Die Ratsfraktionen begrüßen das Verfassungsgerichtsurteil zu den Sanktionen in den Jobcentern. Dieses entspricht der Vorgehensweise in der städtischen Einrichtung, wie eine Aussprache gezeigt hat.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - In der Landeshauptstadt sieht man sich bestätigt durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das Anfang November drastische Leistungskürzungen für Hartz-IV-Bezieher, die ihren Mitwirkungspflichten nicht nachkommen, als teilweise verfassungswidrig erklärt hat. Inzwischen läuft auch die Umsetzung der neuen Vorgabe. Seit dem 5. Dezember liege eine Handlungsanweisung für die Jobcenter in der Frage vor, sagte Jobcenterchef Jürgen Peeß im Sozialausschuss.

 

„Jetzt wird bei den Sanktionen genauer hingeschaut“, erklärte Peeß. Das entspricht der Einstellung und Praxis der städtischen Einrichtung, die, wo dies möglich war, bisher schon so gehandelt hat. Bei etwa 19 000 erwerbsfähigen Leistungsempfängern habe man im Monatsschnitt etwa 480 Personen gehabt, die mit Sanktionen belegt wurden. Von diesen hätten nach einer Prüfung dann noch etwa 190 Bestand gehabt.

Zwei Drittel sind Meldeverstöße

In etwa 17 Prozent der Fälle seien diese wegen Pflichtverletzungen verhängt worden, etwa weil ein Betroffener eine Arbeit nicht aufgenommen oder wieder aufgegeben habe, sagte der Jobcenterchef. In diesem Fall wurden 30 Prozent des Regelsatzes einbehalten. Mehr ist nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nun grundsätzlich nicht mehr zulässig. Bisher konnten bei wiederholten Verstößen die kompletten Leistungen gekürzt werden.

In 67 Prozent der Fälle handelte es sich in Stuttgart um Meldeverstöße, etwa wenn ein Termin nicht wahrgenommen wurde. Dafür wurden gegebenenfalls zwar nur zehn Prozent der Leistungen gekürzt, die Kürzung konnte sich aber auch in diesen Fällen bei Wiederholung auf bis zu 100 Prozent ausweiten. Und bei jungen Hartz-IV-Beziehern unter 25 Jahren war schon bei der ersten Sanktion „der komplette Regelsatz weg“, so Peeß. Im Wiederholungsfall mussten sogar die Kosten der Unterkunft gestrichen werden. Auch das geht jetzt nicht mehr. Das ist im Sinne des hiesigen Jobcenters. „Das waren schon gravierende Eingriffe in die Lebenswirklichkeit der Menschen“, sagte Peeß. Fälle, bei denen die Leistungen komplett gestrichen wurden, habe es im Jobcenter Stuttgart bei den Jüngeren etwa 13 Fälle im Monat gegeben, bei den Älteren waren es im Schnitt nur fünf.

Geringe Sanktionsquote

Schon aufgrund der bisherigen Praxis lag das städtische Jobcenter bei den Sanktionsquoten deutlich unter dem Schnitt vergleichbarer Städte. Je mehr die Betroffenen die Zusammenarbeit als sinnvoll erlebten, „desto weniger Sanktionen gibt es“, hatte Peeß kurz nach dem Urteil erklärt. In manchen Fällen hatte man zuvor auch noch den Betroffenen angehört zu seinen Versäumnissen und bei plausiblen Erklärungen die Sanktionen wieder aufgehoben. Und wenn die Leistungen ganz hätten gestrichen werden müssen und dadurch womöglich der Verlust der Wohnung zu befürchten wäre, hatte man den Kontakt zu dem Betroffenen durch aufsuchende Arbeit hergestellt. Nach dem Urteil des Verfassungsgerichts gibt es nun eine Härtefallprüfung, ob durch eine Sanktion die Wohnung verloren gehen könnte oder ein Privatinsolvenzverfahren dadurch vereitelt werden könnte.

Die Ratsfraktionen begrüßten das Verfassungsgerichtsurteil, durch welches die bisherige Praxis des Jobcenters gewissermaßen bestätigt wurde. Luigi Pantisano vom Linksbündnis betonte, „Hartz IV hätte gar nicht beschlossen werden dürfen.“