Die Küstenrocker von Santiano sind auf Kaperfahrt und bringen „Mit den Gezeiten“ die EWS-Arena in Göppingen zum Kochen. Sieben geerdete Nordmänner stellen eindrücklich unter Beweis, dass auch in den Adern der Schwaben jede Menge maritimes Blut fließt.

Region: Andreas Pflüger (eas)

Göppingen - Sie haben es gespürt, dass genau dort, wo ihre Bühne stand, vor 60 Jahren noch der Schockensee wogte. „Pete, unser Fiddler, ist da wie ’ne Wünschelrute. Wenn er Wasser oder Whiskey in seiner näheren Umgebung spürt, gibt’s für ihn kein Halten mehr“, sagt Axel Stosberg. Auch sonst fühlte sich der Sänger und Percussionist der Band Santiano in Göppingen sofort heimisch. „Ich hab’ gehört, dass ihr hier jetzt auch eine Wasserschutzpolizei habt. Die verfolgt uns offenbar bis ins Binnenland“, ergänzt er mit breitem Grinsen.

 

Dass es um maritime Besonderheiten in der Hohenstaufenstadt ansonsten nicht allzu üppig bestellt ist – von der Fils und dem Tümpel, der sich Barbarossa-See nennt, einmal abgesehen –, schien die Gute-Laune-Piraten von der norddeutschen Küste aber nicht zu stören. Die Herausforderung, das schwäbische Publikum an Bord der Santiano zu nehmen, meisterten sie mit links.

Begeisterungsstürme im Binnenland

Dass sieben Mann auf dem Parkett der EWS-Arena derartige Begeisterungsstürme auslösen, kommt ansonsten nur bei einer außergewöhnlichen Glanzleistung der Frisch-Auf-Handballer vor. Selbst der Umstand, dass der Innenraum der Halle bestuhlt war, tat der Sache keinen Abbruch. Es brauchte nur einen ganz kurzen Anlauf, dann waren die Sitzgelegenheiten reine Makulatur. Die knapp 3000 Besucher klatschten und tanzten, sangen und johlten. Die Hits der Nordmänner wie „Californio“ „Walhalla“, „Es gibt nur Wasser“ und natürlich „Santiano“ erschallten in einem vielstimmigen Chor. Die Besucher lauschten aber ebenso andächtig den melancholischen Weisen der Matrosen oder den irisch-angehauchten Songs der Band, gerade wenn Pete Sage, der Fiddler an Deck, seine Geige sprechen ließ.

„Das fesselt und infiziert einen so richtig“, sagt der Bartenbacher Markus Vasas. Und sein Bruder Alexander ergänzt kurz und knapp: „Nur geil!“ Elfriede Gairing aus Kirchheim an der Teck räumt ein, „dass ich alles liebe, was mit Wasser und Schiffen zu tun hat“. Santiano biete hausgemachte Musik ohne jeden Schnickschnack, die diese Faszination sehr gut rüberbringe. Der Eislinger Michael Roth, der mit seiner Mutter zum Konzert gekommen ist, findet es klasse, „wie die es schaffen, klaren Rock mit Seemannsliedern zu verbinden“.

Die Küstenrocker haben ihren Spaß

In der Tat ist es ein erfrischender Anblick, wenn 16- und 60-Jährige mit Songs wie „Whiskey in the Jar“ oder „Alle, die mit uns auf Kaperfahrt fahren“ gleichermaßen aus der Reserve gelockt werden. Und dass die Santiano-Hymne „Weit übers Meer“ stimmliche Unterstützung durch Ela, die Frontfrau des Berliner Musikerinnentrios Elaiza fand, trieb den Stimmungspegel nur ein weiteres Stück nach oben.

Zwei Stunden lang zelebrierten die Küstenrocker ihren Auftritt, geizten dabei nicht mit pyrotechnischen sowie allen möglichen anderen Effekten – und hatten ganz offensichtlich selbst ihren Spaß dabei. Das Konzept, die „Sailing-Home-for-Christmas“-Tour in Göppingen zu beginnen, schien komplett aufgegangen zu sein. „Wir kommen sehr gerne wieder“, rief der Frontmann und Bassist Björn Both in die jubelnde Menge, die nach einem Zugabe-Marathon zufrieden nach Hause segelte.

Draußen auf dem Parkplatz, schien es dann fast so, als sei – tief unten – selbst der seit langem zugeschüttete Schockensee ein wenig in Wallung geraten.