Der Kronprinz Mohammed bin Salman sehe den Iran als Erzfeind und handle entsprechend, sagt Sebastian Sons von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart – - Sebastian Sons ist Associate Fellow bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Sein Buch „Auf Sand gebaut“ beschreibt die Lage in Saudi-Arabien, dem Land, das der Politikwissenschaftler regelmäßig besucht.

 
Herr Sons, Kronprinz Salman spricht Israel ein Existenzrecht zu und stellt das Verschleierungsgebot für Frauen infrage. Ist da ein großer Reformer am Werk?
Auf jeden Fall ist der Kronprinz ein Mann, der für Veränderungen steht. Man muss da allerdings zwischen der Innenpolitik und der Außenpolitik unterscheiden. Mohammed bin Salman hat erkannt, dass das saudische System, das bisher ausschließlich aus dem Verkauf von Öl bestand, so nicht mehr haltbar ist. Also arbeitet er daran, sein Land zukunftsfähig zu machen.
Dazu gehört der neue Umgang mit Frauen?
Es hat sich in diesem Bereich schon einiges getan in den letzten Jahren, viele Regeln sind gelockert worden. Es gibt inzwischen Bereiche des täglichen Lebens, in denen Frauen mit Männern in Kontakt kommen, zum Beispiel im Gesundheitswesen. Es gibt Kassiererinnen und sogar Journalistinnen. Inzwischen ist auch das Autofahrverbot für Frauen gelockert. Das ist vor allem der Erkenntnis geschuldet, dass es ohne Frauen im Wirtschaftsleben nicht geht, und einen öffentlichen Nahverkehr gibt es so gut wie nicht in dem Land. Mohammed bin Salman weiß zudem, dass vor allem junge Leute und ganz besonders Frauen zu seinen großen Unterstützern gehören.
Provoziert das die Gegnerschaft der Alten?
Die Macht des orthodoxen Klerus ist schon in der Vergangenheit immer stärker beschnitten worden. Die ganz große Gefahr droht dem Kronprinzen da nicht. Allerdings steht er natürlich in der Pflicht zu liefern. In Saudi-Arabien gibt es inzwischen Arbeitslosigkeit und Armut. Das will und muss Prinz Salman ändern.
Setzt sich das innenpolitische Reformfeuerwerk auch außenpolitisch fort?
In diesem Bereich ist Salman ein Hardliner. Er hat den Iran als Feind Nummer eins ausgemacht. Alles, was er außenpolitisch unternimmt, muss vor diesem Hintergrund gesehen werden.
Auch die Ankündigung, dass Israel ein Existenzrecht habe?
Auf jeden Fall. Saudi-Arabien sind in der Region die Verbündeten zuletzt abhandengekommen. Vor allem Ägypten ist schwach und hat mit eigenen Problemen zu kämpfen. Da wird es umso notwendiger, einen guten Kontakt zu den Vereinigten Staaten zu pflegen. Und um dieses Ziel zu erreichen, ist es geschickt, Israel gegenüber Zugeständnisse zu machen. Zumal auch Israel im Iran den Erzfeind sieht.
Gelingt es dem Prinzen, seinen Saudis zu erklären, dass die katarischen Brüder böse sind – und Israel nicht so sehr?
Im Augenblick scheint genau dies zu funktionieren – eben über das Bild des Erzfeindes Iran. Salman hat Irans geistliches Oberhaupt, Ajatollah Ali Chamenei, schließlich mit Adolf Hitler verglichen. Die Situation wird jetzt sicher nicht dazu führen, dass Saudi-Arabien demnächst in Israel eine Botschaft eröffnet. Ernst nehmen kann man die Annäherung trotzdem.
Noch ist Mohammed bin Salman der Kronprinz. Wann wird er König?
Das ist die 100 000-Dollar-Frage, die kann niemand beantworten. König Salman hält derzeit seine schützende Hand über den Kronprinzen. Es gibt Spekulationen, dass Salman abdanken könnte und im Hintergrund bleibt, so etwas hat es in dem Land noch nie gegeben. Aber das sind Spekulationen. Sicher ist, dass der Kronprinz schon jetzt faktisch der Herrscher ist.