Das Leistungshüten zum Schäferlauf-Wochenende ist ein Freizeitvergnügen für die Hirten. Doch ihr Arbeitsleben ist hart und die Verdienstmöglichkeiten schlecht.

Markgröningen - Jack nimmt die Sache ernst. Der Hütehund gibt am Freitagmorgen alles, um seine Schäfchen zusammen zu halten. Ein bisschen zu viel, findet sein Chef, der Hirte Alois Erhardt: Übertriebene Hektik gibt Punktabzug. Mit dem ersten Platz beim Leistungshüten wie voriges Jahr wird es nach dem temperamentvollen Auftritt wohl nichts mehr, glaubt Erhardt. Aber das ist nicht seine größte Sorge.

 

Am meisten Gedanken macht er sich um seinen Hof zu Hause auf der Alb. Dort wartet der harte Alltag auf ihn. Denn mit einem lockeren Leben voller Freiheit und Müßiggang, wie man es sich gemeinhin vorstellen mag, hat das Schäfer-Dasein wenig zu tun. Nicht selten arbeitet der 47-Jährige 14 Stunden am Tag, kümmert sich auf seinem Hof um die Ställe und den Ackerbau. Und selbst, wenn er mit seiner Herde unterwegs ist, kann er sich nicht auf die faule Haut legen: Er muss schauen, dass das Gras für alle Schafe reicht, dass sie die Wiese gleichmäßig abfressen und genügend Wasser trinken. Nebenher bildet er seinen Hund aus oder zieht einem seiner Wolltiere einen Dorn aus dem Huf, wenn es sein muss.

Leistungshüten – eine Herausforderung für Mensch und Tier

Es hat Erhardt einigen Aufwand gekostet, seinen Betrieb so zu organisieren, dass er am Schäferlauf-Wochenende nach Markgröningen kommen kann. Das Leistungshüten ist eher ein Freizeitvergnügen. Und ein Anlass, „zu schauen, wo man im Vergleich steht“. Der Druck sei groß. Immerhin beobachten einige Hundert Zuschauer und drei Preisrichter in aller Frühe, wie er und sein Hund rund 200 Markgröninger Schafe dirigieren: vom Pferch auf die Weide, durch eine Engstelle auf die nächste Wiese und über eine Brücke zurück zum Pferch. Besonders aufpassen muss Jack, wenn er die Herde an der Straße entlang führt: Emsig läuft er zwischen den Tieren und den Autos hin und her, um seine Schafe vor dem Verkehr zu schützen und sicher zur nächsten Wiese zu bringen.

Für den Rüden dürfte das Leistungshüten stressiger sein als der Alltag: Innerhalb von einer halben Stunde wird ein kompletter Tagesablauf im Zeitraffer dargestellt. „So viele Befehle erhält der Hund sonst an einem ganzen Tag“, sagt der Preisrichter Harald Höfel. Doch für ihn zählen nicht nur die Leistungen des Hütehundes. Es gehe um die Harmonie, um das Zusammenspiel von Schäfer, Hund und Herde, sagt er.

Schafehüten ist in Deutschland aus der Mode gekommen

Diese Kunst verstehen immer weniger, kaum jemand will noch Schäfer werden. Denn der Arbeitsaufwand ist hoch und der Verdienst gering, weil Lammfleisch in Deutschland kaum gefragt ist und Wolle fast wertlos. Haupteinnahmequelle sind Zuschüsse der öffentlichen Hand als Ausgleich für die Landschaftspflege durch die Schafe. Doch auch das reicht oft kaum. Allein in den vergangenen drei Jahren sei der Schafbestand in Baden-Württemberg um 20 Prozent geschrumpft, sagt Höfel, der beim Landesschafzuchtverband aktiv ist.

Doch er hat noch Hoffnung: auf höhere Zuschüsse und passionierten Nachwuchs. Immerhin ein Jungschäfer ist beim Leistungshüten dabei. Mathias Abel hat erst im vergangenen Herbst seine Ausbildung abgeschlossen. Mit seinem Hund Max tritt der 20-Jährige gegen Urgesteine der Markgröninger Veranstaltung an wie Ute Svensson aus Baden-Baden oder Ludwig Gänger, der wegen einer Kinderlähmung auf Krücken angewiesen ist – und am Freitag den letzten Platz belegt.

Ein ungewöhnlich breites Wettbewerberfeld

Mit sechs Berufsschäfern ist das Feld der Wettbewerber so breit wie selten. Trotzdem hat Alois Erhardt Unrecht: Obwohl Jack ungewöhnlich nervös war, landet das Team aus Birkenzell mit 84 von 100 möglichen Punkten wieder auf Platz eins, gefolgt von Werner Creuz aus Balingen und Herbert Schaible aus Aidlingen. Mathias Abele erreicht bei seiner Schäferlauf-Premiere mit 79 Punkten Platz vier.