Halloween steht vor der Tür. Anstatt sich vor modernen Horrorfiguren gruseln, reicht oft schon ein Blick in die Chroniken der Altkreisgemeinden. Hier schlummern allerhand schaurige Geschichten – Wahrheitsgehalt nicht garantiert.

Hinterhältige Morde oder schicksalhafte Affären sind in Spukgeschichten oft die Wurzel allen Übels. Auch in Gerlingen: Dort befand sich einst die Burg Richtenberg, die um 1226 erbaut wurde. „Die Burg stand in etwa dort, wo heute der Löwe auf dem Schlossberg ist“, erklärt Klaus Herrmann, Leiter des Gerlinger Stadtarchivs.

 

Eben jene Burg soll auch der Schauplatz einer schaurigen Geschichte sein, welche die Dichterin Mina Schleehauf 1919 für die „Glems- und Würmgauzeitung“ niederschrieb. Laut dieser Erzählung hauste auf der Burg einst ein Graf mit seiner Edelfrau Gera. Die Gräfin wollte eines Nachts mit dem Ritter Kornelius durchbrennen – der Burgherr aber wurde von einem Diener gewarnt und stieß die beiden Liebenden aus Wut über die Schlossmauer und in den Tod. Als Geist solle der Ritter nun sein Unwesen treiben, sagt Herrmann. „Man erzählt sich auch, der Ritter würde heute noch als Geist ohne Kopf nachts auf einem Schimmel in der Gegend der Solitude reiten.“

Der Gerlinger Ritter ist derweil nicht der einzige kopflose Reiter des Altkreises: In Weissach etwa sollen Anwohner einst einen französischen Offizier ermordet und im Garten verscharrt haben. Seinen Geist habe man daraufhin öfter in Weissach gesehen – bis viel später bei Bauarbeiten ein Skelett gefunden und christlich begraben wurde. Bei Rutesheim soll nachts der kopflose Geist eines grausamen Landherren mit dem Spitznamen Deisele umhergeritten sein. Auf Leonberger Gemarkung erzählte man sich von einem kopflosen Reiter, der des Nachts den Weg hinauf zum Galgenberg im Längenbühlwald versperrte. Und auf der Bahnstrecke zwischen Zuffenhausen und Korntal soll einst ein Mann von einem Zug überrollt worden sein, der fortan so manchem Korntaler mit seinem Kopf unter dem Arm erschien.

Zu Tode gegruselt

Dass es bei Renningen, auf der Anhöhe oberhalb des Wasserbachs, einmal eine Burg gab, ist gesichert – unklar ist aber bis heute, wo genau die Maisenburg einst gestanden hat. Mindestens genauso mysteriös wie die Standortfrage sind auch die zahlreichen Legenden, die sich um die Burg ranken. Eine der bekanntesten Sagen handelt von einem wertvollen – und tödlichen – Schatz, sie ist beschrieben im Heimatbuch für den Bezirk Leonberg von Johannes Binder aus dem Jahr 1924.

Demnach sollen die Raubritter, die auf der Burg gelebt haben, von ihrem Schlossherren nur einen Hungerlohn bekommen haben. Um das wenige Geld betrog der Herr seine Untertanen dann obendrein beim Kartenspiel. Das aufbewahrte Geld soll der Legende nach auch nach der Zerstörung der Burg noch dort geschlummert haben. Einige junge Leute versuchten den Schatz zu heben. Einer von ihnen wurde am Seil in das Rüstloch hinunter gelassen. Als die Freunde ihn allerdings wieder hochzogen, war er kreidebleich, berichtete von Gerippen, die an einem gedeckten Tisch saßen und von schrecklichem Modergeruch. Er starb wenig später an seinem Schrecken.

Ähnlich erging es laut der Oberamtsbeschreibung Leonberg von 1930 auch einem Lehrer aus Mönsheim: Der habe im Jahr 1680 einen Geist gesehen, heißt es. Sein kurz darauf folgender Tod sei im Mönsheimer Totenbuch „auf Angst vor diesem Gespenste zurückgeführt“ worden.

Rumpelstilzchen im Hauerloch

Schaut man bei einem Spaziergang im Glemstal nach oben, erblickt man im Muschelkalk einige Höhleneingänge – und damit den Schauplatz legendärer Leonberger Sagen. So soll es sich zugetragen haben: Ein frischverheiratetes Paar wollte die unterhalb des sogenannten Hauerlochs gelegene Mühle kaufen, hatte dafür aber kein Geld. Ihr Weg führte sie zu einem reichen Zwerg, der im Hauerloch hauste. Der war bereit, ihnen das Geld zu geben – verlangte jedoch die erstgeborene Tochter zur Frau. Seinen Namen verriet der Zwerg dem jungen Paar nicht. Als viele Jahre später die Hochzeit nahte, belauschte die künftige Braut den Zwerg, fand seinen Namen heraus – der „Erdmann“ lautete – und verbannte ihn damit für 500 Jahre in die Unterwelt.

