Zehn Jahre nach dem „Schwarzen Donnerstag“ hat der Satire-Bildhauer Peter Lenk sein Kunstwerk zu Stuttgart 21 fertig gestellt. Hat die Landeshauptstadt auch ein Plätzchen dafür?

Baden-Württemberg: Eberhard Wein (kew)

Stuttgart - Konstanz hat er mit der Hafenschönheit Imperia glücklich gemacht und Berlin mit dem übergroßen Penis des einstigen Bild-Chefs Kai Diekmann an einer Hausfassade („Pimmel über Berlin“) bestens bestückt. Jetzt will Peter Lenk endlich auch Stuttgart heimsuchen. Pünktlich (!) zum zehnten Jahrestag des „Schwarzen Donnerstags“, als der Protest gegen den Tiefbahnhof am 30. September 2010 förmlich von der Straße gespritzt wurde, steht sein Stuttgart-21-Denkmal kurz vor der Fertigstellung. „Im Oktober wird es definitiv aufgestellt“, sagt der Bildhauer. Wo ist noch unklar, aber die Chancen steigen, dass die in Beton gegossene Satire am Ort des Geschehens in Stuttgart zu sehen sein wird.

 

Eine vom Künstler autorisierte Montage zeigt das teils noch als Schattenriss dargestellte Denkmal an einem repräsentativen Platz vor der Kulisse des Stadtpalais. Zumindest vorübergehend könnte es dort unterkommen. Alle statischen Fragen seien geklärt, die Standsicherheit belegt. Nach einem halben Jahr könne das mehrere Tonnen schwere und neun Meter hohe Monument wieder abtransportiert werden. Das gelingt, weil Lenk – anders als die Bahn – den Stuttgarter Untergrund unangetastet lässt.

Das Kulturamt gibt sich zurückhaltend

Direkt am Hauptbahnhof, dem naturgegebenen und von vielen Projektkritikern geforderten Standort, wäre es zu eng gewesen. Das sieht auch Lenk ein. Der Charlottenplatz hingegen passt fast ebenso gut. Das im Palais untergebrachte Stadtmuseum räumt in seiner stadtgeschichtlichen Ausstellung dem Kampf um den Tiefbahnhof breiten Raum ein. Zum Jahrestag des Schwarzen Donnerstags ist dort auch eine Veranstaltungsreihe geplant. Das „Lenkmal“ dürfte dem Museumsdirektor Torben Giese deshalb gut zupass kommen. Zudem bietet es einen schönen Kontrast zum bescheidenen Standbild mit Hunden des württembergischen „Bürgerkönigs Wilhelm II.“, das Giese zum Ärger manch honoriger Kreise verschämt auf die Rückseite des Stadtmuseums abgeschoben hat.

Äußern will sich der Museumsdirektor über Lenks Werk nicht. Die Entscheidung über die Aufstellung obliege dem Kulturamt, lässt er ausrichten. Dort gibt man sich zurückhaltend. Der Bildhauer sei überregional anerkannt. Daher prüfe man sehr genau, wie und wo sein Denkmal Platz finden könne, heißt es auf Anfrage.

Stuttgart ist kein gutes Pflaster

Tatsächlich ist Stuttgart für Lenk ein schwieriges Pflaster, auch wenn er die örtliche Kunstakademie besucht hat, bevor er in Bodman sein Zuhause fand. Am Bodensee, sei er auf ein ahnungsloses, aber aufgeschlossenes Publikum gestoßen, sagt Lenk. Der Stuttgarter Pietismus hingegen konnte immer wenig mit seiner künstlerischer Vorliebe für dicke Männer mit kleinem Gemächt und Frauen mit opulentem Brustumfang anfangen. Als Lenk 1987 ein von ihm erschaffenes Narrenschiff für zwei Tage in Stuttgart zeigen wollte, wurde ihm das vom damaligen Oberbürgermeister Manfred Rommel (CDU) höchst persönlich untersagt. Dabei hatte ihm das Werk zuvor bei der 750-Jahr-Feier in Berlin nicht nur einem Strafzettel über 105 Euro wegen „Abstellens eines Schiffes auf öffentlichem Grund“ eingebracht, sondern auch viel Anerkennung.

Lenk hat aber auch Fans in der Landeshauptstadt, die für die Finanzierung des S-21-Denkmals gesammelt haben. Mehr als 100 000 Euro kamen zusammen. Zumindest die Materialkosten seien gedeckt, sagt Lenk. Von seinen mehr als 3000 Arbeitsstunden wolle er nicht reden – das sei „der Preis der künstlerischen Freiheit“.

Walter Sittler unterstützt das Projekt

Unter den mehr als 700 Spendern sind viele Projektgegner und Prominente. Es gehe nicht um Schuldzuweisung oder Verunglimpfung, sagt der Schauspieler Walter Sittler aus Stuttgart. „Die eigene Position anhand von anderen Ansichten zu überprüfen und gegebenenfalls zu korrigieren – das ist ein Merkmal von Demokratie. Darum geht es bei diesem Kunstwerk. Darum gehört es nach Stuttgart.“

Ob die Stadtpolitik das auch so sieht? Man werde die Frage in jedem Fall mit dem Gemeinderat besprechen, heißt es aus dem Kulturamt. „Wir werden noch in diesem Jahr eine Entscheidung treffen.“ Verzögerungen gehören bei Stuttgart 21 offenbar dazu. Der Künstler will aber loslegen. „In meinem Alter kann man nicht lange warten“, sagt der 73-Jährige. Am Ende dürfte sich wohl kaum einer trauen, öffentlich Nein zur Satire-Plastik zu sagen. Denn das würde die Landeshauptstadt erst recht der Lächerlichkeit preisgeben.