Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg und sei dieser noch so um die Ecke gedacht. Manchmal dauert’s halt ein bisschen.

Ausblick - 15. Januar: Alles ruht. Auf den zahllosen Straßenbaustellen im Kreis Göppingen geht nichts mehr. Frostige Temperaturen und heftige Schneefälle, die sich über fast zwei Tage hinziehen, bringen die an sich absolut wetterfesten Planungen der Bauingenieure gewaltig durcheinander. Wann es weitergehen kann, ist völlig offen. Das Regierungspräsidium und zahlreiche Kommunen machen – in fast gleichlautenden Pressemitteilungen – „den massiven und um diese Jahreszeit völlig überraschenden Wintereinbruch für die unvorhersehbaren Verzögerungen“ verantwortlich.

 

20. Februar: Aus Mauerstreit wird Vergleichsstreit. Zuerst hatte die Gemeinde Albershausen im Streit über eine auf ihrem Grund und Boden von einem Privatmann errichtete Mauer den richterlichen Vorschlag abgelehnt, ihm das Grundstück billig zu verkaufen. Statt das Geld einzustreichen, schlug die Kommune vergleichsweise vor, die Mauer auf eigene Kosten zu versetzen. Nun mauert der Bauherr. „Ich will nichts geschenkt“, trotzt er und bietet ein Gegengeschäft an. „Die formschöne Hangabsicherung zum nicht von mir überbauten Rest der Frühlingsstraße soll erhalten bleiben. Im Gegenzug würde ich mich verpflichten, die Friedhofsmauer mit meinem Know-how aufzustocken, um den Zwist endlich zu Grabe zu tragen.“ Die Räte wollen nun darüber in Klausur hinter hohen Mauern diskutieren.

7. März: Dunkelheit als Alleinstellungsmerkmal. Die Debatte über die Nachnutzung der alten Klinik am Eichert nimmt noch einmal Fahrt auf. Ein Experte für experimentelle Kunstwohnformen hat die Pläne des Göppinger Unternehmers Johannes Krauter aufgegriffen – und auf den Kopf gestellt. Die vorgesehenen Appartements sollen nun im fensterlosen Zentrum des Gebäudes eingerichtet werden, wo jetzt die Pflege ihre Stützpunkte hat. „Nach Dunkelrestaurants, Dunkelkonzerten und Dunkelausstellungen ist die Zeit reif für Dunkelwohnen“, ist der Fachmann überzeugt. Mit einem derart großen Dark-Living-House hätte die Hohenstaufenstadt ein weltweites Alleinstellungsmerkmal, ergänzt er. Die Verantwortlichen in Stadt und Kreis sind angetan, nicht zuletzt weil die alten Stromleitungen nicht ersetzt werden müssten.

1. April: Zu schön, um wahr zu sein. Was für ein Tag: Die Planungen für den Albaufstieg der A 8 sind abgeschlossen und durchfinanziert. Auf der Filstalbahn fahren alle Züge und das auch noch pünktlich. Die Verantwortlichen des Christophbads und der Alb-Fils-Kliniken arbeiten konstruktiv zusammen. Das Müllheizkraftwerk verbrennt weniger Abfälle als genehmigt. Die neue B 10 bekommt grünes Licht von Bund und Land bis Geislingen-Ost. Der Göppinger Gemeinderat beendet eine sachlich geführte Sitzung pünktlich. Wäre da nur nicht dieses ominöse Datum.

14. Mai: Baustellen-Hauptstadt. Göppingen ist um einen Titel reicher. Nach Berlin und Stuttgart ist jetzt der Titel „Baustellen-Hauptstadt“ unter den Hohenstaufen gegangen. Die goldene Abrissbrine ist der Stadt sicher. Links, rechts und vor dem Bahnhof, in der Bleichstraße, beim Apostel und am Kornhausplatz, oben am Eichert und beim Landratsamt wühlen sich die Maschinen durch den Altbestand. Da der Titel nicht von langer Dauer ist, höchstens fünf bis zehn Jahre, sucht OB Till nun nach weiteren Architekturideen für die Innenstadt.

6. Juni: Kreiselhauptstadt legt nach. Eislingen ist alarmiert. Seit knapp zwei Jahren wurde in der einstigen Kreiselhauptstadt kein Kreisverkehr mehr gebaut. Weil umbaubare Kreuzungen mittlerweile rar sind, werden mehrere Feldwege bei den Näherhöfen sowie die Abzweigung der Straße im Hof in die Straße im Hof, die einzige im Teilörtchen Eschenbäche, kreisrund umgebaut.

