Im Rems-Murr-Kreis leben viele Eingewanderte. Einige brachten im Reisegepäck ihre Instrumente mit. Deren Nachkommen machen Musik und schaffen eigene Sounds – wie der Deutsch-Rapper Savvabien.
Bad Cannstatt, Frühjahr 2024: Malo und Savvabien – so lautet der Künstlername von Savvas Grammatikopoulus – wollen heute mit ihrer Crew den ersten Teil ihres Hip-Hop-Musik-Video-Projektes in den Kasten bekommen. Für die zwei Deutsch-Rapper aus dem Rems-Murr-Kreis ist es die erste Zusammenarbeit: „Wir kannten uns davor eher flüchtig, waren beide auf dem Gustav-Stresemann-Gymnasium in Fellbach-Schmiden. Malo war zwei Klassenstufen über mir, und auf dem Gang haben wir uns manchmal kurz unterhalten“, sagt der 25-jährige Savvabien. Nach der Schulzeit habe man sich aus den Augen verloren: „Doch vor etwa zwei Jahren habe ich eine Instagram-Nachricht von ihm bekommen.“ Nach einem Treffen war klar, dass sie etwas zusammen produzieren wollen: „Das hat sehr gut gepasst. Musik ist letztendlich immer mit Freundschaft verbunden“, sagt Grammatikopoulos.
Savvabien und Malo rappen, grooven, posen
Ein Jahr später stehen sie gemeinsam in einem zugigen Parkhaus. Um sie herum schwirren Kumpels, die die Kameras, das Licht, den Ton und die ganze Aufnahmetechnik im Griff haben. Savvabien und Malo bestreiten den künstlerischen Part. Sie rappen, grooven, posen. Am Ende gibt es diese Sirtaki-Szene. Malo und Savvas legen sich die Arme über die Schulter, und dann probieren sie nebeneinanderstehend wie einst Alexis Sorbas im gleichnamigen Film diesen griechischen Tanz. In der Ferne rattert eine S-Bahn durchs grobkörnige Bild. Zu Beginn von „Rollercoaster“ sieht man die beiden Deutsch-Rapper mit griechischen Wurzeln in Zeitlupe in einem BMW-Cabrio-Oldtimer durchs Bild fahren. Ein paar typische Hilfsmittel aus der Hip-Hop-Trickkiste, das gehört halt auch dazu.
Aber natürlich passen auch die fetten Beats, harten Sounds, schnellen Raps und dieser typische Boom Bap von Malo ins Bild. Wie ein Presslufthammer stößt er seine Reime raus. Im Song-Text selbst geht es – wie der englische Titel schon sagt – um eine Achterbahnfahrt als Sinnbild des Lebens. Um die Höhen und Tiefen, die Niederlagen und die Erfolge. Und ums ewige Hinfallen und das wieder Aufrappeln: „Läge ich nie am Boden, würde ich niemals wissen, wie geil es ist, aufzustehen“, textet Malo. Bei Savvabien hört sich der Sound ruhiger und vielleicht auch etwas abgeklärter an: „Kalter Wind. Doch ich lauf, höre nicht auf. Rollercoaster, es geht auf, heute verwirkliche ich mir meinen Traum“, rappt er.
Immer wieder flackern Neonlichter durchs Bild. Die Szenerie wechselt auf den Cannstatter Wasen. Dort herrscht Volksfest-stimmung. Savvabien und Malo treiben wie Strandgut durch dieses Vergnügungsmeer und diesen irren Budenzauber. Alles verwackelt und verschwimmt vor den Augen. So endet dieser „Rollercoaster-Trip“ fast wie ein schöner Traum. „Tatsächlich ist das unser erfolgreichstes Projekt bisher geworden“, resümiert Savvas Grammatikopoulos. Mit zwei weiteren Kumpels hat er das Video geschnitten, gemixt, gemastert und produziert. „Wir bauen zunächst eine Reihe von Songskizzen. Dann picken wir die besten heraus. Am Ende kümmern sich die beiden Musikproduzenten WLVD und Reviny ums finale Mixen und Mastern. Sie bringen den Song durch diese Feinarbeit auf die passende Qualitätsstufe“, fasst Savvas diesen ganzen Prozess der Herstellung und Postproduktion der Songs noch zusammen.
Mitglied der Schulband des Gustav-Stresemann-Gymnasiums
Vor etwa zehn Jahren als Fünftklässler in der Schule begann Savvabien, Klarinette zu üben. Ein Jahr später fängt er Feuer fürs E-Gitarre-Spiel. Nebenbei macht er aber auch noch im Schulchor mit. Irgendwann spielt Savvabien in der Schulband des Stresemann-Gymnasiums. Über die Fußballvereine, wo er als Jugendlicher bis zur A-Jugend kickt, kommt er zum Hip-Hop: „Da spielten viele Jungs mit Migrationshintergrund, und der eine oder andere hat auch selbst Rap gemacht.“ Das faszinierte ihn.
Mit 16 oder 17 Jahren habe er dann angefangen, selbst Texte und Songs zu schreiben. Sein griechischer Vater hört Led Zeppelin, und seine Mutter malt. Beide unterstützen ihn in seinem kreativen Bestreben: „Meine Eltern haben sich in den 1990er Jahren in Katerini, nahe dem Olymp, kennengelernt. Mein Vater war ein Gastarbeiterkind und kam mit fünf oder sechs Jahren nach Deutschland“, erzählt Savvabien. Er selbst kommt 1998 hier zur Welt. Inzwischen beschäftigt sich der Produzent und Rap-Künstler immer mehr mit griechischer Musik. Er arbeitet gelegentlich mit einem griechischen Produzenten zusammen. Bei dort beheimateten Rappern gehe es mehr um mediterrane Einflüsse in ihrer Musik.
Zudem wendet sich der in Fellbach aufgewachsene Songwriter auch mehr und mehr der traditionellen Musik aus seiner zweiten Heimat zu: „Seit 2020 nehme ich Bouzouki-Unterricht und verwende für meine Songs auch hin und wieder die kleine Baglamas.“ Zuletzt kooperierte er auch mit dem in Winnenden lebenden griechischen Komponisten Christos Sourantanopoulos, der auch die Schule X.S. Music und Bouzouki-Virtuosen leitet: „Christos ist eine große Inspirationsquelle für mich. Unser aktuellster Song ist mit dem 17-jährigen Sänger Marios Tsiligiannis“, sagt Savvabien.
Savvabien und Stanislav Dimitrov am Flügel
Er selbst will sich stilistisch nicht festlegen. Bei der Ausstellung vom Fellbacher Stadtmuseum initiierten „Deutsch is beautiful“ anfangs dieses Jahres wirkte er auch mit und rappte dort in Begleitung von Stanislav Dimitrov am Flügel. Es war ein kultureller Abend irgendwo zwischen Poesie, literarischen Texten, Deutsch-Rap und klassischer Musik. Zuletzt stand er im Juni in der Staatsoper Stuttgart-Nord mit dem klassischen Pianisten Stanislav Dimitrov auf der Bühne. Der 25-Jährige trug dort seinen Song „Lebenslauf“ vor. „Nie mehr wach ich auf, bin in meinem Traum, fliege hoch hinaus, schließe meine Augen, mache sie nicht auf: Deutsch-Rap steht in meinem Lebenslauf.“ Diesen Traum will er in jedem Fall weiterhin leben.