Scharping bringen auf ihrem Debütalbum „Unser Charping“ Disco, Hardrock, New Wave, Deutschpop und Minnegesang durcheinander. Die eine Hälfte dieser Indiepop-Supergroup bilden die Ex-Stuttgarter Kevin Kuhn und Angelo Fonfara.
Mal nimmt man im „Nachtzug nach Neapel“ Platz, der im Dreivierteltakt dann doch bloß bis nach Osnabrück kommt. Mal tanzen Urzeitviecher in „Die Dinosaurier, bitte!“ so lange zu funky groovendem New Wave, bis mit zauseligem Progrock ein Komet einschlägt. Mal wird in der Ballade „Alles gut“ zwischen Speedway und Stau, zwischen „miez, miez“ und „wau, wau“ nach einem richtigen Leben im falschen gesucht. Und mal lässt „The Power of Love“ kokett die Frage offen, ob hier Frankie goes to Hollywood, Jennifer Rush oder Huey Lewis & The News Pate gestanden haben.
„Stuttgart war richtig krass. Das war einmal“
Man weiß nie, was als Nächstes passieren wird, nichts ist sicher in diesem exzentrischen Popkosmos aus 13 Verwirrspielen, den dieses Album namens „Unser Charping“ beherbergt, das Debüt des Quartetts Scharping. So eine Band kann nur im Berliner Hipster-Biotop Friedrichshain gedeihen und erblühen. Allerdings ist die Hälfte der Schrulligkeit aus Stuttgart importiert. Kevin Kuhn kennt man vor allem als Schlagzeuger der Band Die Nerven, aber auch als Mitglied der Wolf Mountains und als Aushilfs- und Gelegenheits-Drummer von so sämtlich jeder Band, die irgendwann mal im Wagenhallen-Umfeld entstanden ist. Seit einiger Zeit lebt er nun in Berlin. Dorthin ist schon Jahre früher Angelo Fonfara von Stuttgart aus gezogen. „Ich war schon seit längerer Zeit nicht mehr in Stuttgart“, sagt Fonfara, „aber alles, woran ich mich noch erinnere, gibt es nicht mehr: die Röhre, das Rocker 33, den Kellerklub oder das Zwölfzehn.“ Und auch Kuhn wird beim Thema Stuttgart nostalgisch. „Das Stuttgart der Jahre zwischen 2005 bis 2010 war richtig krass. Da gab es so viele lokale Bands, so viele verschiedene Genres. Das war einmal.“
Ein wunderbares Durcheinander an Genres und Stilen
Weil es nirgendwo so viele Auftrittsmöglichkeiten für Bands gibt wie in Berlin und dort auch die Proberäume noch einigermaßen bezahlbar sind, ist es kein Wunder, dass es alle Musiker dorthin zieht. Und so sind Kuhn und Fonfara nun zusammen mit Jermain Herold und Christian Heerdt Scharping. Seit 2017 gibt es die Band. Und einige Demokassetten und spektakuläre Shows später – etwa beim Reeperbahn-Festival, aber auch in Stuttgart – ist jetzt endlich das Debütalbum von Scharping erschienen.
Indierock-Gemischtwarenladen
Auch die vier Männer, die in dem Indierock-Gemischtwarenladen namens Scharping an der Theke stehen, sich sowohl als Songwriter als auch als Sänger immer wieder abwechseln, passen eigentlich nicht wirklich zusammen – zumindest, was ihren Musikgeschmack angeht. Hier treffen Vorlieben für Elektropop, Jazz, R’n’B, schrammeligen Indie, lärmenden Noiserock und obskuren Metal aufeinander. „Ich glaube aber“, sagt Kuhn, „uns ist gemeinsam, dass wir alle so eine Affinität zu den Radio-Pophits aus unserer Kindheit, zu One-Hit-Wundern aus den 80ern und 90ern haben.“
Kaffeetrinken mit Lars Eidinger
Scharping: Unser Charping
Band
Kevin Kuhn (Die Nerven), Angelo Fonfara (Nille Promille), Jermain Herold (Lost Girls) und Christian Heerdt (Botschaft) sind Scharping und damit fast so etwas wie eine Indiepop-Supergroup. 2019 haben sie die EP „Powerplay“ mit so wunderbaren Titel wie „Hey Jan Böhmermann, schaff doch mal den Alk jetzt ran!“ oder „Wodka Lemon (Miami Shice)“ veröffentlicht.
Album
„Unser Charping“ (Glitterhouse), das im April erschien, ist ein Kuriositätenkabinett, das in der Tradition der abstrusen Popexperimente von Frank Zappa oder Ween steht. Hier trifft New Wave etwa auf Hardrock und Hip-Hop auf Minnegesang.
Konzerte
Wer Scharping live hören will, muss vorerst noch nach Berlin reisen. Im Indierock-Club Schokoladen feiert die Band am 21. Mai die Album-Release-Party. Kevin Kuhn kann man mit den Nerven am 12. Juni beim Maifeld Derby in Mannheim und am 21. Juni in der MHP-Arena in Ludwigsburg (dort im Vorprogramm der Einstürzenden Neubauten) erleben.