Doch damit nicht genug: Im Jahr 1690, so wird es im Buch „Ein Streifzug durch Eltingen“ beschrieben, führte ein Geist mehrere Reiter in stockfinsterer Nacht beim Hauerloch vom Weg ab, sodass sie eine steile Felswand hinunterstürzten. Mindestens einer der vier Reiter ist dabei gestorben.

Obacht vor dem Butzenweible

Mythen und Legenden leben davon, dass sie von Mund zu Mund durch die Generationen getragen werden. So manch eine Spukgeschichte gibt es deshalb auch in mehrfacher Version – etwa die vom „Butzenweiblesnest“. Im Buch „Leonberg“ des Autors Franz Bühler aus dem Jahr 1954 wird etwa nacherzählt, dass einst eine ledige Eltingerin ihr neugeborenes ermordete und beim „Weidegarten“ vergrub. Im Volksmund sei diese Stelle fortan „Butzenweiblesnest“ genannt worden. In „Ein Streifzug durch Eltingen“ aus dem Jahr 1982 ist das Nest eine Wiese im oberen Glemstal. Dort solle in „mondhellen Nächten“ das Butzenweible umgehen – der Geist eines einst ledigen Mädchens, das, von der Mutter gequält und unter Druck gesetzt, das eigene Baby im Wald erdrosselte und sich an derselben Stelle später das Leben nahm. In der Sage um das Weible soll es hier nachts nach dem Kind suchen.

Ein Fünkchen Wahrheit könnte in diesem Märchen dennoch stecken: In den Eltinger Kirchenbüchern ist ein Fall aus dem Jahr 1680 dokumentiert, bei dem eine Frau tatsächlich das Neugeborene ihrer ledigen Tochter getötet hatte und dafür auf dem Längenbühl hingerichtet wurde. Dieser Kriminalfall, gepaart mit bereits bestehenden Märchen von Waldgeistern und buckligen Hexen, könnte zur Entstehung des Mythos „Butzenweible“ geführt haben. Ähnliche Geschichten gibt es derweil auch anderswo: Um das Münchinger Schloss etwa soll eine Frau herumgeistern, die ihr Kind im Schlossgraben ertränkt haben soll, erzählt Andreas Walter, Leiter des Korntal-Münchinger Stadtarchivs.

„Hoi-Hoi“ hallt es durch den Wald

Weiße Frauen, alte Burgherren, Ritter – all diese Figuren sind als Geister oft gesehen und gehört. Ebenso beliebt: Der Mönch. In der Oberamtsbeschreibung Leonberg von 1930 etwa heißt es, dass einst ein Kapuziner im Höfinger Schulhaus gespukt haben soll, „Ferner sollten in den Pfarrhäusern in Mönsheim und Flacht alte Pfarrer oder Kapuziner erscheinen“, steht dort weiter.

Berühmt ist in Merklingen derweil der „Hoi-Hoi“, der Geist eines falschen Mönchs, der nun als Waldschrat sein Unwesen treibt. Alles begann mit einem Disput um den Kugelbeerwald bei Merklingen: Der hatte eigentlich den Heimsheimern gehört, die ihren Nachbarn stets erlaubten, in dem Wald Holz und Laub zu sammeln. Daran gewöhnten sich die Merklinger wohl ein wenig zu sehr – und erhoben Anspruch auf den Wald.

Zur Verhandlung unter der Kätterleseiche holten die Merklinger einen scheinbar belastbaren Zeugen hinzu – einen vermeintlichen Mönch vom Kloster Herrenalb, das damals auch Merklingen verwaltete. Vor den versammelten Delegationen verkündete der Mönch: „So gewisslich ich den Schöpfer über meinem Haupte habe, so gewisslich habe ich Merklinger Erde unter meinen Füßen!“ Der Wald ging an die Merklinger – und die Seele des falschen Mönchs, der für seinen Auftritt Merklinger Erde in seine Schuhe gestreut hatte, war fortan an den Wald gebunden.

Predigt für die Geister

Im 18. Jahrhundert waren zwei Männer mit dem Nachnamen Knoderer hintereinander Pfarrer in Eltingen. Einer von beiden, so heißt es im Eltinger Heimatbuch von Konrad Fröschle aus dem Jahr 1982, ging des Nachts einer eher ungewöhnlichen Beschäftigung nach. In der Eltinger Kirche soll er den Geistern gepredigt haben. Seiner Haushälterin nahm er das Versprechen ab, ihm nicht zu folgen.

Die Neugier in ihr siegte aber, sie entdeckte die nächtliche Predigt – und „Knoderer soll die größte Mühe gehabt haben die Geister zu beruhigen“, heißt es in dem Heimatbuch. Im 18. Jahrhundert habe man sich viel mit Okkultismus beschäftigt, steht dort geschrieben. Das zeigt auch eine Geschichte aus einem Heimatbuch von 1954. Demnach hatte sich ein Leonberger im 17. Jahrhundert zu einem „Teufelsbeschwörer“ bei Tuttlingen aufgemacht, um „über verlorenes Geld Aufklärung zu erhalten.“