Er ist echt ein arroganter Sack. Link und gemein. Sascha Hehn, der in den achtziger Jahren der Traummann aller Frauen war, ist jetzt, mit 58, der Arsch der Nation. Nicht in echt. Nur in seiner Rolle in der neuen ZDF-Serie „Lerchenberg“.

Stuttgart - Er ist echt ein arroganter Sack. Link und gemein. Sascha Hehn, der in den achtziger Jahren der Traummann aller Frauen war, ist jetzt, mit 58, der Arsch der Nation. Nicht in echt. Nur in seiner Rolle. In der neuen ZDF-Serie „Lerchenberg“ spielt er Sascha Hehn, „einen Sascha Hehn, der du ja eigentlich nicht bist“, sagt ein Sascha Hehn, der im Hotel Bayerischer Hof in München sitzt und ein Interview nach dem anderen gibt. Er vermittelt den Eindruck, in sich zu ruhen, genau zu wissen, dass er keinem mehr was beweisen muss. Dem die Professionalität aber nahelegt, über seinen neuen TV-Auftritt Sätze zu sagen wie „es ist eine Herausforderung, sich selbst zu veräppeln“. Eva Löbau, die neben ihm die Hauptrolle spielt, und auch schon in „Inglourious Basterds“ zu sehen war, erzählte eben noch einen guten Witz: Für ihre Mutter sei sie erst jetzt, an der Seite von Sascha Hehn, zur anerkannten Schauspielerin geworden. Sascha Hehn lächelt dazu sein Da-steh-ich-drüber-Lächeln.

 

Er überragt ja auch alle. Er ist so groß, dass man sich fragt, wie er damals in der „Schwarzwaldklinik“ als Udo Brinkmann seine Paradenummer – in den Golf Cabrio hopsen – hinbrachte, ohne sich dabei beide Beine zu brechen. Diese sportliche Macho-Nummer von damals wird für immer an ihm kleben. Das passende Relikt aus dieser Zeit hängt um seinen Hals. Die Kette blitzt unter seiner Sweatshirtjacke mit Kapuze hervor. Alles in allem wirkt das ganz schön berufsjugendlich. Aber er versichert ja ständig, dass er mit dem Altern gar kein Problem hat. Er betont das mit seiner samt-sonoren Stimme, der man so gern zuhört, dass das Gesagte droht, inhaltlich irrelevant zu werden. Und überhaupt sagt es sich natürlich leicht für einen wie Sascha Hehn, der das Lausbubenhafte auch mit einer Falte mehr auf der Wange nicht aus dem Gesicht bekommt.

Geldnöte kennt er nicht

Dabei können weder seine Stimme noch seine 58 Jahre alte verschmitzte Mimik darüber hinwegtäuschen, dass er auch ganz anders kann. Als der Regisseur und der Produzent von „Lerchenberg“ eines Tages vor seiner Haustür standen und ihm diese neue Rolle anboten, dachte er, sie wollten ihn „verarschen“, erzählt Hehn, „ich wollte sie rausschmeißen“. Und wie er das so bedrohlich und hünenhaft erzählt, hat man eine Ahnung, dass es mit Hehn auch, sagen  wir mal, ein bisschen ungemütlich werden kann.

Nun spielt er in „Lerchenberg“ also Sascha Hehn, einen in Geldnöte geratenen Ex-TV-Star, der um ein Comeback im ZDF kämpft – also „alles rein fiktiv“, sagt Hehn physisch und psychisch zurückgelehnt. Er kenne weder Geldnöte noch passe das Wort Comeback zu ihm. Vielleicht muss man einfach nur wie er in Bayern auf dem Land leben, die Tage vergehen lassen mit Angeln, Jagen, Fischezüchten, Golfspielen und Brücken-über-eigene-Gewässer-Bauen, damit man so entspannt wirkt wie andere nach zwanzig Haschischzigaretten.

