Die SWSG saniert in der Böheimsiedlung. Mieter fürchten, dass sie sich das nicht leisten können. Sie fühlen sich auch von Bürgermeistern und Stadträten allein gelassen.

Stuttgart-Süd - Was dürfen unsere Kunden von uns erwarten?“, fragt die Stuttgarter Wohnungs- und Städtebaugesellschaft (SWSG) auf ihrer Homepage über ihr Selbstverständnis und antwortet: „Ganz klar, dass sie bei uns im Mittelpunkt stehen. (...) Das bedeutet konkret, dass unsere Kunden eine kompetente und freundliche Beratung sowie ein zuverlässiges Arbeiten unserer Mitarbeiter erwarten dürfen.“ So aber haben die Mieter der Böheimsiedlung das kommunale Unternehmen nicht erlebt. Bei einer Infoveranstaltung mit anschließender Podiumsdiskussion von der SPD Stuttgart-Süd und dem Stuttgarter Mieterverein machten sie ihrem Unmut Luft.

 

Die Rentner, Geringverdiener und Familien haben das Gefühl, dass sie als Mieter in der Böheimsiedlung nicht mehr erwünscht sind. Die SWSG plant eine dringend notwendige Sanierung der Siedlung zwischen Erwin-Schoettle-Platz und Marienhospital. Die Kosten dafür werden zu einem Großteil auf die Mieter umgelegt. Dabei besteht der Aufsichtsrat des kommunalen Wohnungsbauunternehmens ausschließlich aus Bürgermeistern und Stadträten der Stadt Stuttgart – auch von ihnen fühlen sich die Mieter im Stich gelassen.

„Uns wurde sehr deutlich gesagt: Sie müssen Abstriche hinnehmen“, so ein Anwohner. Er erzählte, dass ein Mitarbeiter der SWSG mit der Rechtsabteilung der Gesellschaft gedroht habe, falls der Mieter keine Grundrissänderung hinnehmen wolle. Die Weigerung der Mieter, den Modernisierungsplänen zuzustimmen, hat nichts damit zu tun, dass sie gegen eine energetische Sanierung der Gebäude sind. Im Gegenteil. Auf Bleirohre für die Trinkwasserleitungen könnten sie gut verzichten, erzählten sie. Nur spüren die Mieter eben schon jetzt, was die Sanierung für sie finanziell bedeutet.

Die Zeit nach der Modernisierung

Eine ältere Dame rechnete vor: Für eine 52 Quadratmeter große Wohnung in der Böheimsiedlung zahlt sie 454,38 Euro ohne Gas und Strom. Für die Zeit während der Sanierung soll sie in eine gleichgroße, bereits sanierte Wohnung der SWSG im gleichen Viertel umziehen. Die koste dann allerdings 615,23 Euro ohne Gas und Strom, sagt sie. 160,85 Euro mehr – das allein wäre eine Mieterhöhung von 35 Prozent. Dabei habe die SWSG mit ihrem eigenen Mieterbeirat vereinbart, dass Mietern durch eine Sanierung keine höheren Wohnkosten entstehen dürfen. Zudem habe die SWSG sie nicht rechtzeitig informiert. Geschweige denn aufgeschlüsselt, was Instandhaltungs- und was Modernisierungskosten seien, so die Anwohner. Die Instandhaltungskosten nämlich dürfen nicht als Mieterhöhungen umgelegt werden.

Das Problem ist aber nicht nur die Zeit der Modernisierung, sondern vor allem die danach: Denn viele Mieter fürchten, dass sie sich ihr Zuhause, in dem sie teils länger als 40 Jahre leben, nicht mehr leisten können. Gleichzeitig ist die Entwicklung symbolisch für das Problem der Wohnungsknappheit in Stuttgart. Jeder Stuttgarter gibt im Schnitt 43 Prozent seines Einkommens für Wohnung und Nebenkosten aus.

Das liegt auch daran, dass die Stadt den sozialen Wohnungsbau jahrelang massiv vernachlässigt habe. Als Argument diene allzu oft, dass die Grundstücke – gerade im Kessel – knapp sind. „Wenn es jedoch Grundstücke gibt, werden sie für andere Zwecke verwendet“, kritisierte Rolf Gaßmann, der Vorsitzende des Mietervereins Stuttgart bei der anschließenden Podiumsdiskussion im Generationenhaus.

„Wenn wir eine wirtschaftsstarke Region bleiben wollen, dann brauchen wir zusätzliche Fachkräfte, und dann ist es auch wichtig, dass die sich hier ansiedeln können“, betonte Bettina Wilhelm, die Oberbürgermeisterkandidatin der SPD, die spontan an der Veranstaltung teilgenommen hatte. „Der Stuttgarter Süden hat es dringend nötig, dass an der Spitze des Stuttgarter Rathauses jemand steht, der sich dieses Themas annimmt“, sekundierte ihr Udo Lutz, früherer SPD-Stadtrat. Der gebürtige Südbürger hat selbst erlebt, dass sich Familien und ältere Menschen die Mieten im Süden nicht mehr leisten konnten – erst im Heusteig- und im Lehenviertel, später auch entlang der ehemaligen Bundesstraße 14. „Der Wohnungsbau muss wieder als öffentliche Aufgabe begriffen werden“, mahnte auch Dieter Blessing, der frühere Wirtschaftsbürgermeister Stuttgarts. „Ich habe nie verstanden, dass die Preissprünge bei der SWSG im Zuge der energetischen Sanierungen von den Gemeinderatsfraktionen genehmigt wurden.“