Der Streit geht jetzt los: Politiker und Kulturschaffende reagieren auf die möglichen Kosten in Höhe eines dreistelligen Millionenbetrags, die bei der Sanierung des Opernhauses in Stuttgart entstehen sollen.

Stuttgart - - Das Stuttgarter Opernhaus ist marode und muss dringend saniert werden. Hierzu ist ein externes Gutachten in Auftrag gegeben worden, in dem die Experten zu einem Bauprogramm raten, dessen Kosten sie auf einen dreistelligen Millionenbetrag beziffern. ( Die Stuttgarter Zeitung berichtete.) Der Artikel rief zahlreiche Reaktionen hervor.
Die Kulturbürgermeisterin Susanne Eisenmann (CDU), die als Vertreterin der Stadt im Verwaltungsrat der Staatstheater sitzt, flüchtet sich angesichts der in Rede stehenden bis zu 300 Millionen Euro Sanierungskosten in Sarkasmus: „Das finanzieren wir mal eben so nebenbei.“ Zum Vergleich: Eisenmanns Sanierungsprogramm für die Schulen summiert sich über die nächsten Jahre auf insgesamt rund 460 Millionen Euro. Die Wünsche der Intendanz gingen im Übrigen weit über eine Sanierung hinaus. „Ich weiß nicht, ob Erweiterungsbauten auf dem Parkplatz vor dem Landtag im Gemeinderat mehrheitsfähig sein werden“, sagt Eisenmann. Sie spielt damit auf die ablehnende Haltung der Stadt gegenüber entsprechenden Neubauplänen für ein Besucher- und Medienzentrum an gleicher Stelle an.
Ausgesprochen zugeknöpft gibt sich dagegen der Stuttgarter Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne). „Das Gutachten wird erst am 24. März im Verwaltungsrat der Staatstheater besprochen. Vorher können wir uns dazu nicht äußern, da uns das Gutachten nicht vorliegt“, sagte er auf Anfrage.
Die Stuttgarter Stadträte sind da etwas  redseliger, obwohl auch ihr Informationsstand nicht besser ist als der des Rathauschefs. Sie stellen die finanzielle Beteiligung an einer Sanierung der Oper nicht grundsätzlich infrage. „Wir müssen aber Prioritäten setzen. Nicht alles, was wünschenswert ist, ist auch finanziell machbar“, so der Grünen-Fraktionschef Peter Pätzold.

Pätzold lehnt Erweiterungsbauten ab

 
Auch die CDU-Stadträtin Iris Ripsam, ebenfalls Mitglied im Verwaltungsrat der Staatstheater, sorgt sich aufgrund der gemachten Erfahrungen bei der Sanierung des Staatsschauspiels, dass das Projekt ein Fass ohne Boden werden könnte. Sie plädiert daher für absolute Kostentransparenz: „Wir können uns ein Fiasko wie beim Schauspiel nicht leisten.“ Sowohl CDU als auch Grüne fordern ein nachvollziehbares Finanzierungskonzept und eine exakte Kostenkalkulation: „Keine Augenwischerei“, mahnt Ripsam, und Pätzold fordert „einen realistischen Zeitplan“ vom zuständigen Landesamt für Bau und Vermögen an.
Das ist jene Behörde, der sowohl beim Staatsschauspiel als auch bei der John-Cranko-Schule die Kostenexplosionen zu wesentlichen Teilen angelastet worden war. Erweiterungsbauten im Bereich des Schlossgartens lehnt Pätzold aus städtebaulichen Gründen strikt ab, und Ripsam ist diesbezüglich ebenfalls skeptisch.
Auch Heinz Lübbe, der für die FDP im Verwaltungsrat sitzt, meint: „Ob man die Freiflächen dort zukleistern sollte, halte ich für fraglich.“ Einer auf die Bedürfnisse der Künstler zugeschnittenen Sanierung der Oper könne man sich angesichts der in die Jahre gekommenen Bühnentechnik nicht verschließen, so Lübbe. Bei anderen Sanierungsvorschlägen – etwa im Bereich der Toilettenanlagen oder der Gastronomie – ist er zurückhaltend: „Die Notwendigkeit muss angesichts der horrenden Summen hinterfragt werden, ohne dass man gleich als Kulturbanause abgestempelt wird.“
Die SPD-Fraktionschefin im Gemeinderat, Roswitha Blind, hält sich mit einer Bewertung zu den Kosten und dem Umfang der Renovierung und Erweiterung indes zurück: „Wir als SPD haben die Kultur immer unterstützt. Wir müssen aber erst einmal abwarten, bis belastbare Zahlen auf dem Tisch liegen.“

Große Lösung oder kleine Lösung?

