Mehr Transparenz, mehr Kontrolle: dass will das Landesfinanzministerium bei Nebenjobs erreichen. Über emsige Zuverdiener gab es besonders in der Steuerverwaltung immer wieder Unmut. Nun brechen für sie härtere Zeiten an.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Der Rundbrief an die Belegschaft des baden-württembergischen Finanzministeriums begann mit einem Kompliment. In dem Ressort arbeiteten „viele hoch angesehene Spezialistinnen und Spezialisten“, schmeichelte die Personalchefin. Diese seien als Dozenten oder Ratgeberinnen auch außerhalb der Verwaltung „verständlicherweise sehr gefragt“. Grundsätzlich liege es auch im Interesse der Finanzverwaltung, den Kontakt nach draußen zu halten.

 

Dann aber kam das Schreiben zur Sache. Der Amtschef von Ministerin Edith Sitzmann (Grüne), Ministerialdirektor Jörg Krauss, wolle künftig mehr Transparenz bei der Ausübung von Nebentätigkeiten. Das Ziel: „Ein angemessenes Verhältnis zur Haupttätigkeit ist sicherzustellen.“ Dazu bitte Krauss um Unterstützung. Es folgte eine Übersicht der verschiedenen Arten von Nebenjobs: solchen auf Verlangen des Dienstherrn wie im Prüfungsausschuss für Steuerberater, genehmigungspflichtigen („z. B. Arbeit am Wochenende im Supermarkt“) oder nur anzeigepflichtigen, etwa „Vortragstätigkeit für Steuerberater“.

Steuerabteilung erklärt Verzicht

Schon daraus war ersichtlich, dass die Initiative besonders auf die Steuerabteilung zielte. Dieser galt auch das Lob für eine „bereits erfolgte Selbstverpflichtung“: Sie verzichte „auf entgeltliche Vorträge bei einzelnen Firmen, Beratungsgesellschaften oder Anwaltskanzleien, um von vornherein den Anschein einer Verflechtung zu vermeiden“. Über das starke Engagement einzelner (Spitzen-)Beamter in der Fortbildung von Steuerberatern hatte es in den vergangenen Jahren immer wieder Unmut gegeben, in jüngerer Zeit verstärkt. Auch ein hoher Beamter der Oberfinanzdirektion in Karlsruhe und Professoren der Steuerfakultät an der Beamtenhochschule in Ludwigsburg waren intern in die Kritik geraten: Bei ihren lukrativen Vorträgen für die „Gegenseite“, hieß es, zeigten manche deutlich mehr Engagement als in ihrem eigentlichen Beruf. Dabei verlange der Beamtenstatus doch „vollen persönlichen Einsatz“, früher „Hingabe“ genannt.

Auch die Ministeriumsspitze treibt laut dem Rundbrief die Sorge um, dass durch die Zweitjobs „dienstliche Interessen beeinträchtigt“ werden könnten. Beamte könnten dadurch in einen Konflikt mit Dienstpflichten geraten, ihre Unabhängigkeit verlieren oder nur noch beschränkt einsetzbar sein. Zudem stehe das „Ansehen der öffentlichen Verwaltung“ auf dem Spiel. Genehmigungen könnten aus verschiedenen Gründen verweigert werden – etwa, wenn sich „aus der Person des Auftraggebers, dem Vortragsthema oder aus der inhaltlichen Gestaltung . .. unerwünschte Bezüge zur Tätigkeit beim Finanzministerium ergeben“.

Hohes Honorar gefährdet Unabhängigkeit

Auch eine „hohe zeitliche Inanspruchnahme oder ein sehr hohes Entgelt von einem oder wenigen Auftraggebern“ könnten Dienstpflichten beeinträchtigen, erläutert die Personalchefin. Für den Zeiteinsatz gibt es schon bisher eine klare Vorgabe: Erlaubt ist bis zu ein Fünftel der wöchentlichen Arbeitszeit. Mit Blick auf die „besonders anspruchsvolle“ Arbeit im Finanzministerium, die durch das politische Tagesgeschäft und oft fristgebundene Aufgaben geprägt sei, will die Spitze künftig genauer hinschauen. „Lange oder häufige Abwesenheiten“ könnten Probleme aufwerfen, vor allem Führungskräfte müssten stets ansprechbar sein, Urlaub habe auch wirklich der Erholung zu dienen.

Neu ist die Messlatte für die Höhe des Zuverdiensts: „spätestens ab circa 40 Prozent des jährlichen Endgrundgehalts“ werde künftig besonders restriktiv geprüft; solche Einnahmen könnten „ein Indiz für einen Interessenkonflikt“ sein.

Um all das kontrollieren zu können, verlangt das Ministerium künftig frühere und detailliertere Angaben. Mit einem überarbeiteten Formular – zu verwenden ab 2018 – seien Nebentätigkeiten künftig „in jedem Einzelfall immer im Voraus in entsprechender Differenzierung“ anzuzeigen.

So erhielten die Vorgesetzten alle nötigen Informationen, um ihre Empfehlung an die Personalabteilung zu verfassen. Neu entwickelt wurde auch eine detaillierte Jahresmeldung für die Zusatzjobs: Neben Angaben zu Auftraggeber sowie Zweck und Art der Tätigkeit sei auch der Zeiteinsatz inklusive Vorbereitung und Reise aufzuschlüsseln. Dies ermögliche den Vorgesetzten eine „bessere Analyse“. Die neuen Formblätter waren dem Schreiben gleich als Anhang beigefügt.

Viel Überzeugungsarbeit geleistet

Die neuen Regeln gälten zunächst nur fürs Finanzministerium, sagte ein Sprecher Sitzmanns, würden aber „von den nachgeordneten Behörden übernommen“ – etwa von der Oberfinanzdirektion. Für die Beamtenhochschule in Ludwigsburg sei man nicht zuständig, diese gehöre zum Wissenschaftsministerium. Dort hatte die frühere Rektorin Claudia Stöckle viel böses Blut erzeugt, als sie per Rundbrief an die Professoren auf die Einhaltung der Regeln pochte. Die waren bis dahin vielfach lax gehandhabt worden: Mal fehlten die Genehmigungen ganz, mal waren sie ausgelaufen oder entsprachen nicht dem tatsächlichen Zusatzjob. Auch die Höhe der Einnahmen soll teilweise deutlich über der jetzt vom Finanzministerium fixierten Marke gelegen haben. Stöckle bekam das Durchgreifen schlecht, etliche der Betroffenen betrieben später ihre Ablösung.

Solche Folgen muss Jörg Krauss nicht befürchten, auch wenn sein Vorgehen bereits eine gewisse Unruhe ausgelöst hat. Zum einen kann sich der Amtschef der Rückendeckung seiner Ministerin Edith Sitzmann sicher sein. Zum anderen hat er das brisante Thema, wie man hört, sehr behutsam angegangen – mit vielen Gesprächen und Überzeugungsarbeit.