Die Idylle wäre perfekt: grüne Wiese, weidende Schafe samt Nachwuchs, seltene Pflanzen. Doch die Herde der Schäferin Nicole von Kopp Ostrowski löst auch Unmut aus, denn Hunde müssen wegen der Schafe an die Leine.

Sillenbuch - Schafe, Schafe! Alle herkommen“, ruft Nicole von Kopp Ostrowski. „Kommt, kommt!“ Sie pfeift. Die Schafherde setzt sich in Bewegung. „Die denken jetzt, es geht auf eine neue Weide“, sagt sie und lacht. Ihre Schafe sind zutraulich, die meisten haben Namen. Anuschka, Anja, Anita – und Gina Wild. Letztere habe ihren Namen wegen ihres wilden Aussehens bekommen, erzählt die Schäferin. Jedes ihrer Tiere sei eine eigene Persönlichkeit: „Ziegen sind zum Beispiel total lebensfroh und viel eigensinniger und vorwitziger als Schafe“, sagt sie. In ihrem Kapuzenpulli, die blaue Hose aus festem Stoff in die Matschstiefel gesteckt, die langen dunkelblonden Haare zum Zopf gebunden, steht sie mitten in ihrer Schafherde und krault eines der Tiere am Kopf. Auch ihr ist die Lebensfreude anzusehen.

 

Jeden Tag kontrolliert sie die Zäune, füllt Wasser- und Mineralfutterbehälter auf und untersucht die Tiere auf Verletzungen. Wenn die Weidefläche abgefressen ist, wird umgepfercht. Dann heißt es, neue Elektrozäune abstecken, Wasserbehälter aufstellen und die Herde auf die neue Weide treiben. Drei bis vier Tage bleiben sie an einer Stelle, dann ziehen sie weiter. Auf der großen Wiese mitten im Eichenhain grasen gerade 110 Schafe. Weitere 55 Schafe und 19 Burenziegen weiden am anderen Ende des Naturschutzgebietes – anderthalb Kilometer entfernt.

Kleinkrieg mit Hundebesitzern

Die Strecke legt die Schäferin mit dem Motorroller zurück. Sie hat eine Sondergenehmigung, da sie die Herden täglich kontrollieren und mit Wasser versorgen muss. Das führte am Anfang bei einigen Besuchern zu Unmut. Sie sei mehrmals wüst angegangen worden, berichtet von Kopp Ostrowski. „Einmal hat mir sogar jemand den Weg versperrt und ich bin vom Roller gestürzt.“ Vielen Hundebesitzern sei im ersten Moment nicht klar, weshalb Schafe im Park weiden dürften, sie ihre Vierbeiner aber an der Leine führen müssten, sagt Anja Neupert vom Gartenbauamt Stuttgart. „Der Kleinkrieg mit den Hundebesitzern ist ein Dauerthema.“ Vor freilaufenden Hunden könnten aber die Schafe und vor allem die Lämmer erschrecken und sich im schlimmsten Fall sogar verletzen.

Die Golddistel Foto: Liviana Jansen
Es gibt noch einen weiteren Grund, weshalb sich nur die Paarhufer, nicht aber die Hunde frei über die Wiese bewegen dürfen, wie Wolfgang Wagner vom Amt für Umweltschutz erklärt: „Die Schafe fressen die Pflanzen und somit die Nährstoffe vor Ort ab. Hunde tragen mit ihrem Kot Nährstoffe von außen in das Gebiet.“ Die Nährstoffarmut sei aber wichtig für einen Halbtrockenrasen wie im Eichenhain. Dort wachsen Majoran, Thymian, Oregano, Dorniger Hauhechel, Heidekraut und Golddistel – Pflanzen, die in unseren Breitengraden eher selten sind. Sie brauchen trockenen Boden und Sonne.

Dem Rasenmäher überlegen

Schafe und Ziegen sind hier natürliche Landschaftspfleger. Anders als ein Rasenmäher, der alle Pflanzen abmäht, fressen sie selektiv: Gehölze, Brombeeren und sogar Brennnesseln werden vertilgt, andere Pflanzen bleiben stehen. So lichten sie das Gestrüpp und erhalten damit das Mikroklima des Naturschutzgebietes, in dem auch Eidechsen, Feldgrillen, Schmetterlinge und andere wärmeliebende Insekten leben. Auch an den steilen Hängen sind sie einem Rasenmäher deutlich überlegen. „Deshalb sind wir froh, wieder eine Schäferin gefunden zu haben, die diese Flächen beweidet“, sagt Wagner. Im vergangenen Jahr habe die Beweidung ausgesetzt, in den Jahren zuvor nur unregelmäßig stattgefunden. Dementsprechend sei der Zustand des Naturparks.

Verschiedne Rassen weiden im Eichenhain. Foto: Liviana Jansen
Viel zu tun also für Nicole von Kopp Ostrowski und ihre Schafe und Ziegen. Und das bei jedem Wetter – egal ob Sonne, Regen, Hagel oder Sturm. Dennoch sei das ihr Traumberuf, sagt die Schäferin. „Das große Geld war mir nie wichtig.“ Trotzdem kostet der Unterhalt der Schafe Geld: Zaunmaterial muss beschafft werden und Futter für den Winter. Einnahmen habe sie kaum, da sie keine Fleischproduktion betreibe, sondern sich auf den Erhalt vom Aussterben bedrohter Rassen verlegt habe, erzählt sie. Mit einer kleinen, am Zaun hängenden Spardose hofft sie nun, Spenden für ihre Schafe sammeln zu können.

Die Spaziergänger scheinen sich an die Schafe gewöhnt zu haben. Kindergruppen bleiben stehen und staunen, eine ältere Dame bedankt sich für den „wunderschönen Anblick“ der weidenden Schafe. Immer häufiger gebe es nun auch positive Reaktionen, erzählt von Kopp Ostrowski. Das freue sie, denn sie wolle mit ihren Schaf- und Ziegenherden auch den Menschen im Park etwas bieten. Nur Füttern, das sei verboten.