Der Schadenersatzprozess der Unfallkasse Baden-Württemberg gegen die Eltern des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen geht weiter. Nun liegt ein neues Vergleichsangebot vor. Im Gespräch sind nun 130 000 Euro.

Regio Desk: Oliver im Masche (che)

Winnenden/Wendlingen - Der Schadenersatzprozess der Unfallkasse Baden-Württemberg gegen die Eltern des Amokläufers von Winnenden und Wendlingen geht weiter. Richter am Landgericht haben am Mittwoch ein neues Vergleichsangebot gemacht: Würden die Eltern der Unfallkasse bis 2025 insgesamt 130 000 Euro zahlen, könnte der Fall beendet werden.

 

Bisher standen 50 000 Euro im Raum. Im Gegensatz zu den Anwälten der Eltern lehnte die Unfallkasse diese Vergleichssumme aber ab. Sie verweist auf hohe Behandlungskosten für die Verletzten und für Angehörige der Opfer. Zunächst hatte die Kasse deshalb eine Million Euro gefordert.

Eltern: wir erhalten weiterhin Droh-Emails

Für den Verhandlungstag am Mittwoch hatten die Richter das Erscheinen beider Eltern angeordnet. Sie kamen dennoch nicht. Ihr Anwalt erklärte, dass die beiden E-Mails mit Drohungen erhalten hätten. Ihr Sohn Tim K. hatte am 11. März 2009 in Winnenden und in Wendlingen (Kreis Esslingen) 15 Menschen und sich selbst erschossen sowie 15 weitere schwer verletzt. Die Richter entschieden, dass die Eltern nicht zur Aussage verpflichtet seien.

Im Prozess stehen zwei Fragen im Fokus: Geklärt werden soll, ob der Vater und die Mutter des Amokläufers eine Mitschuld an der Tat haben. Und falls ja: wie viel Schadenersatz steht der Unfallkasse zu?

Hat Mutter Aufsichtspflicht verletzt?

Strafrechtlich ist der Vater Jörg K. bereits zu einer anderthalbjährigen Haftstrafe auf Bewährung verurteilt worden. Die Richter deuten nun an, dass er eventuell auch zivilrechtlich haftbar gemacht werde. Weniger klar sei dies bei der Mutter. Bei ihr müsse geprüft werden, ob sie ihre Aufsichtspflicht verletzt habe. Ihr Sohn war bei der Tat 17 Jahre alt, also minderjährig.

Gehört wurde dazu am Mittwoch ein Zeuge der Polizei. Der Beamte hatte die Mutter am Tag des Amoklaufs gefragt, wie ihr Sohn an Waffen gelangt sein könne. Die Frau sei in Tränen aufgelöst gewesen und habe geschluchzt „Diese Scheißwaffen.“ „Bei dem Gespräch sagte sie aber auch, dass ihr Mann aus Angst vor Einbrechern im Schlafzimmerschrank eine Pistole deponiert habe“, so der Polizist – mit dieser Beretta beging Tim K. die Tat. Damit könnte die Frau gewusst haben, dass ihr Mann die Waffe nicht ordnungsgemäß weggesperrt hatte. Doch zur Aufsichtspflicht zählt die Sicherung gefährlicher Gegenstände vor dem Zugriff von Kindern.

Streitparteien wollen sich eventuell treffen

Angesichts des neuen Vergleichsvorschlags haben die Parteien nun angedeutet, sich zusammensetzen zu wollen. Die Vorstellungen liegen weit auseinander: Die Unfallkasse fordert inzwischen noch 200 000 Euro. Der Anwalt der Eltern sagt, dass seine Mandanten diese Summe nicht stemmen könnten Eine „Schmerzgrenze“ nannte er nicht. Laut dem Anwalt der Unfallkasse sei die Verpackungsfirma der Eltern mittlerweile wohl verkauft. „Bei der Frage nach den wirtschaftlichen Verhältnissen laufen wir gegen eine Wand.“

Die Richter kündigten an, dass man am 29. Mai eine Entscheidung treffe, falls sich die Parteien nicht einigten. In dem Urteil würde dann aber lediglich festgelegt, ob der Vater, die Mutter oder beide eine Mitschuld an dem Amoklauf tragen. Die Schadensersatzhöhe bliebe zunächst offen.