Seit drei Jahren dürfen an Tankstellen in der Nacht keine Alkoholika mehr verkauft werden. Innenminister Reinhold spricht von einem Erfolg. Mit den Ruhestörungen sei es vorbei. Grünen-Parteichef Chris Kühn setzt auf Prävention, nicht auf Verbote.

Stuttgart - Erfolg oder doch kein Erfolg, das ist die Frage: Innenminister Reinhold Gall (SPD) hat am Dienstag im Kabinett den Bericht über das vor drei Jahren in Kraft getretene nächtliche Alkoholverkaufsverbot vorgelegt. Dieses war noch zu Zeiten der schwarz-gelben Koalition unter dem Ministerpräsidenten Günther Oettinger (CDU) beschlossen worden. Das Verbot umfasst den Zeitraum von zehn Uhr am Abend bis zum folgenden Morgen fünf Uhr. In Supermärkten, an Tankstellen oder Kiosken ist dann – was Schnaps, Wein und Bier angeht – Schicht im Schacht.

 

Aus Sicht von Innenminister Gall hat sich das Verbot bewährt. Hatte die Polizei vor der Neuregelung noch 69 Tankstellen als Einsatzschwerpunkte im Kampf gegen nächtliche Ruhestörung gezählt, sind es jetzt nur noch sechs, die allerdings dem Verbot gar nicht unterliegen, weil sie über eine Gaststättenkonzession verfügen, also ein Bistro unterhalten. Für die Polizei bedeutet das Verkaufsverbot eine Entlastung, zumal laut Gall die von den Kritikern befürchtete Verdrängung der Trinkerszenen in benachbarte Areale nicht eingetreten sei. In dem Bericht heißt es, Tankstellen seien „praktisch kein nächtlicher Einsatzschwerpunkt mehr.“ Gall zieht daraus das Fazit: „Das Verbot hat sich gelohnt.“

Grünen-Landeschef Chris Kühn hingegen verweist auf einen anderen Befund aus der Evaluation des Verkaufsverbots. Die Zahl der alkoholbedingten Straftaten in der Nacht ist nämlich nicht signifikant zurückgegangen. Deshalb gehen ihm Vorschläge aus dem Bericht zu weit, künftig auch den Automatenverkauf oder auch „Alkoholbringdienste“ während der Nacht zu untersagen. „Aus den paar Seiten des Berichts einen weiteren Handlungsbedarf abzuleiten, das erschließt sich mir nicht.“ Kühn schlägt vor, das Thema in einer breiteren Perspektive zu diskutieren. „Man muss noch einmal grundsätzlich über die Wirksamkeit von Verboten und über die Chancen von Prävention reden.“

Der Verband des Kraftfahrzeuggewerbes beklagt laut Bericht den Verlust von mehr als tausend Jobs durch das Verkaufsverbot. Eine Zahl, die Innenminister Gall anzweifelt. Der Verband spreche von einer Schätzung, weshalb er davon ausgehe, dass die Zahl am oberen Rand dessen angesiedelt sei, was überhaupt möglich erscheine. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagt dazu: „Im Zusammenhang mit Drogenmissbrauch können Arbeitsplätze kein Argument sein.“

Was wird aus dem Alkoholkonsumverbot?

Das Kabinett nahm Galls Bericht lediglich zur Kenntnis. Nun soll eine interministerielle Arbeitsgruppe über das weitere Vorgehen entscheiden. Die Arbeitsgruppe war im Frühjahr nach dem von Regierungschef Kretschmann initiierten runden Tisch installiert worden. Anlass war damals die von Gall und Kretschmann beförderte Idee, über das Verkaufsverbot von Alkohol in der Nacht hinaus noch einen weiteren Schritt zu gehen: Demnach soll es den Kommunen erlaubt werden, auf bestimmten öffentlichen Plätzen ein nächtliches Alkoholkonsumverbot zu erlassen. Neben das Alkoholverkaufsverbot träte dann, sofern der Gemeinderat mitmacht, ein Alkoholkonsumverbot.

In Freiburg hat es das bereits gegeben, doch wurde die Regelung vom baden-württembergischen Verwaltungsgerichtshof kassiert. Die Richter befanden, ein solches Verbot bedürfe wegen des schweren Eingriffs in die persönliche Freiheit einer Regelung durch den Landesgesetzgeber. Doch dazu vermochte sich bereits die frühere schwarz-gelbe Koalition nicht durchringen. Die CDU war dafür, die SPD auch, doch die regierte nicht mit, aber die FDP versagte sich dem Wunsch des christdemokratischen Regierungspartners.

In der grün-roten Koalition ist die Gefechtslage noch schwieriger. Denn die Grünen grätschten ihren Ministerpräsidenten ab, und auch Innenminister Gall erlitt auf einem SPD-Parteitag eine Niederlage. In der Not wurde dann der runde Tisch einberufen, und als auch dieser zur Klärung des Streits nichts beitragen konnte, wurde die Arbeitsgruppe installiert. Die verrichtet ihre Arbeit, für Ende des Jahres hat Innenminister Gall ein Ergebnis angekündigt. Der CDU-Innenpolitiker Thomas Blenke aber wirft Gall vor: „Er spielt nur auf Zeit.“