Der Stuttgarter Architekt Peter Conradi spricht als ehemaliger Leiter des Staatlichen Hochbauamts aus Erfahrung. „Der Aufwand bei Sanierungen wird meistens unterschätzt. Erst während der Sanierung werden andere als die bekannten Schäden aufgedeckt. Ich würde daher zu sehr sorgfältigen Voruntersuchungen raten, bevor etwas beschlossen wird. Die Erfahrung lehrt, dass dies immer teurer als angenommen wird. Außerdem muss man schauen, was ist zwingend notwendig, also unabweisbar – etwas zur Gewährleistung der Sicherheit –, und was ist nicht unbedingt erforderlich. Je höher man beispielsweise die Technik aufrüstet, desto größer sind die Ausfallwahrscheinlichkeiten“, sagt Conradi. Der 81-Jährige fügt hinzu: „Noch ein Aspekt ist wichtig: das Hochbauamt, das bei der Sanierung des Schauspielhaus schrecklich versagt hat, hat zwar einen neuen Chef, leidet aber unter erheblichem Personalmangel. Auch das wäre bei einer Generalsanierung des Opernhauses zu berücksichtigen.“

„Es steht völlig außer Frage, dass am Opernhaus was gemacht werden muss“, sagt Peter Jakobeit, der Geschäftsführer der Kulturgemeinschaft. „Wir haben wahrlich kein Interesse, dass das Haus über den Zuschauern zusammenbricht. Wie viel das kostet, ist eine politische Entscheidung: Große Lösung oder kleine Lösung? Ich halte es jedenfalls für zwingend, dass die Kulturgemeinschaft frühzeitig in Gespräche eingebunden wird, wir vertreten hier die größte Zuschauergruppe in der Stadt. Bei der Höhe der im Raum stehenden Summe fürchte ich allerdings, dass hier etwas aus dem Kulturhaushalt herausgeschnitten wird und dass das zu Lasten anderer Kultureinrichtungen oder Projekte geht. Es ist nicht auszuschließen, dass dann eine Neiddebatte in der Stadt losbricht“, sagt Jakobeit.

„Ich fände es großartig, wenn sich das Land und die Stadt so ein Projekt leisten würden. Und zwar nicht allein eine Grundsanierung, die lediglich einen reibungslosen Spielbetrieb ermöglicht, sondern eine Ertüchtigung mit Neuanbau, die das Haus in die Zukunft führt. Dadurch könnten neue Publikumsschichten angesprochen werden. Ich glaube, dass eine solche Richtungsentscheidung positive Auswirkungen auf andere künstlerische Sparten hätte, weil sich unter anderem Kooperationen realisieren ließen, die heute nicht möglich sind.“

Und die Erklärung der Kunstministerin Theresia Bauer (Grüne), die dem Verwaltungsrat turnusgemäß vorsitzt? Sie fällt zurückhaltend aus. „Der Verwaltungsrat der Staatstheater Stuttgart hat ausdrücklich ein Gutachten in Auftrag gegeben, das bewusst verschiedene Varianten, Machbarkeiten und Wünschbarkeiten – inklusive des Kostenrahmens hierfür – durchleuchten soll, damit für die anstehende Diskussion und weit reichenden Entscheidungen eine fundierte Basis geschaffen wird“, so Bauer. Abschließend sagt sie: „Nachdem das Gutachten dem Verwaltungsrat Ende März 2014 vorgelegt werden wird, starten wir in den Prozess der Bewertung. Ich hoffe auf eine konstruktive und sachliche Diskussion im politischen und öffentlichen Raum, wenn es um die Zukunft unserer renommierten Staatsoper geht.“