Die Taktik des FC Schalke 04 vor dem Champions-League-Spiel gegen den FC Basel lautet: sich in die Winterpause schleppen, und dann die Uhren auf null stellen. Diese Taktik kommt vielen Beobachtern bekannt vor.

Gelsenkirchen - Zur Einstimmung auf den Königsklassenschmaus in Gelsenkirchen hat die „Basler Zeitung“ tief in der Vergangenheit gekramt – und ihren Lesern als Aperitif Olaf Thon (47) vorgesetzt. Der einstige Schalker Wunderknabe durfte von Ernst Kuzorra, Stan Libuda und Klaus Fischer schwärmen, vom 6:6 im DFB-Pokal gegen Bayern München, damals vor 29 Jahren, vom sogenannten Mythos Schalke überhaupt. So kurz vor dem Spiel des FC Basel auf Schalke war für das Blatt aus dem Dreiländereck also eigentlich ganz weit vor dem Spiel – beim taumelndem Gegner des Schweizer Meisters hingegen ist es genau umgekehrt.

 

Denn auf dem Berger Feld findet das Leben momentan vorrangig in der Zukunft statt. Spätestens seit der 1:3-Peinlichkeit gegen 1899 Hoffenheim im DFB-Pokal neulich drehen sich die Gedanken im und rund um den Verein fast nur noch um den 21. Dezember, den Tag des letzten Schalker Pflichtspiels 2013. Danach will der Manager Horst Heldt zur Hauptuntersuchung des königsblauen Vehikels schreiten – und es scheint beschlossene Sache, dass der gegenwärtige Trainer Jens Keller dann keine neue Tüv-Plakette bekommt. 

Die Trainerfrage stellt sich nicht

Nachbesserungen dürften in seinem Fall keine mehr gestattet sein – selbst bei einem Sieg über Basel, Schalkes einziger Chance auf das Achtelfinalfinalticket in der Champions League, und bei anschließenden Erfolgen gegen Freiburg und in Nürnberg nicht. Zu verfahren ist die Unternehmung, die mit dem Rauswurf des Schalker Jahrhunderttrainers Huub Stevens und der Beförderung des Nachwuchscoachs Keller vor einem Jahr ihren Anfang nahm. 

Das letzte in diesem Zusammenhang überlieferte Zitat des Aufsichtsratschefs Clemens Tönnies lautet: „Die Trainerfrage stellt sich jetzt nicht – es geht in den nächsten Tagen darum, Siege einzufahren.“ In dem Satz klingt die aktuelle Taktik der Blau-Weißen durch: sich in die Winterpause schleppen, und dann die Uhren auf null stellen. Mal wieder. Das nächste Kapitel in der unendlichen Schalker Trainergeschichte dürfte bald aufgeschlagen sein – jedoch sollte der Manager Horst Heldt bei seiner vorweihnachtlichen Abrechnung die eigene Arbeit ebenfalls eines kritischen Blicks unterziehen.

Die hochgelobte, aber auch erkennbar panikartige Verpflichtung von Kevin-Prince Boateng Ende August war schließlich zugleich das Eingeständnis, es beim jugendlichen Farbanstrich für das Gelsenkirchener Fußballensemble doch etwas übertrieben zu haben. Die Wirkungskraft des deutsch-ghanaischen Mittelfeldspielers hat zudem spürbar nachgelassen, mit seinem lädierten linken Knie macht Boateng inzwischen mehr Schlagzeilen als mit seinen Leistungen auf dem Platz.

Draxler zeigt seine Unzufriedenheit

Und deshalb beschwert sich nun auch jener junge Mann öffentlich, der – nicht zuletzt wegen Boateng – auf seine Leib- und Magenrolle verzichten muss: Julian Draxler. Um den 20-jährigen Nationalspieler herum flattern mit Thomas Schaaf, Marc Wilmots oder Martin Jol längst die Namen möglicher Keller-Nachfolger durch die unruhige Gelsenkirchener Luft, auch wenn der Bremer Geschäftsführer Thomas Eichin gestern verlauten ließ, dass es für den bei Werder zwar entlassenen, aber noch unter Vertrag stehenden Schaaf „keine Anfrage gibt“. Doch weil Julian Draxler gelernt hat, in größeren Zusammenhängen zu denken, verweist er zum Ausklang der „wichtigsten Woche der Saison“ auf ein tieferliegendes Problem des FC Schalke.

„Die Situation ist kritisch“, fiel Draxler zur Flatterhaftigkeit des Teams unter Keller zwar ein – vor allem aber diktierte er dem „Kicker“ in den Block: „Im Prinzip kriegen wir das hier ja schon seit Jahren nicht in den Griff. Das ist auf Dauer sehr frustrierend.“ So viel zum Kardinalproblem des hochverschuldeten Clubs, das sich im Fall eines Ausscheidens gegen Basel wegen fehlender Millioneneinnahmen aus der Champions League verschärfen dürfte. Und dann kam Draxler noch auf das eigene fußballerische Leid zu sprechen. „Ich habe mich“, seufzte der auf die linke Außenbahn verbannte Filigrantechniker, „inzwischen damit abgefunden, dass ich auf der Zehnerposition hier auf Schalke nicht gern gesehen bin.“ Was sich unter einem neuen Trainer natürlich ändern könnte.