Die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans hat viele überrascht – auch die Stuttgarter Sozialdemokraten. Doch überwiegt die Zustimmung oder die Skepsis? Wir haben uns bei der SPD hierzulande umgehört.

Lokales: Mathias Bury (ury)

Stuttgart - Die Überraschung war bei den meisten groß, dass Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans die Stichwahl um den SPD-Bundesvorsitz gewonnen haben. Das Ergebnis scheint aber die Stimmung in der Stuttgarter SPD abzubilden, trotz auch skeptischer Reaktionen.

 

„Mich hat vor allem dessen Deutlichkeit überrascht“, sagt Dejan Perc. Sehr zur Freude des Kreisvorsitzenden der Stuttgarter SPD: „Ich finde die Entscheidung richtig gut.“ Perc sieht darin den „Ausdruck eines Wunsches nach Erneuerung“. Angesichts der zuletzt sehr schlechten Wahlergebnisse seiner Partei hält er eine inhaltliche Erneuerung für dringend geboten. Man müsse das Profil der SPD in der großen Koalition schärfen, findet Perc. Seine Forderungen: einen höheren Mindestlohn als Mittel gegen Altersarmut und die Verbesserung des Klimaschutzpakets. Ob das in der großen Koalition aber möglich sein wird, sieht Perc „sehr skeptisch“.

Vielen sehen einen Aufbruch und eine Chance

Auch Peter Schwab, der Vorsitzende des SPD-Ortsvereins Ost, sieht in dem Parteivotum „einen ersten Schritt zu Aufbruch und Zuversicht“. Er verbindet damit zwei Forderungen: „Die Groko muss sich neu erfinden“, sagt Schwab. Und: Die andere Seite in der Partei „muss sich in Solidarität üben“ und die Urwahl anerkennen.

Manfred Kanzleiter, ehemaliger Fraktionschef der SPD im Stuttgart Gemeinderat, hofft, dass nun das Thema „Verteilungsgerechtigkeit“ bei den Sozialdemokraten wieder ins Zentrum gerückt wird. „Ich halte das für eine Chance“, sagt der 75-Jährige. Für ihn ist wichtig, dass Themen wie eine stärkere Regulierung des Arbeitsmarkts zur Reduzierung der vielen befristeten Jobs und des großen Niedriglohnsektors wieder auf die Tagesordnung kommen. Kanzleiter ist dafür, dass die SPD in der Koalition bleibt: „Aber in die nächste Wahl können wir glaubwürdiger mit einer anderen Aufstellung gehen.“

Verständnis für Politik-Enttäuschung junger Leute

In die nächste Bundestagswahl wäre der heutige Fraktionschef der SPD, Martin Körner, am liebsten mit einem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz gegangen. Man könne als SPD-Mitglied nämlich auch Stolz darauf sein, was in den vergangenen zwei Jahrzehnten geleistet worden sei, findet Körner. Ähnlich geht es Helga Solinger, der früheren SPD-Landessozialministerin. „Ich war erst sprachlos“, sagt die 80-Jährige. Wenn Olaf Scholz das Rennen gemacht hätte, „wären die Aussichten sicherer gewesen“, findet Solinger. „Aber jetzt muss man damit leben.“ Dass gerade junge Leute die bisherigen Politik enttäuschend fanden, kann sie gut verstehen. Dennoch hofft Solinger, dass es keine Neuwahlen gibt: „Das wäre gefährlich.“