Mandatsträger vor offenen Mikrofonen ihr „Ja, ich will“ zum Dauerbrennerthema Stuttgarter Opernsanierung formulieren, verblassen die Bilder im Malsaal; stattdessen wandeln sich die Besucher zur Kulisse einer Verlautbarung und sollen nun ihrerseits zum Sprachrohr werden.

Eine denkwürdige Situation: In einer Pressekonferenz ohne jeden nachrichtlichen Wert geht es um nicht mehr, vielleicht aber auch um nicht weniger als eine gegenseitige Versicherung von Landes- und Lokalpolitik, dass man das Mammutprojekt der Kunsttempel-Ertüchtigung gemeinsam vorantreiben will. Man könnte sogar so weit gehen, in der Veranstaltung eine Art säkulare Konfirmation zu sehen, bei der sich Mandatsträger zu ihrem Glauben an die Hochkultur und an die Sanierung ihrer prominentesten Heimstätte in der baden-württembergischen Landeshauptstadt bekennen: öffentlich, vor einer Gemeinschaft, schon wegen der emotionalen Komponente.

Es gibt keine konkreten Zahlen

Dabei setzt sich dieses Bekenntnis nicht dem Risiko einer Konkretisierung aus – auch wenn diese Tatsache die Forderung nach maximaler Transparenz ein wenig lächerlich erscheinen lässt. Von präzisen Kostenrahmen für die Sanierung insgesamt (im Raum standen zuletzt etwa 500 Millionen Euro) oder auch für den opern- und balletttauglichen Aus- und Umbau der Interimsspielstätte im ehemaligen Paketpostamt an der Ehmannstraße (der zuletzt auf gut fünfzig Millionen Euro taxiert wurde) ist jetzt keine Rede. Schließlich gebe es, sagt Winfried Kretschmann, „den Fluch der ersten Zahl“ – wenn einmal genannte feste Beträge nicht gehalten würden, untergrabe die Kostensteigerung rasch das Vertrauen. Immerhin könne man zurzeit sicher sagen, dass die „Jahrhundertaufgabe“ der Sanierung „einen dreistelligen Millionenbetrag“ kosten werde.

Einen Hauch von Präzisierung bringt immerhin Gisela Splett ein. Sie verweist auf zunächst 143 Millionen Euro Rücklagen des Landes für die Sanierung von Kulturliegenschaften und skizziert anschließend nochmals den Zeitplan: von der Verwaltungsratssitzung im Mai, bei der abschließend über das Interim entschieden werden soll, über die dann anstehenden Architektenwettbewerbe für Interim und Opernhaus und den frühesten Beginn der zurzeit auf fünf Jahre geschätzten Sanierung im Winter 2023/24. Im Stuttgarter Gemeinderat, räumte Fritz Kuhn ein, gebe es „noch keinen konkreten Beschluss über konkrete Zahlen“, aber „die große Mehrheit im Gemeinderat will die Opernsanierung, davon kann ich ausgehen“.

Sorgfalt geht vor Schnelligkeit

2014 haben sich Stadt und Land schon einmal einmütig zur Notwendigkeit der Opernsanierung bekannt. Was denn, so die Frage eines Pressevertreters, der nicht nur Kulisse sein wollte, seit damals überhaupt passiert sei? Man habe, so Kuhn, „die Probleme zerlegt und einzelne Lösungen gesucht“, außerdem „mit dem Denkmalschutz gerungen“ (wegen der angestrebten Kreuzbühne); man habe sich gegen eine Sanierung und für einen Neubau des Kulissengebäudes entschieden („ein mühsamer Prozess“), und schließlich habe man viel Zeit mit der Entscheidung für die bestmögliche Interimsspielstätte verbracht. Als „überragend“ bezeichnete der Oberbürgermeister das Paketpostamt – und wies auch deshalb die jüngsten Ideen des Architekten Arno Lederer weit von sich, der sich für einen Opernneubau an der Stelle des Katharinenstiftes stark macht. Im Übrigen, so Kuhn, hätten zahlreiche Großprojekte im deutschen Kulturbereich bewiesen, „dass Sorgfalt immer besser ist als Schnelligkeit“. Seit 2014, bestätigte Theresia Bauer, sei man in jeder Verwaltungsratssitzung ein Stück weitergekommen“, nun müsse und werde man „herauskommen aus dem Modus der Trippelschritte, ansetzen zum großen Sprung“, und schon deshalb habe sie „auf den Tag heute hingefiebert“.

Der Rest war ein öffentliches Bekenntnis zum Wert von Hochkultur und zum Kulturstandort Baden-Württemberg“. „Oper und Ballett“, betonte der Ministerpräsident, seien „so wichtig wie der Daimler“, und die Entscheidung für eine Opernsanierung sei „historisch“ – nicht nur, weil schon sein Amtsvorgänger Lothar Späth sie im Blick gehabt habe. Gerade im Zeitalter der digitalen Revolution seien Kunst und Kultur als Gegenpol unentbehrlich. „Kultur“, ergänzte Fritz Kuhn, „macht den Unterschied.“

Das war’s dann auch. Wer Neues erwartet hatte, verließ den Malsaal mit leeren Taschen – aber immerhin mit der Überzeugung, dass ein wichtiges Projekt von den entscheidenden Politikern wirklich gewollt wird. „Wir wären“, fasste Fritz Kuhn die Konferenz zusammen, „vom Affen gebissen, wenn wir die Oper nicht sanieren würden.“ So kann man das auch sagen.