Wenn einer jahrelang Feldforschung in Sachen schwäbischer Mentalität betrieben hat, dann der Kabarettist Christoph Sonntag. Jetzt ist sein 13. Buch erschienen.

Stuttgart - Meine Damen und Herren, liebe Freunde“, hebt der Schriftsteller an: „Ihr dürfet alle näher komma.“ Im Café des Buchhauses Wittwer recken sich die Hälse über dem Cappuccino. Aber man bleibt lieber sitzen und beäugt das kleine Grüppchen drüben an den Stehtischen argwöhnisch. S’könnt ja was koschta. Hätte Christoph Sonntag für die Vorstellung seines neuen Schwaben-Buches eine bessere Illustration finden können?

 

Der Kabarettist gehört zu den fleißigsten Buchautoren im Land. Auf 13 Stück hat er es bisher gebracht, und dieses sei definitiv sein bestes, meint er völlig unbescheiden. Auf jeden Fall ist es das erste, das nicht im regionalen Kleinverlag, sondern bei Heyne in München erscheint und bundesweit funktionieren soll. Will heißen: Der Rest der Republik soll erfahren, „wie die weltweit verbreiteten und oft belächelten Bewohner des Ländles wirklich ticken“.

Subjektives Schwaben-Lexikon

Das führt für lokale Leser auf 260 Seiten zu zahlreichen Wiederbegegnungen – mit Klischees, Bonmots und Zeitgenossen von Vincent Klink bis Jürgen Klinsmann. Für Ortsfremde bietet Sonntags subjektives Schwaben-Lexikon eine Sammlung von hübschen Details wie dem „kuhwarmen Trollinger“, von Witzen und Kurzporträts. Er selbst spricht vom „Angeberbuch, das uns in unserer ganzen Großartigkeit zeigt“.

Den Auftrag dazu bekam er Anfang des Jahres, das Manuskript war im Mai fertig. Ein Schnellschuss also. Aber, um im Bild zu bleiben, mit der Munition zahlloser Auftritte. Seit Januar ist Sonntag mit seinem zehnten Soloprogramm unterwegs. In den Spielpausen (und im Buch) wirbt er eifrig für seine „Stiphtung“ zu Gunsten des Max-Eyth-Sees und diverser Kinderprojekte sowie für seinen Auftritt als Fastenprediger Bruder Christophorus am Aschermittwoch in der Alten Kelter in Fellbach.

Es geht also doch. Und Alfred Biolek, wie Sonntag in Waiblingen aufgewachsen, hatte Unrecht, als er dem jungen Kollegen in den 80er Jahren beschied, er müsse fürs Fernsehen hochdeutsch arbeiten. Schwäbisch habe leider keine Zukunft.

Kretschmann: Deutschlands berühmtester Provinzpolitiker

So schreibt Sonntag in seiner Einleitung und damit setzen sich in der Folge auch seine Gastautoren auseinander. Der EU-Kommissar und Ministerpräsident a. D. Günther Oettinger betont, er habe ob in Tübingen, Berlin oder München „weitgehend gleichbleibend, vielleicht etwas zu schnell, kommuniziert“. Der Entertainer Harald Schmidt erzählt von einer Begegnung mit einem Stuttgart-21-Gegner, der ihn für seinen „Zünissmus“ kritisiert habe: „So mag ich uns Schwaben. Wir sind Weltklasse, wenn wir pingelig, eifrig, tüftlerisch, rechthaberisch und mit geballter Faust von der Halbhöhe heruntersteigen.“

Ministerpräsident Winfried Kretschmann – Eigenbeschreibung: „Deutschlands berühmtester Provinzpolitiker“ – rühmt die schwäbische Dialektik („ tu amol gschwend langsam“) als unseren Beitrag zum Verständnis einer widersprüchlichen Welt. Interessant auch der Beitrag des Grünen-Bundesvorsitzenden Cem Özdemir, der mit seinen Kindern offenbar vor allem schwäbische Höhlen bereist und vom einstigen Nacktbaden in den Gönninger Seen erzählt. Dem Vorlauf für ein Buchprojekt ist geschuldet, dass er mit seiner VfB-Prognose knapp daneben liegt: „Jetzt wo der Meistermacher Armin Veh wieder daheim ist, wird sowieso wieder alles gut.“

Quasi als Replik fungiert Frage 15 des angehängten Preisrätsels: Warum gehen viele Schwaben immer noch zum VfB? Richtig ist Antwort d): Billiger als ein Besuch im Dominastudio, aber viel qualvoller.