Der Sänger Sasha hat am Samstag beim SWR-Kulturwasen das Publikum 90 Minuten lang mit Melodien aufgemuntert. Nicht nur alte Hits hatte der Sänger im Gepäck.

Stuttgart - Am Samstagabend geht über dem Cannstatter Wasen die Sonne auf einer Wolkenbank unter, es ist längst kühl, aber Sasha trägt ein tropisch buntes Hemd. Auf dieses „Thomas-Magnum-Gedächtnishemd“ ist er stolz. Er zeigt es her, er tanzt darin. Und er denkt öffentlich über seine Brustbehaarung nach, darüber, ob er sich im Winter einen „Pornobalken“ stehen lassen solle, einen Schnurrbart also. „Auf dem Weg hierher hat es geschüttet“, erzählt Sasha den Besuchern. 1000 von ihnen sind gekommen, manche besetzen die Holzlogen vor der Bühne und sind sicher wärmer angezogen als jene, die in ihren Autos sitzen. Sasha gehört zu den ersten, die in der Coronazeit gegen das Wetter spielen müssen. Wenn der Winter erst da ist – was wird dann aus der Musik?

 

Sasha möchte am zweiten Abend des SWR1-Kulturwasens darüber nicht nachdenken, sondern lieber feiern; er hat die Konzerte vermisst und aufmunternde Wort dabei, und er macht Stimmung. „Die nächsten Zeilen“, ruft er später, „sind für uns: Never give up. Seid ihr dabei?“

Er kann es auf Englisch und auf Deutsch

Sasha, Deutschlands Pop-Sänger mit Schmeichelstimme und Rockabilly-Wurzeln, war der Newcomer des Jahres 2000. Sein Erfolg ist international, seine Alben holten Gold und Platin. Er bedient sich bei R’n B, Soul und Doo Wop, singt oft im Retro-Stil auf Englisch. Aber der 48-jährige Nordrhein-Westfale kann es auch auf Deutsch. Das weiß man, spätestens seit dem Album „Schlüsselkind“ von 2018.

Sasha startet seine Show mit viel Tempo, bringt mit „Good Days“ einen alten Hit und geht dann über zum jüngeren Repertoire, zu Stücken, die „Nichtgeschwindigkeit“ heißen und „Polaroid“ und sich am deutschen Pop der Gegenwart orientieren. Dann singt er „Hide and Seek“, den Titelsong des Films „Die Drei ??? – Das Geheimnis der Geisterinsel“. Selbstverständlich ist er Fan.

Am Ende verwandelt er sich in einen Jazz-Crooner

Begleitet wird Sasha von einer gut aufgestellten Band. Zu Gitarren, Bass, Keyboards, Schlagzeug kommt eine Backgroundsängerin, ein kleiner Bläsersatz, später eine Geigerin bei einem Lied, das Sasha für seine Frau schrieb und bei „Lucky Day“, dem schwungvollen Hit von 2007. Zwischendurch verirrt der Sänger sich in eine Kirche, in einen amerikanischen Soul- und Gospelgottesdienst, eifert zum schwelenden Orgelklang großen Vorbildern nach. Mit „Rooftop“ und „This is my Time“ gibt er nochmal Gas – und will sich dann schon verabschieden.

Natürlich erlaubt das Publikum das nicht. Es erlebt nun, wie Sasha sich in einen Jazz-Crooner verwandelt und mit Mitternachtsstimme ein frühes Weihnachtslied singt: „Coming Home“ heißt es. Er legt den Hit „If you believe“ nach und covert schließlich James Browns „Sex Machine“. Sein eigener Song „Der Junge“ wird dann der wahre Abschied, den seine Band lange und funky feiert. Sasha bekommt das „Riesen-Lichthupenklatschkonzert“, das er sich wünscht. Nach 90 Minuten geht er im Hawaiihemd von der Bühne, und Weihnachten ist Gott sein Dank noch fern.