Der Wert für den Schadstoff Stickstoffdioxid steigt in Stuttgart wieder und bewegt sich nur knapp unter der Grenze des Zulässigen. Allerdings ist die Entwicklung nicht überall in der Stadt gleich.

Die Luftqualität in der Landeshauptstadt ist in den letzten Jahren deutlich besser geworden. Beleg dafür sind die teils stark zurückgegangenen Werte für Feinstaub und Stickstoffdioxid an den Messstellen, die in der Regel an hochfrequentierten Straßenabschnitten stehen. 2018 hatte Stuttgart erstmals den Grenzwert für Feinstaub eingehalten, 2020 folgte, allerdings erst nach einem gerichtlich verhängten zweistufigen Diesel-Fahrverbot, die Unterschreitung des Grenzwerts bei Stickstoffdioxid. Der Dauerärger um schlechte Luft, mit dem die Stadt bundesweit Negativschlagzeilen gesammelt hatte und in die Schusslinie der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geriet, schien endlich gelöst. Doch die Entspannungsphase war kurz. 2022 wird man voraussichtlich näher am Grenzwert vorbeischrammen als 2021.

 

450 000 Euro für Luftreinigung

Das Land reagiert auf die prekäre Entwicklung. „Wir sind noch nicht über den Berg“, hatte Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) im August 2020 bei der Übernahme der Filtersäulen am Schadstoff-Hotspot Neckartor vom Hersteller Mann + Hummel erklärt. Zum Jahresende 2020 konnte Hermann mit 38 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft im Jahresmittel Vollzug melden, die Grenze liegt bei 40 Mikrogramm. Für die Reinigungsanlagen, auf dem kurzen Straßenabschnitt immerhin 23 Stück, galt von da an quasi ein Verfallsdatum, das Land stellte Geld für noch zwei Jahre bereit. Der Dauerbetrieb der Luftreiniger verschlingt 450 000 Euro im Jahr, sie laufen mit Ökostrom, betont das Verkehrsministerium auf Anfrage.

Reinigung oder weitere Fahrverbote

Inzwischen ist klar, dass die Bergwanderung andauert, und es ist entschieden, dass die Anlagen über das Jahr 2022 hinaus betrieben werden. Besser gesagt: betrieben werden müssen. Denn die Schadstofffracht nimmt wieder zu. Im Jahresmittel 2021 waren von der Landesanstalt für Umwelt und Messungen (LUBW) in Karlsruhe 35 Mikrogramm Stickstoffdioxid registriert worden. In den zwölf Monaten bis Ende Oktober 2022 sind es 37 Mikrogramm. Die Differenz bis 40 ist genau jene Spanne an Minderung, die den Luftreinigern zugeschrieben wird. Durch An- und Abschaltversuche habe man ermittelt, dass die Filter eine Wirkung von drei bis vier Mikrogramm pro Kubikmeter hätten. Ohne „müssten zwingend alternative Maßnahmen wie beispielsweise weitergehende Verkehrsverbote umgesetzt werden“, sagt ein Sprecher von Hermann. Die wollen nicht mal die Grünen durchkämpfen.

Fahrzeugzahl wächst nach Corona wieder

Woher resultiert der neuerlicher Anstieg beim Stickstoffdioxid? Klar ist, dass die Verkehrsbelastung am Neckartor nach einer heftigen Coronadelle wieder nach oben geht. 2019 wurden dort 59 600 Fahrzeuge pro Tag in alle Richtungen erfasst, 2020 waren es 47 900, 2021 noch 47 300, vom 1. Januar bis 9. November 46 700. In diesem Jahr rollten im gleichen Zeitraum pro Tag 48 900 Fahrzeuge vorbei, ein Zuwachs von rund fünf Prozent. Neben der Menge hätten auch die Verkehrsverhältnisse einen Einfluss, sagt das Ministerium, also zum Beispiel Staus an der Kreuzung. Im März habe es zudem, begünstigt durch das Wetter, eine besonders hohe Stickstoffdioxidkonzentration gegeben. Auch die LUBW nennt „veränderte verkehrliche Abläufe mit verschiedenen Baumaßnahmen und Störungen im Umfeld der Bundesstraße 14“ als einen Grund für die schlechteren Werte. Störungen könnten in den nächsten Jahren zunehmen, denn ein riesiger Abwasserkanal unter der Hauptverkehrsstraße wird durch einen Neubau ersetzt werden. Dann wird es eng, es fehlen Fahrspuren.

Feinstaub praktisch kein Thema mehr

Bessere Nachrichten als für das Neckartor liefert Hermann für die Hohenheimer Straße. Die 20 Filtersäulen dort laufen inzwischen mit deutlich geringerer Intensität, die aktuellen Messwerte liegen bei 33 Mikrogramm Stickstoffdioxid pro Kubikmeter Luft. Nach den Wintermonaten will das Ministerium entschieden, ob man die Säulen wie die in der Pragstraße abbaut. Ihr Betrieb kostet 300 000 Euro im Jahr.

Anders als beim Stickstoffdioxid hält der Rückgang der Feinstaubbelastung an den Messstellen an. In diesem Jahr gab es bisher nur zwei Überschreitungstage, 2021 waren es elf, zugelassen sind 35. Hier könnte der Einbau von Partikelfiltern auch bei Benzinern Wirkung zeigen. Er gehört seit Ende 2018 praktisch zum Standard, um verschärfte Anforderungen zu erfüllen. Noch bessere Reinigungstechnik wäre im Grundsatz technisch möglich und ist mit der Abgasnorm Euro 7 (von Mitte 2025 an) vorgesehen. Sie verteuert die Fahrzeuge. Hersteller und Landes-Wirtschaftsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut (CDU) warnten vor einer Überforderung der Industrie, die im Wandel zum E-Antrieb steckt. Umweltverbände dagegen sehen nach solchen Interventionen die ursprünglichen Ziele der EU zum Gesundheitsschutz als verwässert an.