Danijel Marsanic hat ein Theaterstück geschrieben und sieht sich endlich auf dem richtigen Weg.

S-West - Mike will raus aus der engen Kiste, in der er steckt. Denn der Matrose beginnt zu ahnen, dass er vor dem Leben davonläuft. Und schon steckt er in einer neuen Kiste, in einem neuen Gefängnis seines Selbst! Als „Country Man“, dann als Hassbereiter oder als Träumer, der Erlösung von einer Prinzessin erhofft, aber nicht standhält vor seinem „Über-Ich“, das zu einer eigenen Figur wird. Wie es eben so gehen kann, wenn das Gewissen zu einer inneren Macht wird. „Dann erkennt Mike, dass er in Illusionen lebt und seine Träumereien aufgeben muss, um das echte Leben zu erfahren.“

 

„Das ist auch ein Stück über meine Generation – jeder hat seine Kiste“

So erklärt Danijel Marsanic die Häutungen der Figur in dem Ein-Personen-Stück „Kistenweise Leben“. Das Stück hat der 22-Jährige selbst geschrieben – und passenderweise nun bei der Uraufführung im Kulturhaus Schwanen in Waiblingen auch selbst gespielt, in der Inszenierung des Stuttgarter Regisseurs, Dramaturgen und Theaterpädagoge Stephan Raab. Passenderweise heißt in diesem Fall: „Klar, das sind Themen, die mich intensiv beschäftigen. Ich habe lange gebraucht, bis ich das so schreiben und darstellen konnte“, sagt Marsanic, der seit klein auf im Westen lebt. Dann fügt er hinzu: „Ich denke, das ist auch ein Stück über meine Generation. Jeder hat seine Kiste, muss in der Gesellschaft, im Leben zurecht kommen, Rollen annehmen. In den Rollen aber kann man sich so sehr verstecken, dass man das Rollenhafte übersieht und mit dem richtigen Leben verwechselt.“ Und dann gehe verschütt, was er als das Wesentliche bezeichnet: „Die Frage, wer bin ich wirklich?“

In dieser Kiste habe er nach dem Realschulabschluss auch festgesteckt: „Als junger Mensch hat man auch mal ganz schwarze Gedanke, wird gequält von der Frage: Soll ich einmal sterben, ohne wirklich gelebt zu haben?“ Mit 20 habe es dann „switch gemacht“, da habe er „den Schalter umgelegt“, eine Schauspielausbildung bei Crearte in Stuttgart begonnen. Diesen Weg zu gehen, das sei gar nicht „so verrückt“ gewesen, wie man, von außen betrachtet, denken könne: „Wenn es in der Schule um Späße ging, dann hat man mich gerufen. Aber eigentlich habe ich so mit der Schauspielerei aus den falschen Gründen begonnen. Das war auch nur eine weitere Rolle, die ich da gespielt habe.“

Der Autor hat sich selbst viele philosophische Fragen gestellt

Was also wie kistenweise Leben aussieht, auch nur eine weitere Illusion? „Ich habe noch ein bisschen gebraucht, bis ich genau wusste, was ich auf diesem Felde wollte. Wer bin ich? Was ist der Mensch? Das sind doch die Fragen, die am Anfang des Theaters stehen!“ In der Auseinandersetzung damit, auch im disziplinierten Erlernen des schauspielerischen Handwerks, im Ensemble der Freien Bühne Stuttgart oder bei SpielArt im vergangenen Sommer, habe sich „diese Sehnsucht nach Tiefe und nach Wahrheit bestätigt“: „Das ist in mir drin, das sucht nach Ausdruck, dafür bietet das Theater eine Million Möglichkeiten.“

Ja, ein bürgerlicher Lebensentwurf sei das nicht. „Aber ist es richtig, sich für die Bedürfnisse der Wirtschaft zurichten zu lassen? Ist das das richtige Leben?“ Seine Fragen sind bohrend, seine Antworten entschieden: „Der Kapitalismus ist ein Irrweg. Man sollte nicht mit einem Schleier vor den Augen durch das Leben gehen“, findet Marsanic. Er habe sich für „die Unsicherheit und das Ungewisse entschieden, denn das ganze Leben ist Unsicherheit und fortdauernde Bewegung“.

Einfach mal den Mut haben, alleine zu sein

Theater verstehe er auch als „Spiegelspiel“: „Ich möchte Menschen dazu verlocken, nach sich selbst zu fragen. In ihnen den Mut wecken, mal 20 Minuten alleine zu sitzen. Ohne Handy, ohne Konsum. Ohne Panik vor der Leere. Und dann erleben, dass da etwas Anderes entstehen kann, in der Begegnung mit Wahrheit.“ In diese Richtung werde seine Arbeit gehen, „auch wenn das ein großes, offenes Abenteuer ist“. Im Moment erarbeitet er eine Solo-Performance und bereitet ein Obdachlosen-Projekt vor. Und dann hat er ja noch „Kistenweise Leben“. Wie sich das anfühlt? „Es fühlt sich richtig an“, sagt er. Dann fügt er hinzu: „Man muss sein Licht scheinen lassen.“