Weniger als eine Woche nach zwei starken Erdbeben wird Mittelitalien erneut von schweren Erschütterungen heimgesucht. Dieses Erdbeben gilt als das stärkste seit Jahrzehnten. Die Regierung sagt Hilfe zu. Und die Menschen in der Region müssen weiter bangen.

Rom - Mittelitalien ist schon wieder von einem starken Erdbeben erschüttert worden. Das Beben am Sonntagmorgen sei das stärkste im Land seit 1980 gewesen, sagte der Chef des italienischen Zivilschutzes, Fabrizio Curcio. Berichte über Todesopfer gab es bis zum Nachmittag nicht, auch gab es keine Vermisstenmeldungen. „Es wird niemand gesucht“, sagte er. Mehrere Menschen wurden lebend aus Trümmern geborgen. Etwa 20 Menschen seien verletzt worden, es schwebe aber niemand in Lebensgefahr, sagte Curcio.

 

Italiens Premierminister Matteo Renzi sagte den Menschen sofortige Hilfe zu und sprach ihnen sein Mitgefühl aus. „Wir werden alles wieder aufbauen: die Häuser, die Kirchen und die Geschäfte“, versprach der Regierungschef. Er will am Montag im Kabinett über Maßnahmen beraten. In die Entscheidungen sollten auch die Spitzen der betroffenen Regionen und der Zivilschutz einbezogen werden. Papst Franziskus sagte, er bete für die Menschen in der betroffenen Region.

„Es ist alles eingestürzt“

„Es war ein sehr starker Erdstoß“, sagte Cesare Spuri vom Zivilschutz in der Region Marken. „Es ist alles eingestürzt“, sagte der Bürgermeister der kleinen Gemeinde Ussita, Marco Rinaldi, der italienischen Nachrichtenagentur Ansa. In dem Ort hatten bereits die Beben von vergangenem Mittwoch starke Schäden angerichtet. „Ich sehe eine Rauchsäule, es ist ein Desaster, ein Desaster! Ich habe im Auto geschlafen und die Hölle gesehen.“

Auf Fotos waren zerstörte Kirchen und Häuser, Schuttberge und tiefe Risse in den Straßen zu sehen. Fernsehbilder zeigten sogar einen tiefen Riss in einem Berg.

Der Präsident der Region Marken, Luca Ceriscioli, befürchtet Zehntausende Obdachlose. Zudem könne die Zahl der Hilfsbedürftigen auf bis zu hunderttausend steigen, sagte Ceriscioli.

Der Erdstoß gegen 7.40 Uhr am Sonntag hatte eine Stärke von 6,5, wie das italienische Institut für Geophysik und Vulkanologie sowie das Helmholtz-Zentrum in Potsdam mitteilten. Das Zentrum lag nahe der Stadt Norcia, die für ihren mittelalterlichen Kern bekannt ist. Auf der berühmten Piazza San Benedetto stürzte die Basilika aus dem 14. Jahrhundert ein. Am frühen Sonntagnachmittag erschütterten Nachbeben die Region.

Auch in Rom wackelte es

Auch in Rom wackelte es. Die Bürgermeisterin der italienischen Hauptstadt schrieb auf ihrer Facebook-Seite: „Augenscheinlich hat das starke Erdbeben (...) keine schweren Schäden in Rom angerichtet.“ Dennoch sollten die dortigen Schulen am Montag auf ihre Anordnung hin geschlossen bleiben. Die Gebäude würden von Fachleuten untersucht. Vorübergehend wurden am Sonntag die zwei zentralen Metrolinien A und B gestoppt. Mehrere Gebäude wurden überprüft und teils geschlossen - darunter auch zwei Basiliken. Zwei Straßen wurden gesperrt.

Das Beben am Morgen ereignete sich den Experten zufolge in etwa zehn Kilometern Tiefe. Es handelte sich erneut um ein Folgebeben der verheerenden Erdstöße im Sommer rund um das Bergstädtchen Amatrice mit rund 300 Todesopfern, wie der Seismologe Frederik Tilmann vom Deutschen Geoforschungsinstitut in Potsdam sagte. Die Beben regten sich gegenseitig an: „Wir sprechen von einer Erdbebensequenz - also mehreren Beben, die in der Größe etwas variieren, wo aber das größte nicht unbedingt am Anfang steht.“

Bei Betroffenen lösten die erneuten Erdstöße Panik aus. In der Region Marken liefen Menschen aufgeschreckt auf die Straße, wie Ansa berichtete. Das Beben sei deutlich und lange in der Provinz Umbrien und in Städten wie Florenz und Ancona - vor allem in oberen Stockwerken - zu spüren gewesen. Telefonleitungen in dem betroffenen Gebiet waren unterbrochen.

Gefahr ist nicht gebannt

Die Gefahr für die Menschen in der Region sei nicht gebannt, sagte der Seismologe Tilmann: „Es wird natürlich auf jeden Fall zu Nachbeben kommen.“ Auch die Wahrscheinlichkeit eines starken Bebens sei derzeit sehr viel höher als im langfristigen Mittel. „Es ist sicher weise, noch eine Weile wegzubleiben für die Menschen, die das können.“

Erst am Mittwochabend hatten zwei starke Erdstöße die Region in Mittelitalien erschüttert, die bereits vor zwei Monaten von einem verheerenden Beben mit 298 Opfern heimgesucht worden war. Die meisten starben damals im Ort Amatrice, auch dort gab es am Sonntag neue Schäden. Für die Menschen in der bergigen Gegend könnte es zum Vorteil geworden sein, dass sie ihre Häuser schon nach einem der vorherigen Beben verlassen mussten, weil sie zerstört oder einsturzgefährdet waren. Die italienische Regierung schätzte die Erdbebenschäden zuletzt auf rund vier Milliarden Euro.

Das mittlere Italien ist eine derjenigen Regionen in Europa, die besonders häufig von schweren Erdstößen heimgesucht werden. Immer wieder trifft es die bergige Gegend in den Abruzzen. Grund für die Beben sind riesige Spannungen, die sich im Untergrund aufbauen. Denn der „Adriatische Sporn“ - ein Anhängsel der afrikanischen Erdplatte - reibt sich hier an der eurasischen Platte. Auch deshalb haben sich Italiens Mittelgebirge aufgefaltet.