Uns begreifen zu lassen, wie es in jenen Ecken der Stadt zugeht, die wir nicht oder selten betreten, das war mal eines der Nebenanliegen besserer amerikanischer Kriminalromane. Sara Gran liefert uns zwar die klassische Ich-Erzählerinnen-Perspektive und schar beschriebene Details, aber das Erzeugen klarer, runder Bilder ist nicht Claire DeWitts Sache. Die Detektivin glaubt an die Sanskrit-Deutung, wir lebten im Kali Yuga, in einem Zeitalter der Verfinsterung, der Zwietracht und des Verfalls. So führt sie uns denn vornehmlich Zerrüttung, Streit und Disharmonie vor, auch in ihrem eigenen Inneren. Am Ende kollabiert Claire – quod erat demonstrandum, sozusagen.

 

Rotzgören in Brooklyn

Die zweite Zeitebene des Romans ist uns schon aus „Die Stadt der Toten“ vertraut. Claire erinnert sich erneut an ihre Jugend in Brooklyn, als sie und zwei Freundinnen die Lehren Silettes umsetzen wollten, als rotzgörige, schulschwänzende Priesterinnenlarven eines bizarren Detektivkults. Wieder geht es um das spurlose Verschwinden eines dieser Mädchen. Diesmal aber gibt es Anzeichen dafür, dass die Geschichte nicht längst auf tragische, wenn auch Claire noch unbekannte Weise abgeschlossen ist. Es scheint sich etwas zu bewegen. Vielleicht ist das Claire-DeWitt-Konzept nicht für eine der Endlos-Serien des Krimimarktes geeignet, aber auf jeden Fall für eine Trilogie.

Die Spannung in „Claire DeWitt and the Bohemian Highway“, so der Originaltitel, entsteht nicht durch das anfängliche Fehlen von Informationen, die von der Ermittlerin mühselig und gegen Widerstände zusammengetragen werden müssen. Laut Silette kennt ein Detektiv die Antwort des Rätsels von Anfang an, er braucht nur mehr oder weniger viel Zeit, sich das einzugestehen.

Spannung und Überspanntheit

Musiker und Chaos

Claire DeWitts erstes Abenteuer spielte in New Orleans, einige Zeit nach Hurrican Katrina. In Teilen der verwüsteten Stadt sah es noch aus, als sei das Wasser erst Stunden zuvor gewichen. In armen Vierteln war das postkatastrophale Chaos der neue Normalzustand geworden. Zu dieser Welt der Auflösung, der Werteverschiebung, der Ruinen passte die quer zur Normalität stehende Detektivin bestens. DeWitt ist eine Einheimische der Unordnung.

In „Das Ende der Welt“ sind Schauplätze und Milieu gewöhnlicher, die Musikerszene von San Francisco und Oakland nämlich. Doch je nasenblutender DeWitt sich der Aufklärung eines zum Raubmord eskalierenden Einbruchs entgegen kokst, desto unklarer wird die Szenerie. Greifbar ist vor allem das Negative: dass zum Beispiel die Karrieren von einst nicht mehr möglich sind, dass das Plattengeschäft kaum noch etwas abwirft, dass auch die Live-Gigs nicht viel einbringen.

Trotzdem gibt es keine tröstliche ökonomische Nivellierung. Vom obdachlosen Punk, der sich von einer Kumpel-Couch zur andern schnorrt, bis hin zu Hipstern mit dickem Erbe, denen prächtige Immobilien und teure Instrumentensammlungen gehören, spannt sich der Bogen der Ungleichheit. Aus der Kneipenwelt, der gemeinsamen Bühne ihres Alternativseins, treten die Figuren hinaus in sehr unterschiedliche Existenzen. Je länger DeWitt sich in diesem Spannungsfeld aufhält, desto übler wird ihr Drogenkonsum, desto größer ihr Schlafdefizit, desto drängender ihr Sendungsbewusstsein, das man auch als Wahnvorstellung diagnostizieren könnte.

Im Zeitalter der Zwietracht

Uns begreifen zu lassen, wie es in jenen Ecken der Stadt zugeht, die wir nicht oder selten betreten, das war mal eines der Nebenanliegen besserer amerikanischer Kriminalromane. Sara Gran liefert uns zwar die klassische Ich-Erzählerinnen-Perspektive und schar beschriebene Details, aber das Erzeugen klarer, runder Bilder ist nicht Claire DeWitts Sache. Die Detektivin glaubt an die Sanskrit-Deutung, wir lebten im Kali Yuga, in einem Zeitalter der Verfinsterung, der Zwietracht und des Verfalls. So führt sie uns denn vornehmlich Zerrüttung, Streit und Disharmonie vor, auch in ihrem eigenen Inneren. Am Ende kollabiert Claire – quod erat demonstrandum, sozusagen.

Rotzgören in Brooklyn

Die zweite Zeitebene des Romans ist uns schon aus „Die Stadt der Toten“ vertraut. Claire erinnert sich erneut an ihre Jugend in Brooklyn, als sie und zwei Freundinnen die Lehren Silettes umsetzen wollten, als rotzgörige, schulschwänzende Priesterinnenlarven eines bizarren Detektivkults. Wieder geht es um das spurlose Verschwinden eines dieser Mädchen. Diesmal aber gibt es Anzeichen dafür, dass die Geschichte nicht längst auf tragische, wenn auch Claire noch unbekannte Weise abgeschlossen ist. Es scheint sich etwas zu bewegen. Vielleicht ist das Claire-DeWitt-Konzept nicht für eine der Endlos-Serien des Krimimarktes geeignet, aber auf jeden Fall für eine Trilogie.

Die Spannung in „Claire DeWitt and the Bohemian Highway“, so der Originaltitel, entsteht nicht durch das anfängliche Fehlen von Informationen, die von der Ermittlerin mühselig und gegen Widerstände zusammengetragen werden müssen. Laut Silette kennt ein Detektiv die Antwort des Rätsels von Anfang an, er braucht nur mehr oder weniger viel Zeit, sich das einzugestehen.

Spannung und Überspanntheit

Die Spannung entsteht aus der Überspanntheit Claires, beziehungsweise, aus Sara Grans erzählerischem Hochseilakt. Geht sie auf Distanz zu ihrer Figur, bekommt sie eine denunziatorische Freakshow. Geht sie zu nahe heran, unterwirft sie die äußere Realität alternativlos Claires Theorien, liefert sie verquasten Schwurbel. Sie kann nur einen riskanten, drahtdünnen Mittelweg suchen, also Claire einerseits die vertraute Semi-Wirklichkeit der Erzählwelt auflösen lassen, andererseits die Realität Claires Weltwahrnehmung als argen Spleen beleuchten lassen. Wer für solche Spiele etwas übrig hat, bekommt dann aber in „Das Ende der Welt“ ein San Francisco gezeigt, das keinen Fingerhut Schnittmenge mehr mit dem von Tony Bennett aufweist.

Sara Gran: „Das Ende der Welt“ (Originaltitel: Claire DeWitt and the Bohemian Highway).Roman. Aus dem Englischen von Eva Bonné. Roman. Droemer, München. 368 Seiten, 14,99 Euro, Auch als E-Book, 12,,99 Euro; als Audiobook, 16,99 Euro; als gekürzter Hörbuch-Download, 11,99 Euro.