18. Juli: Badehose statt Klimaanlage. Die Sanierung des Geislinger Michelberg-Gymnasiums ist abgeschlossen. Weil die erste verbaute Klimaanlage zum Preis von 13 Millionen Euro nicht das tat, was sie hätte sollen, wurde eine bessere und mit 21 Millionen Euro nur unwesentlich teurere installiert, die aber ebenso wenig funktionierte. Jetzt lag ein neues Angebot auf dem Tisch: für schlappe 30 Millionen Euro wäre eine „Super-Heat-and-Frost“ – das Beste auf dem Markt überhaupt – eingebaut worden. Doch der Gemeinderat hat die Notbremse gezogen und stattdessen die Kleiderordnung geändert. Im Sommer dürfen die Schülerinnen und Schüler künftig in Badekleidung zum Unterricht kommen, im Winter mit Skiklamotten.

23. August: Familienfreundlicher Krabbelpfad . Der Landkreis will überraschend familienfreundlicher werden und initiiert den weltweit ersten Krabbelpfad für Kleinkinder. Er windet sich durch das Schockenseegelände vorbei an rostigen Bierdosen, leeren Hamburgertüten und Hundetoiletten. Direkt daneben soll der Parkplatz der EWS-Arena endgültig zum Tuningtreff ernannt werden. Für Senioren wird eine zusätzliche Parkbank aufgestellt.

12. September: Vier-Kranen-Stadt. Göppingen ist um ein Prädikat reicher. Weil vorerst an allen vier Enden der Stadt weiter auf Teufel komm raus gebaut wird, hat ein lieber Herr eines Kranherstellers vier Riesen-Kräne für die Stadt gesponsort. Sie werden beim Bahnhof, an der Sternkreuzung, bei der Bleichstraße sowie an der oberen Marktstraße aufgestellt und decken mit ihren Megaauslegern die gesamte Kernstadt ab. So können ganze Stadtviertel ab sofort noch bequemer abgetragen und neu überbaut werden. Selbst Besucher aus Katar und Abu Dhabi erbleichen vor Neid vor der Vier-Kranen-Stadt unterm Hohenstaufen.

16. Oktober: Besucherstrom versus Brezeltaste. Seit der Gemeinderat wider besseres Wissen beschlossen hat, dass man in der Innenstadt 20 Minuten mit Hilfe der sogenannten „Brezeltaste“ umsonst parken darf, hat der Parksuchverkehr derart zugenommen, dass die Innenstadt endgültig für motorisierte Kunden unerreichbar geworden ist. Bereits ab fünf Uhr in der Frühe blockieren die ersten Frühparker sämtliche Seitenstraßen. Die Hauptstraße trägt ihren Namen wieder zu Recht. Die Feinstaubbelastung an Göppingens Flaniermeile übersteigt jene des Stuttgarter Neckartors mittlerweile um ein Vielfaches. Einsam ragen nur die Spitzen der vier Kräne aus dem Smog. Weil dieses Fotomotiv aber in den sozialen Netzwerken um die Welt geht und Göppingen so noch bekannter macht, will die Stadt vorerst nichts ändern.

6. November: Die Bahn denkt Zukunft. Nachdem die Züge im Filstal, um pünktlich zu sein, mittlerweile weder zum Aus- noch zum Einsteigen halten, haben die Bahnstrategen einen Geheimplan unter dem Arbeitstitel „Haken schlagen“ entwickelt. Der gesamte Nahverkehr wird von Göppingen aus über Bad Boll und von dort durch einen noch zu bauenden Tunnel weiter auf die bald fertig gestellte, aber langfristig nutzlose Schnellbahntrasse umgeleitet. Von dort geht es ratzfatz nach Stuttgart oder Ulm. Sollte Stuttgart 21 im 21. Jahrhundert wirklich noch fertig werden, müsse neu überlegt werden, hieß es aus Bahnkreisen. Bis dahin sollten aber erst mal alle zufrieden sein.

12. Dezember: Neues Rathaus am Eichert. OB Till schlägt in seiner umjubelten Haushaltsrede vor, 2019 das Rathaus wegen Nichterreichbarkeit für Autofahrer aus der smoggeplagten Innenstadt zu verlegen. Der neunte und der vierte Stock der alten Klinik am Eichert wären für eine ohnehin betriebsblinde Verwaltung noch frei.

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