Beim dritten Durchgang des Opern-Bürgerforums am Freitag kommt sogar der längst verstorbene Opernhaus-Architekt zu Wort.

Stuttgart - Auch die dritte Gesprächsrunde des Bürgerforums zur Sanierung der Stuttgarter Oper verlief kontrovers. Bei der am Freitagabend virtuell durchgeführten Videokonferenz standen erneut das Thema „Kreuzbühne“ sowie eine mögliche Interimsoper bei den Wagenhallen oder auf dem Gelände des Königin-Katharina-Stifts im Mittelpunkt der Auseinandersetzung.

 

Die eingeladene Schulleiterin der 1818 gegründeten Bildungseinrichtung direkt neben den Staatstheatern plädierte leidenschaftlich dafür, die Idee fallenzulassen, den Standort des Gymnasium zugunsten eines Interimsbaus zu verlegen, wie es der Verein Aufbruch Stuttgart vorgeschlagen hatte. Kathrin von Vacano-Grohmann betonte, dass das Schulgebäude aus dem Jahr 1903 mit seinem „wunderbaren Treppenhaus“ zurecht denkmalgeschützt sei. Die Schulleiterin wies darauf hin, dass die rund 600 Schüler des Gymnasiums in vielfältiger Weise vom benachbarten Kulturbetrieb profitierten.

Baubürgermeister Peter Pätzold erinnert an Sanierung

Bei den 40 zufällig ausgewählten Bürgern, die am Bürgerforum teilnehmen, fiel das Plädoyer der Rektorin auf fruchtbaren Boden: So betonte ein Teilnehmer, dass es ein falsches Zeichen sei, „eine Schule mit kulturbegeisterten Schülern und eines der wenigen noch übrigen historischen Gebäude zu opfern“. Ein anderer wunderte sich, dass der Verein Aufbruch Stuttgart zwar gemeinsam mit dem Gymnasium für die Kulturmeile demonstriert hat, nun „der Aufbruch aber den Abbruch der Schule plant“. Dass das Schulgebäude zuletzt 2012 für 10 Millionen Euro saniert worden war, daran erinnerte Baubürgermeister Peter Pätzold: „Das wäre unsinnig, diese Gelder verschwendet zu haben.“ Hinzu kommt: Ein zusätzlicher Schulneubau für das Stift müsste sich in die Gesamtplanung der Stadt einfügen. „Die Folge wäre unweigerlich, dass dafür ein anderer Schulneubau weichen müsste.“ Auch eine unterirdische Fernwärme-Einrichtung der ENBW müsste verlegt werden. Kosten allein hierfür: 40 Millionen Euro.

Doch auch eine Interimsbühne auf dem Gelände des Kulturvereins Wagenhallen, wie sie derzeit von der Stadt präferiert, birgt reichlich Konfliktstoff. Der Architekt Robin Bischoff, erster Vorsitzender des Kunstvereins Wagenhallen, wies darauf hin, dass sich auf der Arbeitsfläche des Kunstvereins bei einer ausverkauften Aufführung über 1000 Besucher tummeln würden. „Wie soll das funktionieren?“, fragte der Architekt. „Da tritt man sich gegenseitig auf die Füße.“

Experte hebt Stellenwert der Kreuzbühne hervor

Der Geschäftsführer der Deutschen theatertechnischen Gesellschaft Hubert Eckart stellte als Experte für Bühnentechnik nicht nur die Funktion einer sogenannten Kreuzbühne vor. Er betonte zugleich, dass viele Opern aus dem Kanon des klassischen Repertoires ohne eine solche gar nicht aufführbar seien. An zahlreichen Beispielen aus der internationalen Opernarchitektur machte er deutlich, dass derzeit weltweit versucht werde, bei Opernneu- und Umbauten eine solche Technik zu installieren. „Mit weniger würde ich mich als Bürger nicht abgeben“, so Eckart. Nach heutigem Stand würde der Einbau einer Kreuzbühne rund 20 Millionen Euro zusätzlich kosten, wobei eine mögliche Preissteigerung auf bis zu 35 Millionen Euro hier nicht eingerechnet ist.

Auch der Littmann-Experte Martin Laiblin vertrat trotz der hierfür notwendigen Fassadenverschiebung die Ansicht, dass eine Kreuzbühne für die Oper „eine Qualitätssicherung für die nächsten 50 Jahre“ darstellte. Um zu unterstreichen, dass sich der Architekt des Stuttgarter Opernhauses, Max Littmann (1862–1931), einem solchen baulichen Eingriff mutmaßlich nicht entgegenstellen würde, präsentierte Laiblin ein bemerkenswertes Zitat des Architekten: „Als zeitgemäß kann nur das Haus erachtet werden, das in seinen inneren Einrichtungen die Bedingungen erfüllt, die nach der heutigen Erkenntnis erfahrener und denkender Bühnenleiter und Künstler nötig sind, um in gleicher Weise sowohl Produktionen unserer Klassiker wie alter und lebender Musiker und Dichter gerecht zu werden, und bei denen überdies die Anforderungen nicht außer acht gelassen werden, die das Publikum stellt, für das wir Theater erbauen.“

Info

Die Gesamtkosten der Opernsanierung werden derzeit auf rund 958 Millionen Euro taxiert, wobei hierin potenzielle Kostensteigerungen während der Bauzeit bereits berücksichtigt sein sollen. Werden lediglich die heute geltenden Baukosten addiert, würde die Sanierung, deren Kosten sich Land und Stadt teilen, nur mit etwa 550 Millionen Euro zu Buche schlagen. In jedem Fall hinzu kommen rund 85 Millionen Euro für eine Interimsspielstätte. Außerdem würde die Stadt in diesem Zusammenhang für weitere rund 84 Millionen Euro zwei Gebäude errichten, die nach der Zwischennutzung dauerhaft erhalten bleiben. Die Kostenrelation von Opernsanierung und Interimsbauwerken sei, so Stuttgarts Baubürgermeister Peter Pätzold, „vergleichbar mit anderen Bauprojekten“. Verzögert sich der Start der Sanierung, verteuert sich das Projekt jeweils pro Jahr um geschätzte 30 Millionen Euro.