Beim Schachfestival im Kärcher-Auditorium fordert auch der Vorstandsvorsitzende Hartmut Jenner den Europameister heraus – zeitgleich mit 23 anderen.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Winnenden - Nach gut einer Viertelstunde Spielzeit steht Hartmut Jenner auf und schaut mit leicht gerunzelter Stirn auf das Brett, während er sich nachdenklich mit der Hand über das Kinn streicht. Probleme? „Nein, nein, es ist noch relativ offen. Vielleicht bin ich leicht im Nachteil, aber ich spiele ja auch mit Schwarz“, sagt Jenner gelassen, fügt aber an, dass es demnächst, im Mittelteil, sicherlich härter zu Sache gehen werde.

 

Innerhalb weniger Sekunden von Brett zu Brett

Der Vorstandsvorsitzende von Kärcher ist einer von 24 Gegnern, die im Auditorium des Reinigungsgeräteherstellers gegen den russischen Großmeister Ernesto Inarkiev antreten – zeitgleich, wohlgemerkt. Der amtierende Europameister geht dazu von Brett zu Brett schaut meist nur ein paar Sekunden lang hin und macht seine Züge. Seine Kontrahenten hingegen können sich so lange Zeit nehmen, bis der 31-Jährige einmal die Runde gedreht hat.

Das Simultanduell ist einer der Höhepunkte beim „Schachfestival“, das der Bundesligist SK Schwäbisch Hall, zurzeit eine der besten Mannschaften im Land, am Samstag im Kärcher-Veranstaltungszentrum in Winnenden ausgerichtet hat. Die Gegner des Großmeisters seien etwa zu gleichen Teilen unter den örtlichen Schachvereinen, verdienten Spielern des Württembergischen Verbandes und Kärcher-Mitarbeitern ausgewählt worden, sagt Harald Barg, Teamcoach und zweiter Vorsitzender des SK Schwäbisch Hall.

Natürlich habe man auch Hartmut Jenner einen Platz eingeräumt, bei dem man mit der Idee, eine Werbeveranstaltung für den Schachsport bei Kärcher ausrichten zu wollen, sofort auf offene Ohren gestoßen sei. Doch ein „Bauernopfer“ ist der Firmenboss keineswegs gewesen. Bis zur Bezirksklasse habe er aktiv beim örtlichen SC Winnenden gespielt, sagt Jenner, seine beste Wertungszahl in der Weltrangliste war die 1787. Leider komme er heute nur noch selten dazu. Schach sei ein zeitintensives Spiel, eine Partie über vier bis fünf Stunden für ihn nur noch selten drin – höchstens im Flugzeug, auf dem Tabletcomputer.

Großmeister Inarkiev liegt da knapp tausend Wertungspunkte höher. Mit der Zahl 2732 zählt er zurzeit zu den Top-30-Spielern auf dem Globus, die der Weltmeister Magnus Carlsen aus Norwegen mit einem Rating von 2853 anführt. Die Zahlen werden nach Siegen oder Niederlagen bei Turnieren mit einem speziellen Berechnungssytem stets neu angepasst.

Die Partien in Winnenden hingegen werden nicht in die Wertung des Weltschachverbandes eingehen. Dennoch werde der Event in der Fachwelt für Aufsehen sorgen, da ist Harald Barg sicher. Sein Klub hat das Ereignis per Kamera aufgenommen und teilweise ins Internet übertragen.

Neben Inarkiev waren auch Partien der französischen Meisterin Sophie Milliet und des ehemaligen Jugendweltmeisters Maxim Rodshtein aus Israel zu bewundern. Beide traten im sogenannten Blitzschach gegen, wie Barg sagt, „zum Teil bärenstarke Gegner“ an. Während den Profis für jede komplette Partie jeweils lediglich zwei Minuten eingeräumt wurden, durften sich ihre Kontrahenten fünf Minuten Zeit nehmen. Doch die erwies sich für den überwiegenden Teil immer noch als viel zu kurz. „Ich war zu langsam“, räumt etwa Thomas Marschner ein, der von Sophie Milliet keine Gnade erntete, obwohl er sich bei den letzten Bundesligapartien der Damenmannschaft noch als Betreuer um sie gekümmert hatte.

Jenner schafft Remis per Einigung

Auch Hartmut Jenner wäre die Zeit beinahe zum Verhängnis geworden – allerdings aus anderen Gründen. Doch als er aus terminlichen Gründen das Brett verlassen musste, zeigte sich der Großmeister großzügig und einigte sich mit dem Firmenchef auf ein Remis. Verloren musste Ernesto Inarkiev keine seiner 24 Partien geben, außer Jenner schafften aber immerhin vier weitere ein Unentschieden.

Doch nicht nur ihnen wird das Ereignis wohl sicherlich in bleibender Erinnerung bleiben, auch das schachkundige Laien-Publikum dürfte neue Erkenntnisse gesammelt haben. So konnten etwa der 72-jährige Horst Heim und sein siebenjähriger Enkel Laurin aus Rommelshausen Züge der Meister gleich vor Ort mal auf einem der zahlreich bereitgestellten Schachbretter nachspielen. Eines war Laurin eigenem Bekunden zufolge schon vorher klar gewesen: Mit einem „Idiotenmatt“ sei sein Opa, von dem er das Schachspielen gelernt habe, leider nicht zu besiegen.