Laurent Sourisseau, der nunmehr alleinige Chef der Zeitschrift Charlie Hebdo, will das französische Satireblatt neu erfinden. Finanzielle Sorgen muss sich die Zeitung keine machen.

Stuttgart - Ein harter Hund ist er nun wirklich nicht. Doch er galt immer als der härtere der beiden Männer, die dem Satireblatt „Charlie Hebdo“ zuletzt als Doppelspitze den anarchistisch-antiklerikalen Weg gewiesen hatten. Und Laurent Sourisseau alias Riss hat ja auch überlebt. Als Terroristen die Redaktion stürmten, warf sich der 48-jährige Zeichner zu Boden, stellte sich tot. Mit einer Kugel in der rechten Schulter wurde er ins Krankenhaus eingeliefert, wo er wenige Tage später mit der linken Hand, die ihm noch zu Gebote stand, wieder zum Zeichenstift griff.

 

Charb, also Stéphane Charbonnier, der als „Charlie Hebdo“-Chef mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit gestanden war als der sich 2009 hinzugesellende Riss, starb im Kugelhagel der Attentäter. Einer der zwölf Toten des 7. Januar ist er. Aber das mit der Härte ist eben relativ. Wenn der nun allein die Verantwortung tragende Riss in diesen Tagen von ausgestandenen Ängsten erzählt und solchen, die ihn einfach nicht loslassen wollen, wirkt er verletzlich.

Im Fernsehen hat er kürzlich die ihn in der Klinik umtreibende Furcht zur Sprache gebracht, die Terroristen könnten Versäumtes nachholen wollen und ihn doch noch umbringen. Er hat Zweifel bekundet, ob „Charlie Hebdo“ je zur gebotenen Leichtigkeit zurückfinden könne. Und er hat der Hoffnung Ausdruck verliehen, möglichst bald mit einem noch zu bestimmenden Kollegen wieder eine Doppelspitze bilden und die Verantwortung teilen zu können.

Die Finanzierung ist auf Jahre hinaus gesichert

Das trotz Mittelscheitels nie ganz gebändigte, in die Stirn fallende Haar schien dem Studiogast willkommener Schutz vor zudringlichen Blicken.  Was nicht heißt, dass der aus der südöstlich von Paris gelegenen Kleinstadt Melun stammende „Charlie Hebdo“-Chef nicht bereits kühne Entscheidungen getroffen hätte. Der Karikaturist, der sich 2006 und 2007 auch mit Illustrationen Sarkozy-kritischer Bücher hervorgetan hatte, will nichts weniger als „Charlie Hebdo“ neu erfinden“.

Nach der Ermordung herausragender Karikaturisten setzt er auf eine neue Generation von Zeichnern, zu deren Ausbildung „Charlie Hebdo“ beitragen wolle. Auch kann sich Riss gut vorstellen, dass das Blatt, ohne seine antiklerikale Stoßrichtung preiszugeben, künftig verstärkt andere Angriffsziele ins Visier nimmt.

Eine Sorge, die ihn begleitet hat, seit er die wegen Leserschwunds 1981 eingegangene Satirezeitung mit ein paar Kumpels 1992 neu aus der Taufe hob, hat Riss nun nicht mehr. Die traditionell wackelige Finanzierung der Zeitung ist auf Jahre hinaus gesichert. Die von den Überlebenden gestemmte erste Ausgabe nach dem Terroranschlag hat mit einer Auflage von sieben Millionen Exemplaren rund zehn Millionen Euro in die leeren Kassen gespült.

Riss selbst hatte in der eine Woche nach dem Massaker erschienenen Zeitung sein Erstaunen darüber bekundet, wie schnell es bergauf, bergab, ja zu Ende gehen kann. Er hatte einen Karikaturisten abgebildet, der im Schweiße seines Angesichts seiner Arbeit nachgeht und ihm die Worte in den Mund gelegt: „Zeichner bei Charlie, das bedeutet 25 Jahre Arbeit.“ Ein zweites Bild zeigte den Überfall auf die Redaktion. „Terrorist, das ist ein 25-Sekunden-Job“, stand daneben.