Bernd Oswald hat aus seiner kulinarischen Neugier ein Geschäftsmodell gemacht: Mit seiner „Senferia“ aus Neuried in Südbaden ist er mit besonderen Sorten auf den Hype um den Senf aufgesprungen – besonders die schwarze Variante erweist sich als Renner bei den Kunden.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Neuried - Wer hätte gedacht, dass sich um die gelbe Paste auf der Wurst einmal ein kulinarischer Trend entwickelt? Aber Senf ist eben nicht gleich Senf. Seitdem Feinschmecker für jedes Lebensmittel ein besseres finden wollen, ist auch Senf interessant geworden. Mittlerweile trumpft jeder gut sortierte Hofladen mit einem eigenen Produkt auf. Ist ja auch einfach herzustellen, der Naturschutzbund (Nabu) etwa bietet den Naturfreunden im Internet ein Rezept an.

 

Selbst die Großen der Branche sind hellhörig geworden. Der Mostricht-Gigant Löwensenf brachte soeben noch zum Oktoberfest einen Senf aus Hanfsamen auf den Markt. Und Linsenanbauer auf der Schwäbischen Alb wollen künftig Senf als Kletterpflanze für die „Albleise“ und ein neues Geschäftsfeld nutzen.

Der heimische Senfanbau ist zurückgegangen

„Das wäre gut, denn es gibt zu wenig einheimischen Senfanbau“, sagt Bernd Oswald. Der 58-jährige Elektroniktechniker verlor vor zwölf Jahren seine Arbeit in einer Maschinenbaufabrik in St. Georgen im Schwarzwald. Danach gab er sich bedingungslos seiner „unheilbaren Krankheit“ hin, sagt er heute und lächelt so breit er kann. „Die Kulinarische Neugier“ habe ihn letzten Endes zum Senf gebracht und nach etlichen Experimenten hat er in Neuried im Ortenaukreis eine „Senferia“ eröffnet. Zusammen mit seiner Frau Susanne. Sie ist hauptberuflich Schriftstellerin mit einer langen Liste von Romanen, Biografien, Garten- und Natur-, Gesundheits- und Jugendbüchern.

Eines der Werke trägt den Titel „Senf – das geheime Heilmittel der Natur“. Der Stoff, über den das Paar verbunden ist, wird von der Autorin als „ein traditionelles Heilmittel“ angepriesen, „das mehr leisten kann als viele Menschen wissen“. Es stärke Magen und Leber, wirke schmerzlindernd und durchblutungsfördernd, helfe bei Verspannungen, Hexenschuss, Fieber, Bronchitis, Heuschnupfen, bei Kreislaufschwäche und Verdauungsproblemen.

Oswalds Senfe enthalten keine künstlichen Aromastoffe

Heilkundlich unterfüttert, schmeckt vieles bekanntlich noch besser und Bernd Oswald legt Wert darauf, dass sein Senf sich von den industriellen Produkten absetzt. „Wenn ich dort die Liste der Inhaltsstoffe lese . . .“ – sein Gesicht wird wieder ernst. „Was bitte hat Weizenstärke im Senf verloren?“. Nichts, auch dann nicht, wenn sie biologisch ist. „Wir verwenden Senfsaat, Gewürze, Meersalz, Zucker, Essig, Wasser, Kräuter und Früchte“. Ein Test bestätigt, dass dieser Senf ein anderer ist.

Er enthält keine Geschmacksverstärker, künstliche Farb- und Aromastoffe, Konservierungsmittel, Emulgatoren und Quellstoffe. Mit Ausnahmen der honighaltigen seien die Senfe vegan – allerdings nicht „bio“, das käme zu teuer. Wo es geht, werden die Rohstoffe bei regionalen Erzeugern eingekauft, bei Früchten wie Mango und Orange ist das nicht möglich.

Die Herstellung dauert länger, das Mahlwerk ist selbst umgebaut

Zudem werde der Senf „kalt“ hergestellt. Mahlwerk und Abfüllanlage hat der versierte Techniker Oswald für seine Produktionsmethoden umgebaut. Nach dem ersten Schrotvorgang gärt die Maische zwei Wochen, nach der Nassmühle und der Zugabe von Kräutern, Gewürzen und Früchten ruht die Masse noch einmal eine Woche. Im „warmen“ industriellen Verfahren ginge es schneller, aber dabei verlören die ätherischen Öle an Wert und Geschmack. Abgefüllt wird in der Senferia in Gläser mit 150 Milliliter Fassungsvermögen. Kleinere Portionen von 50 Milliliter werden als Probiersets gebündelt. Zum Beispiel ein Senfquartett mit Feige, Mango, Orangen und Pflaumen-Ingwer.

Das Gesamtsortiment der Senferia umfasst 20 Sorten, darunter auch Bärlauch-, Honig- und Merrettichsenf. Es gibt milden und scharfen Senf, feinen und groben. Letzterer eignet sich bestens für Bratenkruste. Der mittelscharfe „Landsenf“ ist der Renner. „Ein Klassiker für Wurst, Fleisch und Käse“, erklärt der Hersteller. Die fruchtigen Sorten sind vielseitig einsetzbar – in der Salatsauce oder zum Kochen. „Passt gut zu asiatischen Gerichten“, erklärt Oswald.

Der schwarze Senf ist bei den Kunden besonders beliebt

Auf einige seiner Spezialitäten ist Bernd Oswald besonders stolz. Verschmitzt zieht er ein Glas mit rabenschwarzem Inhalt aus der Schublade. Schmeckt wie Senf, ist Senf – aber gefärbt mit Pflanzenkohle. „Da sind die Kunden richtig scharf drauf“, sagt der Produzent selbst ein wenig verwundert. Den schwarzen Senf hat er zuerst für ein Feinkostgeschäft auf der Nordseeinsel Amrum hergestellt und als „Möwenschiet“ etikettiert. Ein Renner für Touristen. In Südbaden heißt das Schmankerl „Schwarzwälder Senf.“ Im Moment tüftelt er an einen „Sanddornsenf“. Die „unheilbare Krankheit“ hat Bernd Oswald allem Anschein nach fest im Griff.