Das Privatleben ist kein Thema

„Vielleicht ist es der Überblick, den man da draußen hat, man kann sich einfach sein eigenes Bild von der Welt machen“, philosophiert Hehn in einer so nachdenklichen Art, dass der Achtziger-Jahre-Udo aus der „Schwarzwaldklinik“ mit Föhnwelle und der Achtziger-Jahre-Sascha-Hehn mit seinen Verkehrsrowdy-Allüren verblassen. „Man findet zur inneren Ruhe, wenn man sich am Rasen, an diesem Immer-besser-schneller- weiter nicht mehr beteiligt.“

Sascha Hehn hat den Rückzug gewählt. Aus seinem Privatleben erzählt er nur von „seiner Frau“, die Mathematik und Psychologie studiert hat, mit der er schon über ein Jahrzehnt zusammen ist und für die er Fotos von den wartenden Journalisten macht, „damit sie weiß, wo ich heute war“.

Vielleicht auch damit er selbst nicht vergisst, wo er heute war. Denn solche Termine sind im Kalender des Naturburschen rar. „Ich bin nur für das hier da, dann kehrt wieder ganz schnell Ruhe ein“, sagt Hehn. Und weil er nur scheinbar kurz antwortet und nach einer kurzen Pause immer noch viel nachschiebt, sagt er auch noch: „Ich bin kein All-Included-Man. Ich kehre schon morgen in mein Leben zurück.“ Er kann sich Wasser einschenken, gleichzeitig in die Kamera lächeln und antworten, antworten, antworten. In Wahrheit genießt er es, „den ganzen Tag lang mit niemandem zu reden“. Und im Hehn’schen Nachsatz klingt das so: „Die Stille, die liebe ich.“

Ein professioneller Job

Ob Erotikfilme („Hausfrauen-Report“) oder „Traumschiff“, „Schwarzwaldklinik“, „Frauenarzt Dr. Markus Merthin“ – in all diesen TV-Welten rutscht er kantenlos herum wie ein rund gelutschtes Bonbon. Als Bonbon macht er seinen Job professionell. Mit Sascha Hehn dürften alle diese Rollen so wenig zu tun haben wie Serien mit dem wahren Leben. Normal. Schauspieler eben. Nur teilt Hehn sein Schicksal seit Jahrzehnten mit Rosamunde Pilcher.

Er ist der Smarte, der Weichgespülte – 2014 wieder, wenn er als Kapitän auf der Brücke des „Traumschiffs“ steht. Mit solchen Rollen hat er kein Problem. Nur im wahren Leben, lässig im Barocksessel fläzend, will er schon demonstrieren, dass sein Horizont nicht direkt hinter dem „Traumschiff“ endet. Darum muss er im Gespräch betonen, was ihn wirklich umtreibt, auch ungefragt mäht er dafür quer über die Themenwiese: „Wie wir in Zukunft mit uns selbst und mit unserer Gesellschaft umgehen, das beschäftigt mich“, sagt er. Auch, dass er in Angela Merkel eine intelligente Bundeskanzlerin sieht, „sie ist die Einzige, die das Land in die Zukunft führen kann“. Thema Religion: „Sie hat es versäumt, sich der modernen Zeit anzupassen, um wieder glaubwürdig sein.“ Thema Stuttgart 21: „Es war so schön, da rein- und wieder rauszufahren. Immer muss alles schneller gehen. Wer braucht so was?“ Thema Sascha Hehn: „Ich bin ein Hallodri in vielen Bereichen.“ Konkreter wird er nicht. Oder doch?

Am Ende bringt er auf den Punkt, wie er sich selbst am ehesten sieht. Auf die Frage, wer ihm denn näherstehe, dieser eine Sascha Hehn aus dem „Lerchenberg“ oder der Oger „Shrek“, dem er neben Lillebror aus „Karlsson vom Dach“ seine Stimme lieh, antwortet er im Gegensatz zu sonst kurz, prägnant und eindeutig: „Shrek. Wir leben beide im Sumpf und lieben unseren Dreck.“