Der Schauspielintendant kündigt dem Verwaltungsrat für 2018 seinen vorzeitigen Abschied an und nennt dafür „familiäre Gründe“. Die überraschende Personalie stellt selbst die Debatte über die Opernsanierung in den Schatten.

Stuttgart - Wer gedacht hatte, die aktuelle Sitzung des Verwaltungsrats der Stuttgarter Staatstheater werde geprägt von der Opernhaus-Sanierung, sah sich am Montagabend eines Besseren belehrt: Armin Petras, der Intendant des Schauspiels, hat dem Aufsichtsgremium seinen vorzeitigen Abschied aus Stuttgart angekündigt. Hierfür seien „familiäre Gründe“ ausschlaggebend. Der Verwaltungsrat nahm die Erklärung mit Respekt zur Kenntnis und setzte umgehend eine Findungskommission ein, die möglichst rasch einen Petras-Nachfolger finden soll.

 

Armin Petras will Stuttgart im Sommer 2018 verlassen. Damit erfüllt er seinen ursprünglichen Fünf-Jahres-Vertrag, den er im Sommer 2013 angetreten hat. Just vor einem Jahr hatte der Verwaltungsrat allerdings den Vertrag um drei weitere Spielzeiten verlängert, also bis Sommer 2021. Auf diese Verlängerung will der Intendant nun verzichten. Land und Stadt müssen jetzt einen Nachfolger finden, der bereit ist, von der Saison 2018/19 an das Schauspiel zu leiten. Da zur Vorbereitung eines Spielplans mindestens ein Jahr Planungszeit veranschlagt wird, kommt Petras’ Entscheidung gerade noch zur rechten Zeit. Kunstministerin Theresia Bauer und Oberbürgermeister Fritz Kuhn kündigten an, der Verwaltungsrat wolle bereits auf seiner nächsten Sitzung am 24. April kommenden Jahres einen neuen Intendanten bestellen.

Findungskommission mit Ulrich Khuon

Nähere Angaben zu den „familiären Gründen“ hat Petras nicht gemacht, sie sind auch kaum von ihm zu verlangen. Oberbürgermeister Kuhn betonte, sie seien „nachvollziehbar und respektabel“. Ähnlich äußerten sich weitere Mitglieder des Verwaltungsrats. Martin Körner, einer der städtischen Vertreter im Aufsichtsgremium, äußerte Respekt für die Entscheidung. Zwar habe auch er Petras künstlerische Arbeit in jüngster Zeit mit einer gewissen Skepsis verfolgt, aber ein vorzeitiger Abschied habe nie zur Debatte gestanden. Verständnis zeigte auch Martin Rivoir, einer der Vertreter des Landes: „Dass familiäre Gründe den Berufsweg durchkreuzen, kann passieren. Der Anstand gebietet es, nicht weiter nachzufragen.“ Im übrigen setze er auf eine gute Nachfolgeregelung.

Dafür soll eine breit aufgestellte, zehnköpfige Findungskommission aus Vertretern von Stadt und Land sorgen. Als ausgewiesener Experte – und elfter Mann – wird Ulrich Khuon, der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, hinzugezogen werden. Khuon saß auch in jener Kommission , die Petras 2013 nach Stuttgart holte.

Unabhängig von der offiziellen Begründung für den vorzeitigen Abschied wird über Erfolg und Qualität der Arbeit von Armin Petras als Intendant freilich seit geraumer Zeit heftig diskutiert. Die Zahl der Zuschauer und die Auslastungsquote ist in den ersten drei Petras-Spielzeiten markant gesunken: die Zuschauerzahlen von 145 000 (2013/14) über 128 000 auf zuletzt 113 000 (2015/16), die Auslastungsquote von 87 auf 78 und 74 Prozent. Nach einem viel beachteten und vom Publikum bejubelten Auftakt im Herbst 2013 mit einem rundum erneuerten Ensemble mehrten sich kritische Stimmen zur Spielplangestaltung und zum überkomplexen Inszenierungsstil vieler Regisseure, der offenbar viele Zuschauer nicht mehr in Bann zu schlagen vermochte.

„Wir schaffen den Turnaround“, sagt Petras

Armin Petras teilte zu seinem überraschenden Schritt mit: „Die Entscheidung, um eine vorzeitige Beendigung meines Vertrages zu bitten, ist mir schwer gefallen, war aber unvermeidlich. Es handelt sich um persönliche und familiäre Gründe, die meine ganze Aufmerksamkeit erfordern werden.“ Alle Projekte für die noch verbleibenden zwei Spielzeiten wolle er aber „mit ganzer Kraft“ umsetzen. Zudem sei auch der Auftakt der nächsten, im Herbst kommenden Jahres beginnenden Saison bereits unter Dach und Fach. Neben einer Inszenierung von René Pollesch werde das Publikum Goethes „Faust“ in der Regie von Stephan Kimmig und Shakespeare „König Lear“ von Claus Peymann sehen. Peymann, der am Berliner Ensemble gerade in seine letzte Spielzeit gegangen ist, für Stuttgart zu gewinnen, ist ein Coup: In den siebziger Jahren hat er als Intendant dem Schauspiel seine besten Zeiten beschert.

Auch Armin Petras sieht sich in Stuttgart wieder auf einem guten Weg, wie er nach der Verwaltungsratssitzung optimistisch erklärte. Die Zuschauerzahlen seien am Steigen. „Wir schaffen in dieser Spielzeit den Turnaround“, sagte er. Im Übrigen dankte er ausdrücklich der Politik in Stadt und Land für ihre Unterstützung. Sie hätten „mir und meinem Ensemble auch angesichts des kontrovers in der Öffentlichkeit aufgenommenen Schauspielprogramms das Vertrauen ausgesprochen und uns damit den notwendigen Freiraum für künstlerisches Arbeiten gegeben.“

Bei der Sanierung stehen die Ampeln auf Grün

Neben dieser völlig überraschenden Personalie befasste sich der Verwaltungsrat der Staatstheater dann auch noch plangemäß mit dem Sanierungsthema. „Die Ampeln stehen auf Grün“, betonte Kunstministerin Bauer. „Die sorgfältige Vorbereitung aller Detailfragen zahlt sich nun aus“ – zum Beispiel bei der Erweiterung der Opernbühne, der Erweiterung des Kulissengebäudes und der Verlegung der Turnhalle des Königin-Katharina-Stifts.

Wie bereits vorab gemeldet, stellte der Oberbürgermeister drei mögliche Standorte für eine Ersatzspielstätte für Oper und Ballett in der mehrjährigen Sanierungszeit vor: das frühere Paketpostamt in der Ehmannstraße, ein Neubau in der Nähe des Planetariums und ein temporärer Bau am Mercedes Museum. Diese Standorte sollen nun in den kommenden Monaten vergleichend geprüft werden – nach den Kriterien „Funktionalität, Kosten, Nachhaltigkeit, zeitliche Verfügbarkeit, Erreichbarkeit und Akzeptanz beim Publikum“. Damit werden ausdrücklich auch erste Bedenken der Theaterintendanten gegen Kuhns Vorschläge aufgenommen.